Verjährung der Festsetzung bei der Erbschaftsteuer

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Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 27.04.2022, II R 17/20) entschied folgendes:

Wird durch gerichtliche Entscheidung die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung festgestellt, hat spätestens mit diesem Zeitpunkt der darin ausgewiesene Erbe sichere Kenntnis von seiner Einsetzung. Ob die Gerichtsentscheidung mit Rechtsmitteln anfechtbar ist oder tatsächlich angefochten wird, ist für die Kenntnis im Sinne des § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO unerheblich.

Sachverhalt zur Festsetzungsverjährung

Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten darum, wann die Festsetzungsverjährung für einen Erbschaftsteuerbescheid eintritt, also wann das Finanzamt nach dem Tod des Erblassers die Erbschaftsteuer nicht mehr festsetzen kann. Vorliegend war fraglich, wann die Kenntnis vom Erwerb von Todes wegen im Sinne des § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO vorliegt. 

Die Erblasserin verstarb im Jahr 2003 und hat ein Testament hinterlassen, aus welchem der Kläger als Erbe genannt war, da er in einem Zusatz als Alleinerbe ausgewiesen war. Das Testament wurde vom Nachlassgericht eröffnet. Angehörige sahen das Testament wegen Testierunfähigkeit als unwirksam an.

Ende des Jahres 2003 erhielt das Finanzamt von den beteiligten Banken Todesfallanzeigen mit den Einlagen der Erblasserin. Der Kläger hat den Erbfall nicht dem Finanzamt angezeigt. Erst im Jahr 2012 hat das Nachlassgericht festgestellt, dass der Kläger Alleinerbe sei. Da hiergegen von den Angehörigen der Verstorbenen Beschwerde eingelegt worden ist, war das Verfahren erst im Jahr 2017 rechtskräftig abgeschlossen und der Kläger hat im Oktober 2017 einen Erbschein erhalten.

Anfang 2018 hat das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von ca. 160.000 Euro festgesetzt.

Der Kläger wandte hiergegen ein, dass die Festsetzung verjährt gewesen sei. Die Erstinstanzliche hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat nun geltend gemacht, dass er bereits im Jahr 2003 seine Erbenstellung gekannt habe. Spätere Zweifel könnten nicht dazu führen, dass die Verjährung gehemmt werde. Deshalb sei die Festsetzung der Erbschaftsteuer verjährt.

Entscheidung über die Festsetzungsverjährung 

Der BFH hat dem Kläger im Ergebnis Recht gegeben. Die Festsetzungsverjährung sei bei Erlass des Steuerbescheides bereits eingetreten, weshalb die Steuer nicht mehr hätte festgesetzt werden dürfen.

Im System des § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsverjährung in dem Jahr, in dem die Steuer entstanden ist. Nach § 170 Abs. 2 AO beginnt die Festsetzungsverjährung abweichend dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung oder Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Der Anlauf der Verjährung wird dann nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO gehemmt (nicht ausgelöst), wenn der Erwerber Kenntnis vom Erbe erlangt. Maßgeblich für diese Kenntnis ist, dass dieser mit einer solchen Zuverlässigkeit und Gewissheit Kenntnis von seinem unangefochtenen Erbschaftserwerb erlangt hat, daß er in der Lage ist und von ihm deshalb auch erwartet werden kann, seine Anzeigepflichten zu erfüllen.

Bei einem Testament (letztwillige Verfügung) sei dies nach dem BFH der Fall, wenn er zuverlässig erfahren und somit Gewissheit erlangt hat, daß der Erblasser ihn durch wirksames Testament zum Erben eingesetzt hat. Nach dem BFH muss der Erbe nach der Sachlage auch davon ausgehen können, dass der Erblasser nicht zu einem späteren Zeitpunkt das Testament aufgehoben oder anderweitig ein Testament errichtet hat.

Die Kenntnis liege deshalb regelmäßig mit Eröffnung des Testamentes vor. Der Erbe hat deshalb spätestens zum Zeitpunkt der Eröffnung sichere Kenntnis von der Einsetzung als Erbe und damit löst es auch seine erbschaftsteuerrechtlichen Anzeigepflichten aus § 30 Abs. 1 ErbStG aus. Eine Anfechtbarkeit mit Rechtsmitteln der gerichtlichen Entscheidung sei dabei unbeachtlich.

Deshalb habe am 01.01.2013 die Festsetzungsverjährung zu laufen begonnen und endete damit am 31.12.2016. Die Steuerfestsetzung im Jahr 2018 sei deshalb rechtswidrig.

Bei den -oftmals- längeren Verfahren bei Feststellung einer Testierunfähigkeit wird es deshalb nicht selten der Fall sein, dass eine Steuerfestsetzung unwirksam ist, da diese bereits verjährt ist.

Ihr Rechtsanwalt

Christian Keßler

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