Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) verliert vor dem Landgericht Berlin und teilweise auch in Köln

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Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) e. V. war schon oft Gegenstand von Rechtstipps auf anwalt.de. Dies mag daran liegen, da der Verein aus Berlin nach eigenen Angaben schon „seit mehr als 30 Jahren auf dem Gebiet“ des „Wettbewerbs“ tätig ist. Oder anders ausgedrückt: Der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. mahnt regelmäßig und kostenpflichtig Texte auf Webseiten oder in Werbeanzeigen von Unternehmen ab, die nach Ansicht des privaten Vereins wettbewerbswidrig sind. Spektakulär lotete der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. 2018 neue Wege des Rechts aus, indem er massenhaft „Influencer“ bei Instagram abmahnte und brachte damit sogar den Gesetzgeber auf den Plan. Die Journalistin Anna Eube schrieb dazu in der Zeitung DIE WELT am 16.02.2019, die Argumente des Vereins „seien oft absurd“. Das eine Abmahnung und die anschließende Prozessführung aber nicht immer erfolgreich ausgehen, zeigen zwei Fälle, die 2018 vor dem Landgericht Berlin und die 2020 vor dem Landgericht Köln verhandelt worden sind. Diese Beispielfälle zeigen über den Einzelfall hinaus auf, wie man als abgemahnter Unternehmer mit berechtigten oder unberechtigten Abmahnungen richtig und schadensbegrenzend umgeht.

 

Landgericht Berlin: Einstweilige Verfügung erwirkt und wieder aufgehoben

Die Prozessführung des Verbandes Sozialer Wettbewerb e. V. beginnt oft mit einem Paukenschlag. Nach vorheriger Abmahnung erwirkte der private Verein vor der Wettbewerbskammer des Landgerichtes Berlin ohne mündliche Verhandlung und ohne vorherige Anhörung des zuvor Abgemahnten eine einstweilige Verfügung per Beschluss vom 26.01.2018 (Az. 15 O 21/18), die es dem abgemahnten Unternehmen, einem regional bekannten Betreiber eines Einkaufscenter in Berlin, untersagte, bestimmte Warenprodukte der dort ansässigen Unternehmen per Werbeanzeige zu bewerben, ohne zugleich die Rechtsform und den Sitz des produktanpreisenden Unternehmens für das jeweilige Produkt anzugeben. Der Hintergrund des Streitfalles kann – bei kritischer Reflexion – durchaus als absurd betrachtet werden. In einem regional bekannten Berliner Einkaufscenter hatten sich Einzelhandelsunternehmen zusammengeschlossen, die ihre Produkte in ihren jeweiligen Geschäften in diesem Einkaufcenter offerierten. Die Einzelhandelsgeschäfte mit ihren unterschiedlichen Produkten vermarkteten sich dabei über einen gemeinsamen Verein, der die gemeinsamen Werbeaktivitäten in diesem Einkaufscenter bündelte. Dieser Verein publizierte in der verkaufsträchtigen Adventszeit und Vorweihnachtszeit eine Werbeanzeige u. a. für eine Kaffeemaschine eines bekannten Herstellers und für einen Brillantring der Marke Christ in einer Lokalzeitung, die nur in dem besagten Ortsteil in Berlin erscheint, an dem sich das Einkaufszentrum befindet. Der private Verband Sozialer Wettbewerb e. V. will dem Abgemahnten zukünftig solche Werbeanzeigen verbieten lassen, solange nicht auch die Rechtsform und der Unternehmenssitz des werbenden Unternehmens in der Werbeanzeige angegeben werde. Ob dies dem Verbraucher einen informatorischen Mehrwert bietet, kann man hinterfragen, wenn man bedenkt, dass in einem lediglich regional bekannten Einkaufscenter naturgemäß eine Vielzahl an unterschiedlichen Filialketten ihre Geschäfte führen. Wenn jedes dieser Filialketten, die ihren formalen Unternehmenssitz nicht in dem Einkaufscenter in Berlin führen, sondern dort nur ein Ladengeschäft betreiben, ihren Unternehmenssitz bekannt geben muss, dann erfährt der Verbraucher nicht zwingend, wo er sich das Produkt anschauen und ggf. kaufen kann. Wenn das Juwelierunternehmen CHRIST seine Produkte nämlich in einem regional bekannten Einkaufszentrum in Berlin anbietet, dann möchte der umworbene Kunde häufig nur das Einkaufszentrum in Berlin als Kontaktadresse erfahren. Rein formal führt die CHRIST Juweliere und Uhrmacher seit 1863 GmbH ihren Unternehmenssitz aber in 58099 Hagen. Dem in Berlin umworbenen Verbraucher ist mit der Angabe dieses Unternehmenssitzes vermutlich wenig gedient, denn er wird wohl kaum die 502 Kilometer für die einfache Fahrstrecke nach Hagen und wieder zurück fahren, um das allein in einem einzigen Ortsteil von Berlin umworbene Produkt zu erwerben.

