Unterhalt, wenn betreuender Elternteil deutlich mehr verdient

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Betreut der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin nach der Trennung das gemeinsame Kind, steht der nicht betreuende Elternteil in der Verpflichtung, dem Kind Kindesunterhalt zu zahlen. Da es um den Anspruch des Kindes geht, kommt es normalerweise auf die Einkünfte des betreuenden Elternteils nicht an. Verdient der betreuende Elternteil aber deutlich mehr als der barunterhaltspflichtige Elternteil - erscheint es da ungerecht, wenn der Geringerverdienende den Kindesunterhalt in voller Höhe leisten müsste?

Ist Kindesunterhalt abhängig vom betreuenden Elternteil?

Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind dadurch, dass er das Kind in seinem Hausstand betreut und verpflegt. Der andere Elternteil, der das Kind nicht ständig betreut, ist gegenüber dem Kind barunterhaltspflichtig. Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils und dem Alter des Kindes. Details ergeben sich aus der Düsseldorfer Tabelle. Betreuungsunterhalt und Barunterhalt gelten als gleichwertige Unterhaltsleistungen:

  • Da das Kind einen eigenen Anspruch auf Barunterhalt hat und die Eltern dem Kind gegenüber verpflichtet sind, ihm Unterhalt zu gewähren, kommt es auf die Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils in der Regel nicht an.
  • Der betreuende Elternteil braucht normalerweise keine Auskunft über seine eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Bei besonders hohen Einkommen, z.B. wenn sein Einkommen das Dreifache des betreuenden Elternteils beträgt, kann es jedoch sein, dass er Auskunft erteilen muss, damit die richtige Unterhaltshöhe ermittelt werden kann.
  • Soweit der betreuende Elternteil Unterhalt für das Kind verlangt, handelt er als gesetzlicher Vertreter des Kindes und macht dessen Anspruch auf Kindesunterhalt im Namen des Kindes geltend.

Wie wirkt sich ein höheres Einkommen des betreuenden Elternteils aus?

Ein höheres Einkommen des betreuenden Elternteils hat normalerweise noch keine Auswirkungen auf die Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils. Die Rechtsprechung erkennt aber zwischenzeitlich Ausnahmen an,

  • wenn ein Unterhaltspflichtiger deutlich weniger verdient
  • und ein finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Partnern besteht.

Im Ausnahmefall kann sich die Barunterhaltspflicht ganz oder teilweise auf den betreuenden Elternteil verlagern, wenn dieser so viel mehr verdient, dass die alleinige Inanspruchnahme des nicht betreuenden Elternteils zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht führen würde. Es gibt allerdings in der Rechtsprechung keine klare Linie, wann genau von einem solchen erheblichen finanziellen Ungleichgewicht ausgegangen werden kann, wann man sozusagen von der Unterhaltspflicht befreit wird.

Finanzielles Ungleichgeweicht bei dreifachem Einkommen

Der Bundesgerichtshof (FamRZ 2013, 1558) hat ein solches Ungleichgewicht jedenfalls dann angenommen, wenn der betreuende Elternteil ein erheblich höheres Vermögen und ein mehr als dreifach höheres Nettoeinkommen als der nicht betreuende Elternteil erzielt. Insoweit kommt auch der betreuende Elternteil als ein „anderer unterhaltspflichtiger Verwandter“ im Sinne § 1603 Abs.II S.3 BGB in Betracht, wenn dieser in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessen Selbstbehaltes aufzubringen.

Das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 4.12.2015, Az. 20 UF 875/15) hat entschieden, dass der betreuende Elternteil ungeachtet der Betreuung des Kindes in voller Höhe dem Kind gegenüber barunterhaltspflichtig sein kann, wenn er etwa dreimal so viel verdient wie der nicht betreuende Elternteil. Der die Kinder betreuende Elternteil verdiente als Arzt mehr als das Dreifache dessen und damit deutlich mehr als die an sich barunterhaltspflichtige Mutter. Damit war der den Naturalunterhalt gewährende Elternteil in voller Höhe barunterhaltspflichtig.

In diesem Fall bestand die Besonderheit, dass die an sich barunterhaltspflichtige Mutter ihr bestehendes Arbeitsverhältnis als angestellte Rechtsanwältin gekündigt hatte, danach selbstständig tätig war und in der Gründungsphase nur eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten hatte. Das Gericht stellte klar, dass es der Frau nicht vorzuwerfen sei, in die Selbstständigkeit gewechselt zu sein. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, um ihre Unterhaltspflicht vorrangig gegenüber anderen Gläubigern bedienen zu können. Da die Frau als Anwältin tätig war, hätte die Insolvenz den Widerruf der anwaltlichen Zulassung zur Folge gehabt.

Finanzielles Ungleichgewicht bei 50% mehr Einkommen

In einer anderen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof anerkannt, dass der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils erhöht werden kann, wenn der betreuende Elternteil über ein um 50 % höheres Einkommen verfügt (BGH, Urteil vom 4.5.2011, XII ZR 70/09; OLG Brandenburg, FamRZ 2006,1780). In diesem Fall sei der betreuende Elternteil als ein „anderer leistungsfähiger Verwandter“ im Sinne von § 1603 Abs.II S.3 BGB anzusehen, so dass die Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils entfalle, wenn dieser nicht leistungsfähig sei. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuungsgeld gelte insoweit nicht uneingeschränkt.

