UWG-Reform 2020 - Das Ende der Abmahnung? Zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs - Teil 3

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Nachdem es in

Teil 1 zum Überblick zur anstehenden UWG-Reform 2020 um allgemeine Punkte sowie die Abmahnbefugnis für Mitbewerber ging und in

Teil 2 zum Überblick zur anstehenden UWG-Reform Fragen zu den Abmahnvereinen, zum Rechtsmissbrauch und den neuen Kostenregelungen aufgegriffen wurden,

soll es im abschließenden Teil 3 neben den Fragen rund um Unterlassungserklärung und fliegendem Gerichtsstand gehen, aber auch darum, wie mit bereits ausgesprochenen Abmahnungen umzugehen sein wird.

 

 9. Muss ich künftig im Falle einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben?

Ein ganz klares „Jain“. Eine Unterlassungserklärung als solches ist in allen Varianten einer Abmahnung auch weiterhin denkbar und wird auch künftig der Kern einer jeden Abmahnung sein. Neu ist jedoch, dass in bestimmten Konstellationen zumindest eine Vertragsstrafe für den Wiederholungsfall in der Unterlassungserklärung nicht mehr gefordert werden kann oder aber, dass eine solche Vertragsstrafe auf einen Wert von allenfalls 1.000,00 € begrenzt ist.

Bei der Erstabmahnung durch einen Mitbewerber soll künftig keine Vertragsstrafe mehr gefordert werden dürfen, sofern es lediglich um Informations- und Kennzeichnungspflichten geht, der Verstoß im Internet begangen wurde und der Abgemahnte nicht mehr als 100 Mitarbeiter hat. Daraus wird aber auch klar, dass bei einem erneuten Verstoß und damit bei einer erneuten Abmahnung, sprich Zweitabmahnung, sehr wohl auch eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe gefordert werden kann. Ebenso kann eine Vertragsstrafe gefordert werden, wenn der Verstoß außerhalb des Internet begangen worden ist oder aber eine Mitarbeiterzahl von mehr als 100 vorliegt

Allerdings bietet schon diese Formulierung einen bunten Strauß offener Fragen, die auch in der Praxis kaum befriedigende Lösungsansätze geben.

So ist bereits unklar, woher der Abmahnende wissen soll, wie viele Mitarbeiter der Abgemahnte hat. Darüber hinaus dürfte bei nüchterner Betrachtung ebenso klar sein, dass ein Markteilnehmer, welcher beispielsweise 90 bis 100 Mitarbeiter hat, nun nicht wirklich Kleinunternehmer sein dürfte. Mit welchen Erwägungen also die Grenze der 100 Mitarbeiter zu ziehen sein soll, ist unklar. Die wirtschaftliche Gleichstellung einer kleinen Einmann-Firma mit einer Firma, die zwischen 90-100 Mitarbeiter hat ist nicht wirklich plausibel. Das vor allem dann nicht, wenn die Gesetzesänderung dem wirtschaftlichen Schutz kleinerer und Kleinstunternehmen dienen soll. Eine nachvollziehbare Begründung lässt der Gesetzgeber vermissen.

Zudem können abmahnende Vereine auch bei der Erstabmahnung eine Vertragsstrafe fordern. Nur: wenn Unternehmer A von einem Mitbewerber abgemahnt wird, er sich dabei lediglich zum Unterlassen „höflich verpflichtet“ und für all das nicht einmal Kosten entstehen, hingegen Unternehmer B im gleichen Wettbewerbssegment für exakt den gleichen Fehler von einem Verein abgemahnt wird, er sich diesem gegenüber zu einer Vertragsstrafe verpflichten muss und auch die Kosten zu tragen hat, dann braucht es schon einen gehörigen Aufwand, diese Unterscheidung nachvollziehbar zu begründen. Möglicherweise wäre das ein geneigtes „Pech gehabt“ oder aber „Lebensrisiko“ im Sinne des Gesetzgebers? Diese Ungleichbehandlung in der täglichen Rechtspraxis verständig zu vermitteln, dürfte aus Sicht der Betroffenen nur schwer möglich sein.

Die Deckelung einer Vertragsstrafe auf 1.000,00 € ist jedenfalls dann einschlägig, wenn es sich um einen Verstoß handelt, der „nach Art und Ausmaß Verbraucher nicht wesentlich beeinträchtigt“ und der Abgemahnte weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Was dabei „wesentlich“ ist, bleibt offen. Hier verweist die Gesetzesbegründung auf „die Umstände des konkreten Einzelfalls“. Interessanterweise verweist die Gesetzesbegründung hier auf § 5a Abs. 4 UWG, nach welchem unionsrechtliche Vorgaben stets wesentlich sind. Diese sollen dennoch unter die Deckelung auf 1.000,00 € fallen. Allerdings benennt die Gesetzesbegründung ausdrücklich nicht § 5 Abs. 2 und 3 UWG. Hiernach wären also die dortigen Angaben möglicherweise nicht von der Kappung erfasst. Auch hier bleibt vieles abzuwarten.

