Unterhalt zahlen bei Mindestlohn?

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Unterhaltspflichten, die den Kindesunterhalt, Trennungs- oder Ehegattenunterhalt betreffen, beruhen auf gesetzlicher Grundlage. Ist eine nach dem Unterhaltsrecht unterhaltsberechtigte Person finanziell bedürftig, hat sie Anspruch auf Unterhalt. Ob die unterhaltspflichtige Person dann tatsächlich Unterhalt zahlen kann, hängt von deren Leistungsfähigkeit ab. Der Mindestlohn führt im Prinzip nur dazu, dass die Löhne steigen und der Unterhaltspflichtige mit dem dadurch bedingten höheren Einkommen seine Unterhaltspflicht eher bedienen kann, als zuvor mit weniger Einkommen.

Wie hoch ist der Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit 1. Juli 2022 10,45 EUR und stieg seit 1. Oktober 2022 auf 12 EUR. Der Mindestlohn gilt unabhängig von Arbeitszeit oder Umfang der Beschäftigung und damit auch für Mini-Jobs. Er ist ein Bruttostundenlohn. Um eine Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu ermöglichen, wurde auch die Minijobgrenze zum 1. Oktober 2022 von 450 EUR auf 520 EUR angehoben.

Wie viel muss ich verdienen, um Unterhalt zu zahlen?

Um Unterhalt zahlen zu können, müssen Sie so viel verdienen, dass Ihr eigener Lebensunterhalt gesichert ist. Das Unterhaltsrecht stellt dazu auf Ihre Leistungsfähigkeit ab (§ 1603 BGB). Leistungsfähig und unterhaltspflichtig ist danach, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

Um Ihren eigenen Lebensunterhalt zu gewährleisten, gewährt das Gesetz sogenannte Selbstbehalte. Die Höhe des Selbstbehalts (Eigenbedarf) hängt davon ab, wem gegenüber Sie Unterhalt leisten müssen. Ab 2024 gelten folgende Beträge:

  • Zahlen Sie Kindesunterhalt, beträgt Ihr Selbstbehalt gegenüber einem minderjährigen Kind oder einem privilegierten Kind bis zur Vollendung des einen 21. Lebensjahrs, das im Haushalt eines Elternteils lebt und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befindet, 1.200 EUR, wenn Sie nicht erwerbstätig sind und 1.450 EUR, wenn Sie eigenes Geld verdienen.
  • Gegenüber einem volljährigen und nicht privilegierten Kind beträgt der Eigenbedarf 1.750 EUR.
  • Zahlen Sie Trennungs- oder Ehegattenunterhalt, beträgt der Eigenbedarf 1.475 EUR, wenn Sie nicht erwerbstätig sind und 1.600 EUR, wenn Sie eigenes Geld verdienen.

Tipp: Ihre Selbstbehalte können im Einzelfall erhöht werden, wenn Ihr Ex-Partner Ihr gemeinsames Kind betreut und über ein 50 % höheres Einkommen verfügt als Sie selbst (Bundesgerichtshof, Urteil vom 4.5.2011, Az. XII ZR 70/09). Der besser verdienende Ex-Partner muss, obwohl er das Kind betreut, insoweit einen Anteil am Barunterhalt für das Kind übernehmen.

Was bedeutet fiktives Einkommen beim Unterhalt mit Mindestlohn?

Sind Sie nach dem Gesetz unterhaltspflichtig, müssen Sie alle verfügbaren Vermögenswerte für den Unterhalt einsetzen und das für den Unterhalt notwendige Geld verdienen. Diese Verpflichtung besteht insbesondere gegenüber dem minderjährigen und dem privilegiert volljährigen Kind (§ 1603 Abs. II BGB).

Verdienen Sie kein eigenes Geld, obwohl Sie bei ernsthaften Bemühungen in zumutbarer Art und Weise eigenes Geld verdienen könnten, wird Ihnen ein sogenanntes fiktives Einkommen, also ein theoretisch erzielbares Einkommen, angerechnet. Nach Maßgabe dieses Einkommens wird Ihre Unterhaltspflicht beziffert.

Um ein solches fiktives Einkommen zu berechnen, kann mithin auf den Mindestlohn abgestellt werden.

Beispielfall: Fiktives Einkommen einer ungelernten Arbeitskraft

So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 23.12.2015, Az. 2 UF 213/15) einem seinem minderjährigen Kind unterhaltspflichtigen Vater als ungelernte Arbeitskraft im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 1.300 EUR zugerechnet. Die Urteilsbegründung ist aufschlussreich:

  • Ansatzpunkt war dabei auch, dass der Mann ein derartiges Einkommen im Rahmen einer früheren Beschäftigung bereits erzielt hatte und nach wie vor eine reale Beschäftigungschance bestehe.
  • Soweit keine Beschäftigungschance bestehe, habe der Vater darzulegen und zu beweisen, warum er keine Beschäftigung finde.
  • Für einen gesunden Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter gelte insoweit auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit kein Erfahrungssatz, nach dem er auch als ungelernte Kraft nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln sei.
  • Unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel habe er sich nachhaltig darum bemühen müssen, eine angemessene Beschäftigung zu finden.
  • Dafür genüge die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht. Ebenso genüge nicht, dass er sich lediglich auf die vom Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote beworben habe.

Da es sich in diesem Fall um eine ungelernte Arbeitskraft handelte, gelten diese Grundsätze erst recht, wenn Sie eine Berufsausbildung absolviert haben und insoweit noch bessere Chancen haben, eine Erwerbstätigkeit zu finden. Insoweit sind Sie gehalten, auch eine Beschäftigung zu akzeptieren, die nicht unbedingt Ihrer Ausbildung und der Qualität einer früheren Beschäftigung entspricht. Entscheidend kommt es nur darauf an, dass Sie Geld verdienen, um Ihrer Unterhaltspflicht Genüge zu tun.