Unterhaltspflichtiger verdient 500 EUR weniger

Um ein Ausnahmefall zu rechtfertigen, stellte das Oberlandesgericht Schleswig (FamRZ 2014, 1643) auf eine Mindestdifferenz von 500 EUR ab. Weniger gravierende Einkommensunterschiede sollen allenfalls eine anteilige Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils rechtfertigen (OLG Bamberg EzFamR aktuell 2000, 154).

Was tun, wenn betreuender Elternteil wesentlich mehr verdient?

Möchten Sie im Hinblick auf den höheren Verdienst des betreuenden Elternteils weniger oder gar keinen Kindesunterhalt zahlen, spricht einiges für Ihre Position, wenn Sie den eigenen angemessenen Selbstbehalt gefährden und damit selbst finanziell bedürftig würden (OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 347).

Ist der betreuende Elternteil erneut verheiratet, ist bei seinem Einkommen zusätzlich auch ein eventueller Taschengeldanspruch gegen den neuen Ehepartners zu berücksichtigen, wenn dieser einen höheren Verdienst hat als der Ehepartner.

Beachten Sie, dass Sie im Hinblick auf die vermeintlich höheren Einkünfte des betreuenden Elternteils beweispflichtig sind. Sie müssten beweisen, dass und wie viel der betreuende Elternteil mehr verdient als Sie selbst. In einem ersten Schritt müssten Sie Auskunft verlangen und den betreuenden Elternteil auffordern, Auskunft über seine Einkünfte und Vermögen zu erteilen (§ 1605 BGB). Nach Maßgabe der Auskunft wäre der Unterhalt zu berechnen.

Unterhaltspflichtiger muss in Vollzeit arbeiten

Werden Sie vom nicht betreuenden Elternteil aufgefordert, wegen Ihres vielleicht vermeintlich hohen Einkommens sich am Kindesunterhalt zu beteiligen oder diesen gar vollständig zu übernehmen, wäre zu berücksichtigen, dass Sie durch die Betreuung bereits ohnehin schon einen finanziellen Beitrag zum Unterhalt des Kindes leisten, da dieses bei Ihnen wohnt und verpflegt wird (OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1117). Deshalb ist es naheliegend, den Betreuungsaufwand als besondere Belastung zu berücksichtigen.

Hinzu kommt, dass die Beweislast für Ihre vermeintlich günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse beim barunterhaltspflichtigen Elternteil liegt. Es genügt also nicht, wenn dieser behauptet, Sie verdienten wesentlich mehr. Beachten Sie, dass Sie in den aufgeführten Einzelfällen auskunftspflichtig sind und auf Verlangen Auskunft über Ihr Einkommen und Vermögen erteilen müssen.

Voraussetzung, um einen Ausnahmefall zu begründen, ist immer, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil seiner normalen Erwerbspflicht nachkommt und in der Regel vollschichtig erwerbstätig ist. Es kann also nicht sein, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil seine Arbeitszeit reduziert und damit die Erwartung verbindet, dass er die Barunterhaltspflicht reduziert und zugleich den insoweit besserverdienenden betreuenden Elternteil in die Pflicht nimmt. Ausnahmen sind nur möglich,

  • wenn der nicht betreuende Elternteil nachweisbar keinen Vollzeitarbeitsplatz findet
  • oder aus gesundheitlichen Gründen nicht uneingeschränkt erwerbsfähig sein kann
  • oder wenn der Elternteil ein Kleinkind bis zum dritten Lebensjahr betreut und deshalb eigentlich gar nicht berufstätig sein müsste.

Ist der betreuende Elternteil dennoch berufstätig, dürfen seine Einkünfte überobligatorisch sein, also über das erforderliche Maß hinausgehen, so dass dieses Einkommen beim Einkommensvergleich der Eltern allenfalls teilweise berücksichtigt werden kann.

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Sie können auf dieser Webseite oder über eine Nachricht hier auch das entsprechende PDF-Dokument erhalten. Beachten Sie gern: Sowohl das Online-Formular als auch das PDF sind beides keine Formulare, mit deren Absenden Sie sich zu einer Zahlung verpflichten - deswegen auch die Bezeichnung "Antrag". Nachdem wir Ihre Sendung erhalten haben, rufen wir Sie zunächst an, um 

  1. uns für Ihre Anfrage zu bedanken, 
  2. offengebliebene Details zu klären, 
  3. und Ihnen einen Kostenvorschlag zu unterbreiten. 
  4. Sind Sie damit einverstanden, erhalten Sie ein Dokument zur Vergütungsvereinbarung oder auch eine Vollmacht. Die Unterhaltsberechnung wird dann durchgeführt, wenn Sie diese Dokumente unterzeichnet haben.

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Foto(s): iurFRIEND

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