Verkauf der Tierarztpraxis an einen Investor

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Tierarztrecht: Verkauf der Praxis an einen Investor bzw. an eine Praxiskette

Sie sind ca. 55 Jahre alt und betreiben eine erfolgreiche und umsatzstarke Praxis? Plötzlich tritt ein in- oder ausländischer Investor (z.B. Anicura, Evidensia, Tierarzt Plus Partner, TeamVet, VetPartners, Veternicum, Medivet, Altano, Activet o.a.) an Sie heran und zeigt Interesse an Ihrer Praxis?

In den vergangenen zwei Jahren haben eine Reihe von Tierärzten/Tierärztinnen diese Erfahrung machen können. In naher Zukunft werden es sehr viel mehr sein- Schätzungen gehen von Hunderten weiteren Praxen aus, die in den nächsten Jahren den Eigentümer wechseln werden. Dies hängt damit zusammen, dass die Tierärzteschaft bzw. der Tierarzt-Markt für Investoren -trotz der aktuell veränderten wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen- als lukratives Betätigungsfeld gesehen wird. Dies führt aktuell dazu, dass neben den bereits bekannten Praxisketten immer mehr neue Investoren auf der Bildfläche erscheinen. Diese zeigen nicht nur Interesse am Kauf umsatzstärkster Kleintierkliniken und auch Pferdekliniken. Auch gut gehende und wirtschaftlich gesunde Kleintierpraxen guter bis mittlerer Umsatzstärke geraten zunehmend in den Fokus von Kaufinteressenten.

Man mag die Ziele der Investoren kritisch hinterfragen und die gesamte Situation berufspolitisch diskutieren (was ja immer noch geschieht). Dies ändert allerdings nichts daran, dass Sie mit Ihrer Praxis plötzlich im Zentrum des Interesses stehen.

Investoren haben grundsätzlich ein Interesse daran, eine Praxis oder eine Klinik käuflich vollständig zu erwerben und die Praxis/die Klinik sodann selbst – im besten Falle als Teil einer Praxiskette oder eines Praxis-Verbunds- weiterzuführen. Zu diesem Zwecke wird meist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet, welche die Praxis / die Klinik kauft. Die kaufende GmbH ist regelmäßig eine Tochter-GmbH, die von einer übergeordneten Muttergesellschaft -einer Holding- mit dem nötigen Kapital ausgestattet wird.   

Alternativ kommt es vor, dass zunächst der / die bisherige Praxisinhaber*In seine / ihre Praxis/Klinik in eine GmbH umwandelt und sodann die Gesellschaftsanteile vollständig an einen Investor verkauft.

Der / die bisherige Inhaber*In erhält dann meist das Angebot bzw. die Möglichkeit, die Praxis-GmbH als Geschäftsführer*In bzw. als Praxisleitung „unter fremder Flagge“ zu führen. Dies hat meist für den bisherigen Inhaber/ die Inhaberin den positiven Effekt, dass die Praxis/Klinik an einen finanziell potenten Nachfolger (Investor/Praxiskette) zu einem meist lukrativen Kaufpreis veräußert werden kann und gleichzeitig der Inhaber/die Inhaberin während der nächsten Jahre im Anstellungsverhältnis zu einem ebenfalls meist lukrativen Gehalt in der von ihm aufgebauten Praxis/Klinik weiterhin beruflich tätig sein kann.

Dieses Konstrukt beruht darüber hinaus meist auf heilberufsgesetzlichen oder berufsrechtlichen Vorgaben, die - je nach Bundesland und Kammerbereich – unter anderem vorsehen, dass eine Praxis-GmbH fachlich tierärztlich geleitet werden muss.

Der bisherige Praxisinhaber/die Inhaberin wird im Rahmen der mit dem Investor anstehenden Gespräche und Verhandlungen erheblich gefordert, zum Teil vielleicht auch überfordert.

Der Investor wird regelmäßig eine sogenannte Due Diligence, also eine Risikobewertung des gesamten Vorhabens durchführen (lassen) wollen. Im Rahmen dieser Due Diligence hat der Verkäufer/die Verkäuferin die gesamte finanzielle, wirtschaftliche, personelle und rechtliche Situation der Praxis offenzulegen und in diesem Zusammenhang sämtliche Zahlen, Daten, Verträge, Jahresabschlüsse, betriebswirtschaftliche Auswertungen, Forderungen, Verbindlichkeiten und Ähnliches nachvollziehbar zugänglich zu machen. Er / Sie muss also die gesamte Praxis vollständig „durchsichtig“ machen.

Im weiteren Verlauf der Gespräche und Verhandlungen muss der Verkäufer/die Verkäuferin meist eine sanktionsbehaftete Verschwiegenheitserklärung, teilweise Vorverträge oder einen sogenannten „Letter of intent“ (loi) unterschreiben.

Die Investoren lassen sich regelmäßig von im M&A-Bereich tätigen Großkanzleien anwaltlich vertreten. Die dort erstellten Verträge (insb. Praxiskaufvertrag, Geschäftsführer-Dienstvertrag, Mietvertrag) sind äußerst umfangreich und sprachlich, insbesondere jedoch rechtlich äußerst anspruchsvoll. Darin werden dem Verkäufer/der Verkäuferin meist umfangreiche Verpflichtungen bis hin zu einer größeren Anzahl von Garantieerklärungen mit Schadensersatzverpflichtung auferlegt, wie auch sehr weitgehende Konkurrenzschutz- und Wettbewerbsklauseln.

Unter Umständen wird ein „Earn-Out“ oder eine „Cash&Debt Free-Vereinbarung“ vorgesehen oder von einem „Wording“, „Signing“ und „Closing“ gesprochen und darüber verhandelt.

Wenn auch ein lukrativer Kaufpreis lockt: Der Verkäufer oder die Verkäuferin sollte im Rahmen der Verhandlungen und insbesondere vor Unterzeichnung der notwendigen Verträge größte Vorsicht walten und sich in jedem Falle durch einen in diesem Bereich erfahrenen Rechtsanwalt und einen erfahrenen Steuerberater beraten und unterstützen lassen und diese an den Verhandlungen und den notwendigen (Vertrags-) Prüfungen beteiligen. Dies führt zu Gesprächen und Verhandlungen „auf Augenhöhe“. Schließlich soll das berufliche Lebenswerk erfolgreich und ohne Nachteile für den Verkäufer/die Verkäuferin übertragen werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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