 

Warum hat das Gericht die einstweilige Verfügung wieder aufgehoben?

Erst nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung übernahm ilex Rechtsanwälte die Prozessverteidigung. Nach einer Akteneinsicht in den für den Abgemahnten bis dahin unbekannten Akteninhalt und sorgfältiger Klärung des Sachverhaltes, legten wir Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein. In der Verteidigung trugen wir vor, dass – losgelöst von den zugrundeliegenden Rechtsfragen – der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. die falsche Person in Anspruch genommen habe. Gegner der erlassenen einstweiligen Verfügung war das Centermanagement gewesen, welches sich im Wesentlichen um die Vermietung der einzelnen Ladengeschäfte kümmerte, also eine klassische Immobilienverwaltung betrieb. Verantwortlich für die besagte Werbeanzeige war aber die in der Rechtsform eines Vereins zusammengeschlossene Gemeinschaft der Gewerbetreibenden und nicht das Centermanagement. Das Landgericht Berlin ordnete daraufhin eine mündliche Verhandlung an. Wenige Stunden vor der mündlichen Verhandlung nahm der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung urplötzlich, möglicherweise im Angesicht einer drohenden Niederlage, zurück. Per Beschluss vom 13.09.2018 verurteilte das Landgericht Berlin den Verband Sozialer Wettbewerb e. V. zur Tragung der Verfahrenskosten für das Gerichtsverfahren bei einem Streitwert von 20.000,- € (Az. 15 O 21/18).

 

Was entschied das Landgericht Köln?

Nach sorgfältiger Analyse der Sach- und Rechtslage gab der tatsächlich die Werbeanzeige publizierende Verein der Gewerbetreibenden des Einkaufscenters rein vorsorglich eine durch einen Anwalt geprüfte und modifizierte Unterlassungserklärung ab. Dennoch wurde er von dem als privaten Verein organisierten Verband Sozialer Wettbewerb e. V. anschließend gerichtlich vor dem Landgericht Köln in der Hauptsache in Anspruch genommen. Der Prozess zog sich bis 2020 hin. Letztendlich wies das Gericht die Unterlassungsklage des Verbandes Sozialer Wettbewerb e. V. per Urteil vom 24.03.2020 ab (Az. 31 O 205/18) und gab dem Verein nur insofern Recht, als das er für die außergerichtliche Abmahnung 178,50 € Aufwandsersatz geltend machen konnte. Den Großteil der Prozess- und Verfahrenskosten von über 2.000,- EUR musste der private Verein auch in diesem Verfahren selbst bezahlen.

 

Warum kann ein privater Verein klagen?

Der privat organisierte Verband Sozialer Wettbewerb e. V. ist als privater Verein organisiert und hat bereits eine Vielzahl von Abmahnungen ausgesprochen. Er wird häufig von der gleichen Anwaltskanzlei vertreten und nimmt für sich in Anspruch, Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Wirtschaftsverbände als Mitglieder zu führen. In diesem Fall billigt der Gesetzgeber über das Unterlassungsklagegesetz die Tätigkeit der abmahnfähigen Vereine. Der Verein hat in den vergangenen 30 Jahren teils spektakuläre Prozesse geführt; etwa die Influencer-Abmahnungen, bei denen der Verein argumentierte, diese würden auch ohne eine etwaig gewährte Gegenleistung und ohne eine entsprechende Kennzeichnung den Tatbestand der Schleichwerbung erfüllen.


Wie entsteht eine Abmahnwelle?

