Verkehrsunfall und "Schmerzensgeld" - kein Selbstläufer

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Da wird man unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt, nicht nur das eigene Auto, sondern auch die Gesundheit nimmt Schaden, und dann bekommt man als Sahnehäubchen noch den Aufwand mit der Schadenregulierung aufgedrückt.

Hinsichtlich des PKW soll der / die Geschädigte jedenfalls so gestellt werden, dass die Kasse so gut oder schlecht gefüllt ist, wie vor dem Unfall. Das heißt, bei der Abrechnung mit der Versicherung des Unfallverursachers lauern bereits potentielle Streitpunkte, die Sie mit anwaltlicher Unterstützung angehen sollten, zumal Sie bei Alleinverschulden durch den Unfallgegner Anspruch auf Ersatz Ihrer Rechtsverfolgungskosten durch die Gegenseite haben. Zudem wird dadurch gewährleistet, dass keine Schadenspositionen übersehen bzw. gar nicht erst geltend gemacht werden.

Sie können sich derweil um das Auskurieren Ihrer etwaig erlittenen Verletzungen kümmern, wo wir beim eigentlichen Thema sind.

Bei sog. Bagatellverletzungen, die typischerweise bei leichteren Auffahrunfällen eintreten, besteht nämlich nicht - wie häufig vermutet wird - ein automatischer Anspruch auf Schmerzensgeld. Das hat der BGH bereits in einem Urteil aus dem Jahre 1992 klargestellt. Ein derartiger Anspruch setzt vielmehr voraus, dass Rechtsgüter des Verletzten mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt worden sind. 

Begründet wird dieses damit, dass geringfügige Unfallfolgen dem allgemeinen Lebensrisiko unterfallen, dem sich jeder aussetzt, der am Straßenverkehr teilnimmt (so das OLG Naumburg).

Die Rechtsprechung gewichtet hierbei immer "die besonderen Einzelfallumstände". 

Verletzungen, die ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen einhergehen, bleiben daher entschädigungslos. "Billigkeitserwägungen" sind anzustellen.

Sie können sich sicherlich vorstellen, dass man hier leicht in unsichere Fahrwasser gerät bzw. die Meinungen auseinanderklaffen, auch die Schmerzensgeldtabellen helfen nur bedingt weiter.

Wie weit das geht, mag folgende auf den ersten Blick überraschende Wertung verdeutlichen. Bei einer Zerrung der Brustwirbelsäule sowie der Prellung eines Oberarms, wurde die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes verneint, wenngleich sogar eine Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen bestanden hatte.

Das OLG Naumburg begründete dieses u.a. damit, dass ein ärztliches Agieren über die reine Attestierung nicht hinreichend erkenntlich geworden sei. Sie sehen, wie wichtig eine plausible, umfängliche Dokumentation in diesem Kontext ist, dass der Unfall (alleine) kausal die zu beklagenden Folgen ausgelöst hat.

Der BGH hat das tatrichterliche Ermessen in der Vorinstanz nicht als überschritten angesehen, insofern eine 1 cm lange Platzwunde an der Nasenspitze sowie eine Schürfwunde im Bereich der Stirnmitte als Bagatellschaden ohne Schmerzensgeldanspruch gewertet wurden BGH NJW 1993, 2173).

Das Amtsgericht Essen kam zu der Entscheidung, dass ein leichtes HWS-Trauma keine finanzielle Entschädigung hervorzurufen vermöge, da eine solche leichte Verletzung nicht mehr als eine unwesentliche Beeinträchtigung darstelle (Az.: 20 C 56/17). Wohlgemerkt, in diesem Fall existierte eine Arbeitsunfähigkeit von fünf Tagen, und es wurden Kopfschmerzen sowie Übelkeit ins Feld geführt.

Das Gleiche gilt zur Thematik "Unfallschock", auch hier muss die Beeinträchtigung über das hinausgehen, was jeder im Alltag als Schrecken, emotionale Erschütterung oder Gefühl der Hilflosigkeit durchzustehen hat. Selbst nach dem Unfall in Anspruch genommene therapeutische Maßnahmen führen nicht automatisch zu finanziellen Regressansprüchen, wie das OLG Hamm befand.

Dass auch insofern nur schwerlich objektive Grenzen bzw. Maßstäbe aufgestellt werden können, liegt auf der Hand.  Es ist zu ermitteln, ob die aufgetretenen Beeinträchtigungen des Unfallopfers im groben Missverhältnis zum Anlass stehen, also bildlich "aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird".

Es ist folglich der Gegenseite und ggf. dem Gericht bei leichteren Blessuren darzulegen, dass diese für den Betroffenen eben nicht "geringfügig" sind, wobei die konkreten Beeinträchtigungen des Lebensalltags eingehend aufgezeigt werden sollten. Hierbei können auch häufigere Arztbesuche und fortlaufende Dokumentationen hilfreich sein.














 


 



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