Unterhalt, wenn Kind kein BAföG beantragt?

  • 7 Minuten Lesezeit

BAföG ist eine wertvolle finanzielle Unterstützung für Ausbildung oder Studium. Doch was passiert, wenn das Kind gar kein BAföG beantragt, obwohl es eigentlich Anspruch darauf hätte? Müssen Eltern für den gesamten Unterhalt aufkommen? Diese und weitere Fragen rund um BAföG klären wir in diesem Beitrag.

Was hat Vorrang – BAföG oder Unterhalt?

Eltern sind ihren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Insoweit besteht dem Grundsatz nach immer Anspruch auf Unterhalt. Andererseits ist es dem Kind zuzumuten, die finanzielle Belastung der Eltern gering zu halten. Insofern erscheint es als ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, BAföG zu beantragen. Ob ein Antrag auf BAföG-Leistungen zweckmäßig ist oder aller Wahrscheinlichkeit nach vom BAföG-Amt bewilligt wird, ändert daran nichts. Soweit das Kind verpflichtet ist, BAföG zu beantragen, kann man davon sprechen, dass BAföG gegenüber dem Unterhalt vorrangig ist.

Praxistipp

Bringt eine ledige Studentin ein Kind zur Welt, hat der Vater der Mutter mindestens für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren. Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB geht dem Anspruch der Mutter gegen die Eltern auf Ausbildungsunterhalt vor. Soweit die Studentin BAföG bezieht und damit über ein eigenes Einkommen verfügt, tritt auch insoweit der Unterhaltsanspruch gegen den Vater zurück.

Ist das Kind verpflichtet, BAföG zu beantragen?

Viele Studierende stellen sich die Frage: „Bin ich dazu verpflichtet, BAföG zu beantragen?“ Die Antwort lautet eindeutig: Ja. Die Rechtsprechung vertritt hierzu eine klare Meinung. Soweit BAföG-Leistungen in Betracht kommen und gewährt werden, müssen diese in Anspruch genommen werden (u.a. OLG Celle in Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, FamFR 2012, 517). Die Beantragung von BAföG ist, sofern der Antrag nicht von vornherein aussichtslos ist, zumutbar (OLG Hamm FamRZ 2014, 565).

Die Unterhaltspflicht der Eltern besteht ohnehin nur, soweit das Kind finanziell bedürftig und insoweit auf die finanzielle Unterstützung der Eltern angewiesen ist. Bezieht das Kind BAföG, ist es finanziell meist nicht mehr bedürftig und insoweit auch nicht mehr auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.

Nachweispflicht des Kindes

Das Kind ist daher verpflichtet, detailliert darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass es trotz rechtzeitiger Antragstellung keine Ausbildungsförderung erhalten hat oder erhalten hätte. Im einfachsten Fall gelingt der Nachweis dadurch, dass der ablehnende BAföG-Bescheid des BAföG-Amtes vorgelegt wird. Die Zumutbarkeit lässt sich auch daraus herleiten, dass das Darlehen zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen gewährt wird:

  • Die gewährten Leistungen sind erst fünf Jahre nach dem Ende der Forderung in monatlichen Raten zu tilgen.
  • Zudem ist die Tilgung auf einen Höchstbetrag von 10.000 EUR beschränkt und kann bei guten Leistungen teils auch erlassen werden.

Die Verpflichtung, BAföG zu beantragen, besteht ausnahmsweise nicht, wenn ein Förderkredit aufgrund der Verzinsung und anderer Rückzahlungsmodalitäten nicht mit einem BAföG-Darlehen vergleichbar ist (OLG Bremen, FamRZ 2013, 1050).

Hilfe beim Antrag

Der BAföG-Antrag erscheint komplex. Die Bewilligung hängt von vielen Faktoren ab. Zudem sind eine Reihe von Nachweisen erforderlich. Der Staat hilft und bietet in allen Bundesländern einen Antragsassistenten, der Schritt für Schritt durch den Antragsprozess leitet. Der Antrag wird dann elektronisch und gebührenfrei an das zuständige BAföG-Amt übermittelt. Benötigen Sie rechtlichen Rat oder möchten einen Ablehnungsbescheid prüfen lassen und ggf. dagegen vorgehen, können Sie sich jederzeit anwaltlich beraten lassen.