Letztlich zeigt auch an dieser Stelle die Kopplung an die Mitarbeiterzahl Wertungswidersprüche auf: eine Vertragsstrafe von 1.000,00 € ist für ein Einmann-Unternehmen wirtschaftlich etwas komplett anderes, als für eine Firma mit bis zu 100 Mitarbeitern. Aber auch diese Widersprüche wären zunächst hinzunehmen. Ob die Rechtsprechung Anpassungen vornehmen wird, bleibt abzuwarten.

 

 10. Wie soll dann aber gesichert sein, dass ein erneuter Verstoß ausgeschlossen ist?

Auch das ist eine gute Frage, wenn es um das Unterlassungsbegehren eines Mitbewerbers geht. Im Grunde lässt dies den gesamten Sinn und Zweck einer Abmahnung hinfällig werden, wenn diese nur dazu da ist, die Voraussetzung für einen zweite Abmahnung zu schaffen. Erst bei dieser kann eine Vertragsstrafe gefordert werden. Man wird es wohl bei einer einfachen Unterlassungserklärung belassen müssen und darauf vertrauen, dass der Abgemahnte sich an die Verpflichtung hält. Im Zweifel ist eine zweite Abmahnung auszusprechen, wobei sich auch dabei die Frage stellt, wer im Wiederholungsfalle die Kosten trägt. Sofern davon auszugehen wäre, dass auch im Wiederholungsfall für eine Abmahnung von Informations- und Kennzeichenpflichten keine Kostenerstattung möglich ist (mit Blick auf den Wortlaut der Gesetzesänderung wäre durchaus davon auszugehen), dann trägt der Abmahnende für das eigentliche Ziel einer strafbewehrten Unterlassungserklärung doppelte Kosten.

Eine weitere Gefahr in der Praxis dürfte darin bestehen, dass jedenfalls dann, wenn der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung (dabei ohne Vertragsstrafe) abgibt, die Sache recht schnell an das zuständige Gericht gelangt. Denn klar ist: im gerichtlichen Verfahren ist eine Kostenfreiheit nicht anzunehmen. Ist dann auch noch zu bedenken, dass mit Blick auf die neuesten Entwicklung des BVerfG zur Frage eines mündlichen Verhandlungstermins im einstweiligen Verfügungsverfahren eine mündliche Verhandlung immer häufiger angesetzt wird, dann ist die ursprüngliche Ersparnis der eigentlichen Kostenfreiheit der Abmahnung schnell verpufft.

 

11. Was ist neu am „fliegenden Gerichtsstand“? 

Zuvor galt, dass bei einer gerichtlichen Klärung für im Internet begangene Verstöße im Grunde jedes Landgericht in Deutschland zuständig war. Grund dafür war, dass zumindest auch dort geklagt werden konnte, wo der Wettbewerbsverstoß stattgefunden hat. Da das Internet und damit der jeweilige Verstoß deutschlandweit abrufbar ist, war damit auch jedes Gericht zuständig. Dadurch gab es an verschiedenen Gerichten gehäufte Verfahren und damit eine hohe Spezialisierung der Kammern. Das ist nun vorbei, soweit es um Verstöße im Internet geht. Damit muss dort geklagt werden, wo der Abgemahnte seinen Wohn- und/ oder Geschäftssitz hat. Äußerst problematisch ist, dass sämtliche Verstöße betroffen sind, die im Internet begangen werden. Damit betrifft dies auch Verstöße jenseits bloßer Informations- und Kennzeichnungspflichten. 

Problematisch ist zudem folgender Gedanke: bislang war es üblich, dass in sicherlich 90% aller Verfahren ein Beschluss des Gerichts ohne große Anhörung des Abgemahnten erfolgte. Er konnte dann im Nachhinein prüfen, ob er sich gegen den Beschluss zur Wehr setzt. Das war effektiv, vor allem auch im Sinne der Kosten, gerade bei klaren Verstößen, denn oftmals wurde da geklagt, wo der beauftragte Rechtsanwalt seinen Sitz hatte. Mit der neuesten Rechtsprechung des BVerfG ist aber auch damit Schluss, sodass die Verhandlung auch in einfach gelagerten Fällen mehr und mehr zum Standard wird. Das bedeutet, es entstehen zusätzliche Kosten für eine Verhandlung und durch den Wegfall des fliegenden Gerichtsstandes möglicherweise erhöhte Reisekosten. Der Wettbewerber sitzt meist nicht im nächsten Ort. Konnte vorher der Abmahner auch an seinem eigenen Gerichtsort klagen, um im unwahrscheinlichen Fall einer Verhandlung zumindest selbst keine Reisekosten zu haben, muss auch das nun einkalkuliert werden. Wer aus Rostock kommt und in Freiburg klagen muss, hat im Zweifel bereits Zusatzkosten im deutlichen 3-stelligen Bereich.