Soweit der Gesetzgeber Mindestlöhne vorschreibt, wirkt sich die Höhe des Mindestlohns logischerweise auch auf Ihr theoretisch erzielbares fiktives Arbeitseinkommen aus. Wird Ihnen ein fiktives Einkommen zugerechnet, riskieren Sie, dass Ihr jeweiliger Selbstbehalt abgesenkt wird und das verfügbare Einkommen insoweit für die Unterhaltszahlungen verwendet wird. Ihr Einkommen, aus welcher Quelle auch immer Sie dieses ziehen, wäre dann mit hoher Wahrscheinlichkeit pfändbar.

Welches Einkommen zählt für die Unterhaltsberechnung?

Um den Unterhalt zu bemessen, wird beim Kindesunterhalt auf das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abgestellt. Geht es um Trennungs- oder Ehegattenunterhalt, zählt auch das bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltsberechtigten Ehepartners.

Das bereinigte Nettoeinkommen errechnet sich bei Arbeitnehmern aus dem Bruttoeinkommen im Durchschnitt der letzten zwölf Monate. Zahlt Ihr Arbeitgeber Mindestlohn, bestimmt der Mindestlohn die Höhe Ihres Bruttoeinkommens. Dieses Bruttoeinkommen wird um

  • Steuern,
  • Sozialversicherungsbeiträge,
  • berufsbedingte Aufwendungen
  • und ehebedingte Verbindlichkeiten

reduziert. Es ergibt sich das bereinigte und damit unterhaltsrelevante Einkommen.

Tipp: Aus Sicht eines Unterhaltsschuldners erscheint zur Reduzierung des Bruttoeinkommens jede Verbindlichkeit berücksichtigungsfähig. Umgekehrt wird ein Unterhaltsgläubiger bestreiten, dass die Verbindlichkeit Berücksichtigung finden darf. Insoweit kommt es auf die richtige Begründung an, was angerechnet werden darf und was nicht. Bevor Sie unnötigerweise Ausgaben ansetzen oder bestreiten, sollten Sie sich kompetent beraten lassen.

Was ist die Bagatellgrenze beim Unterhalt?

Eine Bagatellgrenze beim Unterhalt gibt es eigentlich nicht. Man kann den Begriff aus der Sicht des Unterhaltsschuldners und aus der Sicht des Unterhaltsgläubigers betrachten.

Unterhaltszahler verdient mehr als Selbstbehalt

Ob Sie als Unterhaltsschuldner Unterhalt zahlen müssen, hängt davon ab, ob Ihr eigener Selbstbehalt gewährleistet ist. Verdienen Sie Geld, das über ihrem Selbstbehalt liegt, gibt es keine Bagatellgrenze. Sie sind unterhaltspflichtig und damit finanziell leistungsfähig.

Geht es um Kindesunterhalt, richtet sich die Höhe nach der Düsseldorfer Tabelle. Ergibt sich nach Maßgabe Ihres Einkommens ein Unterhaltsanspruch, ist der Kindesunterhalt zu zahlen. Ansonsten wird die Bagatellgrenze meist im Hinblick auf den Aufstockungsunterhalt für den bedürftigen Ehepartner diskutiert.

Dabei geht es darum, dass ein unterhaltsberechtigter Ehepartner seinen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nur realisieren kann, wenn nicht ganz geringfügige Einkommensunterschiede auszugleichen sind. Es wird darauf abgestellt, dass der Aufstockungsunterhalt ehebedingte Vorteile zur Erhaltung des ehelichen Lebensstandards und zur Vermeidung eines sozialen Abstiegs nur dann aufrechterhalten soll, wenn die Ehepartner erhebliche Einkommensdifferenzen aufweisen. Gibt es nur geringfügige Einkommensdifferenzen, erfüllt der Aufstockungsunterhalt diesen Zweck nicht. Die Rechtsprechung hierzu ist ziemlich uneinheitlich.

Als Unterhaltsempfänger kleine Unterhaltsbeträge einfordern?

Aus Sicht des Unterhaltsgläubigers wiederum kann eine Bagatellgrenze ein Ansatzpunkt sein, ob es sich überhaupt lohnt, kleine Summen einzufordern und diese gegebenenfalls auch noch gerichtlich geltend machen zu müssen. Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 1984 entschieden, dass ein Betrag von umgerechnet heute ca. 140 EUR nicht als zu vernachlässigende Bagatelle anzusehen sei. Nach neuerer Rechtsprechung wurde ein Mindestbetrag des Aufstockungsunterhalts von wenigstens 50 EUR als Schwellenwert angesehen, um diese Bagatellgrenze zu überschreiten. Andere Gerichte stellen auf eine Grenze von 10 % ab, ab der erst ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht kommt.

Fazit

Das Unterhaltsrecht lässt sich nicht auf wenige Kernaussagen reduzieren. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an. Die Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen zeugt davon, wie komplex das Unterhaltsrecht in der Praxis ist. Egal, ob Sie als Unterhaltsschuldner oder als Unterhaltsgläubiger auftreten, sollten Sie sich frühzeitig über Ihre Rechte und Pflichten informieren und anwaltlich beraten lassen. Haben Sie zu diesem Thema weitere Fragen? Dann nutzen Sie gerne das Kontaktformular, um uns Ihr Anliegen zu schildern.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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