Ein Wort vorab: Es kann durchaus Gründe geben, einen Mitbewerber wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens abzumahnen; etwa dann, wenn geschäftsschädigende Äußerungen über den Mitbewerber getätigt werden. In diesem Beitrag geht es jedoch um typische Abmahnwellen, bei der sich ein Mitbewerber lediglich die Tatsache zunutze macht, dass auch ein durchschnittlich informierter, geschäftlich agierender Unternehmer nicht immer über sämtliche Gesetzes- und Rechtsentwicklungen tagesaktuell informiert ist. Das Phänomen der massenhaften Abmahnungen zu immer dem gleichen Thema hat seinen eigentlichen Höhenflug mit der Entwicklung des Internets erlebt, da hier ein Abmahnender in einem stehende Medium mit relativ einfachen Mitteln (Suchmaschinen) in der Lage ist, den gleichen "Rechtsfehler" hundertfach aufzuspüren. Das Spiel hat oft Kindergartenniveau: „Ich weiß etwas, was Du nicht weißt“. Leider ist bei genauem Hinsehen das, was für kleinere Unternehmen im Einzelfall auch existenzbedrohend und für mittlere Unternehmen mindestens ein Ärgernis ist, vom Gesetzgeber gewollt. Kleinere Rechtsverstöße, die früher allenfalls eine Ordnungswidrigkeit begründeten und nur auf hoheitlicher Ebene verfolgt wurden, überlässt der Gesetzgeber den Mitbewerbern und abmahnfähigen Vereinen. Dabei sind Abmahn-Absurditäten neben berechtigten und unebrechtigten Abmahnungen gelebte Praxis.

 

Wie reagiert man auf eine Abmahnung richtig?

Der Grundfehler einer falschen Reaktion auf eine Abmahnung besteht darin, nicht zu reagieren. Eine Abmahnung sollte sofort innerhalb der gesetzten Frist sachlich und rechtlich geprüft werden. Dabei gilt es einzelfallbezogen, besonnen und rechtsverteidigend klug zu reagieren. Ist die Abmahnung unberechtigt, gilt es sie zurückzuweisen. Ist die Abmahnung berechtigt, gilt es jeden Prozess, der erhebliche Kosten aufwirft, zu vermeiden. Dazwischen gibt es eine Grauzone, bei der ein prozessmeidender Weg sicherlich oft der richtigere ist. Allerdings steckt die Tücke im Detail. Die vorformulierten Unterlassungserklärungen der Abmahnvereine sind meist viel zu weitgehend und müssen mindestens modifiziert werden. Damit richtig umzugehen, setzt eine Strategie voraus, deren Ziel immer darin besteht, einen durch die Abmahnung drohenden wirtschaftlichen Schaden so weit wie möglich zu minimieren. Im Idealfall zahlt der Gegner sämtliche Kosten, wenn er den Prozess verliert oder das Störpotential wird derart reduziert, dass der abgemahnte nur seinen eigenen Anwalt bezahlt, weil das Problem durch eine zügige Rechtsprüfung einer außergerichtlichen Klärung zugeführt wurde. In den Genuss, Abmahnkosten zu kassieren, kommt der Gegner dann nicht. Gibt der Fall diesen Erfolg jedoch nicht her, gilt es Einigungsmöglichkeiten mit dem Gegner auszuloten.

 

Schafft das neue Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch Abhilfe?

Ob ein Abmahnmissbrauch vorliegt, ist, unabhängig vom konkreten Abmahner, immer eine Frage des Einzelfalles. Der Deutsche Bundestag hat dazu ein lange erwartetes Gesetz gegen den Abmahnmissbrauch auf den Weg gebracht, welches einige zielführende Ansätze zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs enthält, aber auch missbräuchliche Abmahnungen deshalb nicht beseitigen wird. Insbesondere ist zu beobachten, dass das eigentliche Geschäft der Abmahnvereine nicht allein darin besteht, den ohnehin bereits begrenzten Aufwendungsersatz für die Abmahnung geltend zu machen (beispielsweise 178,50 €). Viel interessanter ist es für einen Abmahnverein oft, die strafbewehrten Unterlassungserklärungen einzusammeln und Monate oder Jahre später den Verstoß gegen eine einmal abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung geltend zu machen. Hier geht es dann um horrende Vertragsstrafen, die ein Vielfaches über dem Aufwandsersatz und oft im fünfstelligen Bereich liegen.

Foto(s): ilex Rechtsanwälte


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