 

12. Ich habe bereits eine Unterlassungserklärung in der Vergangenheit abgegeben. Gelten die neuen Regeln auch für mich?

Grundsätzlich gilt eine einmal abgeschlossene Unterlassungserklärung unverändert fort. Natürlich kommt in gewissen Konstellationen auch eine Kündigung oder sonstige Auflösung in Betracht. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden: die neuen Änderungen des UWG ändern nichts an der Unlauterkeit, sprich der Wettbewerbswidrigkeit einzelner Verbotstatbestände. Die Änderung bezweckt nur eine Neuregelung der Verfolgung solcher Wettbewerbsverstöße. Damit ist klar, dass eine Unterlassungserklärung, mit welcher ich mich zu einem ganz bestimmten Verhalten verpflichtet habe, auch weiterhin gilt.

Eine andere Frage ist: was ist mit der Vertragsstrafe, wenn ich gegen eine alte Unterlassungserklärung verstoße? Da ein solcher Verstoß im Zweifel in der Zukunft liegt und damit im Zeitraum der künftigen Geltung der UWG-Änderung, wäre wohl davon auszugehen, dass bei einer zu bemessenden Vertragsstrafe auch die Wertungen des dann geltenden neuen UWG heranzuziehen sind. Wenn eine Vertragsstrafe ohne konkrete Zahl, sondern nach „neuem Hamburger Brauch“ vereinbart wurde, dürften sich die wenigsten Probleme ergeben. Hier musste sich der Anspruchsteller, sprich der Abmahner, auch bisher Gedanken machen, welche Maßstäbe er für die ganz konkrete Bemessung im Wiederholungsfall heranzieht. Die neu aufgenommenen Eckpunkte wie Art und Umfang der Wiederholungsverstoßes, Marktstärke der Parteien usw. waren auch bisher denkbare Kriterien. Relevant dürfte es vielmehr bei den Unterlassungserklärungen werden, bei denen eine feste Vertragsstrafe, meist 5.000,00 €, vereinbart wurde. Allerdings spricht viel dafür, auf diese Unterlassungserklärungen den neuen § 13a Abs. 4 UWG anzuwenden, sodass sich die Höhe dann auf ein „angemessenes Maß“ reduziert.

 

13. Ich habe in den letzten Monaten eine Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen Informationspflichten erhalten, die Kosten jedoch noch nicht bezahlt. Fallen diese denn jetzt weg?

Nein, die Kosten, welche für eine vergangene Abmahnung gefordert werden, fallen nicht weg, jedenfalls nicht aufgrund der Gesetzesänderung. Hier hält § 15a des Änderungsgesetzes die Einschränkung bereit, dass der neue § 13 UWG nicht auf die Abmahnungen anzuwenden ist, welche vor der Verkündung der Gesetzesänderung bereits zugegangen sind. Die Erstattung der Kosten dieser Abmahnungen richtet sich also danach was zu dem Zeitpunkt gegolten hat, zu welchem die Kosten entstanden sind. Das war der Zeitpunkt der damaligen Abmahnung. Damit ist für bereits ausgesprochene Abmahnungen auch weiterhin nur danach zu fragen, ob die ganz konkrete Abmahnung berechtigt, unentbehrlich und nicht missbräuchlich war.

 

 

Gesamtfazit: Die Reform des UWG ist im Ergebnis sicherlich geeignet, den Abmahnmissbrauch einzudämmen. An dieser Grundidee dürfte auch niemand etwas zu kritisieren haben. Gerade Punkte wie formale Vorgaben für eine Abmahnung sind durchaus zu begrüßen. Allerdings scheint mehr das Kind als mit dem Bade ausgeschüttet, sodass durch die rigide Neufassung des gesamten Systems auch die vollkommen redliche Rechtsverfolgung wenigstens erheblich erschwert wird. Probleme werden in erster Linie die etlichen unbestimmten Rechtsbegriffe machen, deren Gehalt sich erst durch Auslegung der Gerichte aufzeigen wird. Nach den Änderungen des UWG innerhalb der letzten gut 10 Jahre durch Einfügung von zahlreichen EU-Verordnungen hat es Jahre gedauert, bis sich mehr und mehr greifbare Richtlinien für den Umgang mit  Rechtsmissbrauch gebildet haben. Das zeigen auch die verschiedenen Entscheidungen etwa gegen den IDO in letzter Zeit. Nunmehr geht all das vielleicht nicht verloren, aber im Grunde von vorn los. Es wird seine Zeit brauchen, um handhabbare Richtlinien für die Praxis zu erhalten. Mit Blick auf diese Unwägbarkeiten sollte auch künftig einer Abmahnung erhöhte Aufmerksamkeit gegeben und im Zweifel anwaltlicher Rat eingeholt werden.



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