Kann das Kind freiwillig auf BAföG verzichten?

Es ist kein akzeptables Argument, der oder die Studierende wolle sich nicht bereits in Zeiten der Ausbildung verschulden, deshalb kein BAföG beantragen und stattdessen lieber die Eltern auf Unterhalt in Anspruch nehmen. Elternteile können das Kind also stets darauf verweisen, BAföG zu beantragen und können die Forderung, elterlichen Unterhalt zu zahlen, insoweit zurückweisen. Das Kind kann nicht freiwillig auf BAföG verzichten.

Genauso ist ein in einer Unterhaltsvereinbarung zwischen Eltern und Kind vereinbarter Verzicht auf Unterhalt unbeachtlich (§ 1614 BGB). Das Kind kann den BAföG-Antrag also nicht damit begründen, dass es von seinen Eltern trotz deren hohen Einkommens keinen Unterhalt bezieht, weil es auf Unterhalt verzichtet hat.

Ist BAföG auf den Unterhalt anzurechnen?

BAföG-Leistungen mindern den Unterhaltsbedarf des Studierenden und gelten unterhaltsrechtlich als Einkommen (Bundesgerichtshof, FamRZ 1985, 916). Bezieht das Kind also BAföG, ist es nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr unterhaltsbedürftig. Es ist damit in der Lage, seinen Lebensunterhalt auf der Grundlage der BAföG-Leistungen zu finanzieren und ist insoweit nicht mehr auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.

Wird das Kindergeld auf BAföG angerechnet?

Vollendet das Kind das 18. Lebensjahr und wird volljährig, steht ihm das Kindergeld in voller Höhe zu. Der Elternteil, der das Kindergeld bislang bezogen hat, muss das Kindergeld in voller Höhe an das volljährige Kind weiterleiten. Da das Kindergeld zweckgebunden ist, hat es keinen Einfluss auf die Förderung. BAföG und Kindergeld gelten unterhaltsrechtlich aber als Einkommen des Kindes und reduzieren den insoweit dem Grundsatz nach bestehenden Anspruch auf Unterhalt.

Kind hat Auskunftsanspruch gegen die Eltern

Damit das Kind BAföG beantragen kann, sind beide Elternteile verpflichtet, Auskünfte über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. BAföG-Leistungen werden dann nach Maßgabe der Einkommensverhältnisse der Eltern bewilligt. Letztlich liegt es auch im Interesse der Eltern, die notwendigen Auskünfte zu erteilen, da sie auf diesem Wege finanziell entlastet werden. Verweigern die Eltern die Auskünfte und erhält das Kind BAföG-Leistungen als Vorausleistung, wird das BAföG-Amt die Eltern ohnehin in Regress nehmen und den dafür notwendigen Auskunftsanspruch gegebenenfalls auch zwangsweise durchsetzen.

Was ist, wenn die Eltern die Auskünfte verweigern?

Verweigert ein Elternteil die Auskunft, kann das Kind im Regelfall keinen BAföG-Antrag begründen. In diesem Fall besteht die Alternative darin, dass das Kind BAföG-Leistungen als Vorausleistung beantragt (§ 36 BAföG). Für den Antrag auf Vorausleistung ist das Formblatt 8 zum BAföG-Antrag zu verwenden. In diesem Fall bekommt das Kind BAföG-Leistungen ohne Anrechnung des Einkommens der Eltern oder des Elternteils.

