Unterhalt nach Scheidung

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Es gibt sie doch noch - die Lebensstandardgarantie nach der Ehe

§1569 des Bürgerlichen Gesetzbuchs besagt eindeutig: „Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.“ Diese seit dem 1. Januar 2008 geltende Vorschrift stellte eine große Zäsur im deutschen Scheidungsrecht dar. Manch einer könnte daher denken, eine Unterhaltspflicht entfiele mit Rechtskraft der Ehescheidung.

Von diesem Grundprinzip gibt es jedoch weitreichende Abweichungen. Nicht nur, dass in den darauffolgenden Paragraphen nacheheliche Unterhaltsansprüche aufgrund von Betreuung minderjähriger Kinder, Alter, Gebrechlichkeit oder Arbeitslosigkeit geregelt sind.

Auch die seit dem 1. Januar 2008 zu dieser Scheidungsreform ergangene Rechtsprechung hat im Laufe der Jahre einigen Wandel erfahren. Langfristige Ehen stehen nunmehr unter größerem Schutz, das Rheinlandpfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat zudem rezent auch entschieden, dass bei langjähriger Ehe und krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit eine Befristung und Herabsetzung des Unterhalts ausscheidet.

Gemäß § 1572 Nr. 1 BGB kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, hatten die Eheleute 1983 die Ehe miteinander geschlossen und sich im Jahre 2016 voneinander getrennt. Die Ehe wurde 2019 geschieden. Während der Ehe hatte die Eheleute einer sehr üblichen Rollenverteilung gelebt: der Ehemann war der Alleinverdiener, die Ehefrau kümmerte sich maßgeblich um die Kindererziehung der zwischenzeitlich volljährigen drei Kinder, sie hatte zu keinem Zeitpunkt gearbeitet.

Das Amtsgericht Frankenthal entschied bereits, für den Unterhaltsanspruch sei allein das Vorliegen einer Einschränkung maßgeblich, die zur Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit führe. Erforderlich sei ein objektiv fassbarer, regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der länger andauert und der ärztlichen Behandlung bedarf und (teilweise oder ganz) die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Dies bestätigte das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken.

Zwar musste die Ehefrau ihre krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit nachweisen, was ihr durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten gelang. Der Ehefrau wurden neurologische und orthopädische Gebrechen attestiert, die laut der Gutachter höchstens eine Erwerbstätigkeit von wenigen Stunden ermöglichten. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters der Ehefrau mit fast 60 Jahren schlussfolgerte das Gericht im Rahmen einer verständigen Würdigung der Gesamtsituation, eine reale Erwerbschance bestünde in diesem Fall nicht.

Auch eine zeitliche Beschränkung bzw. Herabsetzung des Unterhalts gemäß § 1578 b BGB verneinte das Gericht. Diesbezüglich bezogen sich die Richter auf die langjährige Ehedauer, im vorliegenden Fall sogar 36 Jahre, und die Tatsache, dass es sich um eine Alleinverdienerehe handelte, aus der 3 Kinder hervorgegangen seien. Denn hiermit steht auch die erforderliche wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten unwiderlegbar fest. Somit titulierten die Gerichte einen unbefristeten und unbeschränkten nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau.

München war, den 07. April 2022

RAin Helicia Herman

Fachanwältin für Familienrecht


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