Das BAföG-Amt tritt insoweit in Vorlage, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Kind grundsätzlich Anspruch auf BAföG hat. Im Regelfall muss das Kind im laufenden Studium die dafür notwendigen Prüfungsleistungen erbracht haben. Außerdem muss das Kind schriftlich versichern, dass die Eltern oder ein Elternteil die Unterstützung verweigert. Das BAföG-Amt wird den Elternteil direkt auffordern, auf den Vorwurf Stellung zu nehmen und danach endgültig über den Antrag des Kindes entscheiden. Erbringt das BAföG-Amt für das Kind Vorausleistungen, geht der Auskunftsanspruch gegen die Eltern auf das Amt über. Das Amt informiert die Eltern mit einer Übergangsanzeige. Besteht ein Auskunftsanspruch und leistet der unterhaltspflichtige Elternteil nach Zustellung der Übergangsanzeige keine Zahlungen an das Land, wird das BAföG-Amt den Auskunftsanspruch unverzüglich gegenüber dem Elternteil geltend zu machen.

Der an das Land übergegangene Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB bezieht sich auf die Einkommensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils im Vorausleistungszeitraum. In Fällen schwankender Einnahmen, (z.B. bei selbstständig tätigen Unternehmern oder Freiberuflern), ist in der Regel über einen Zeitraum von drei Jahren Auskunft zu verlangen. Der Elternteil muss eine persönlich unterschriebene, systematische und belegte Aufstellung sämtlicher Einkünfte sowie des Vermögens vorlegen.

Studium mit Hilfe von Darlehen finanzieren

Lehnt das BAföG-Amt den Antrag ab, besteht noch die Möglichkeit, über eine Bank ein KfW-Darlehen für Studienzwecke zu erhalten. Die KfW-Bank ist eine staatliche Bank, die zinsverbilligte Darlehen gewährt, die das Kind erst nach Abschluss seines Studiums nach Maßgabe seiner Einkommensverhältnisse zurückzahlen muss. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die Leistungen den Lebensbedarf des Kindes mindestens reduzieren und den Unterhaltsanspruch gegen die Eltern entfallen lassen.

Rabatt nutzen

Bezieht das Kind BAföG, wird die erste Tilgungsrate fünf Jahre nach Ende der Förderungshöchstdauer und damit fünf Jahre nach Ende der Regelstudienzeit des ersten Studienganges fällig. Es erhält ein halbes Jahr vorher Bescheid vom Bundesverwaltungsamt. Darin stehen Tilgungsbeginn und Höhe der Tilgungsraten sowie ein Angebot zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehensanteils.

Zahlt das Kind seine Schulden vor Tilgungsbeginn komplett zurück, erhält es abhängig von der Höhe der Verbindlichkeiten bis zu 21,5 % Rabatt. Es spart dadurch maximal 2.152 EUR. BAföG-Schulden über 10.010 EUR werden erlassen.

Was bedeutet beim BAföG eine Verzichtserklärung?

Beantragt das Kind Wohngeld, erhält es dieses nur, wenn dem Grunde nach kein Anspruch auf BAföG besteht. Stellen Sie keinen Antrag oder bekommen Sie wegen der Anrechnung von Einkommen und Vermögen keine BAföG-Leistungen, haben Sie dem Grunde nach Anspruch auf BAföG, auch wenn Sie keine BAföG-Leistungen bekommen. Steht Ihnen kein BAföG mehr zu, weil Sie beispielsweise die Regelstudienzeit überschritten haben, lebt der Anspruch auf Wohngeld dem Grunde nach wieder auf. Solange Sie als Student an der Universität eingeschrieben sind und Wohngeld beantragen, verlangen die Wohngeldämter die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des zuständigen BAföG-Amtes, dass Sie kein Anspruch auf BAföG mehr haben.

Fazit

Gewährt der Staat BAföG, geht es darum, Studierende, aber auch Eltern finanziell zu entlasten. Allein dieses staatliche Angebot sollte Grund genug sein, BAföG in Anspruch zu nehmen. Sofern die Beantragung mit Schwierigkeiten verbunden ist und Sie auf schnelle Liquidität angewiesen sind, oder Fragen zum Unterhalt im Zusammenhang mit BAföG haben, sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten und gegebenenfalls lassen.


Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Worms

Beiträge zum Thema