Verluste bei Lebensversicherungen – „Widerspruchsjoker als Rettung“ auch in der bAV?

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1. Ausgangssituation

Wie von mir bereits verschiedentlich ausgeführt wurde, ist eine bAV über den Durchführungsweg der Direktversicherung in vielen Fällen finanziell nicht (mehr) attraktiv.
Dies liegt zum einen an den hohen Kosten, die bei Versicherungen in der Regel an den Vertrieb, die Gesellschaft etc. abgehen und zum anderen an der anhaltenden Niedrigzinsphase. (siehe: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-pauschaldotierte-unterstuetzungskasse-ein-derzeit-wieder-stark-nachgefragter-durchfuehrungsweg_180957.html)

Unternehmen betrachten die von ihnen für die Mitarbeiter abgeschlossene Versicherung mit einem unguten Gefühl – Monat für Monat muss der Beitrag an die Versicherungsgesellschaft gezahlt werden, die Rendite sinkt aber gefühlt ins Bodenlose.
Auch die Mitarbeiter sind über ihre bAV nicht glücklich – oftmals ist ihnen durch die jeweilige Jahresmitteilung der Versicherung schon bekannt, dass die Beträge, die ursprünglich einmal für die Altersrente oder das Alterskapital genannt wurden, von den Versicherungen nicht mehr gewährt werden.

2. Suche nach Alternativen

Es ist nur zu verständlich, wenn dann die Überlegung aufkommt, wie mit der Lebensversicherung umgegangen werden könnte.

2.1. Beitragsfreistellung der Direktversicherung

Eine wirtschaftlich unattraktive Lebensversicherung kann grundsätzlich beitragsfrei gestellt werden, was das Problem der schlechten Rentabilität aber nicht ändert. Vielmehr führt eine Beitragsfreistellung in der Regel zur weiteren Reduzierung der Leistung, da weiterhin gewisse Kosten anfallen, aber keine weiteren Anwartschaften erdient werden.

2.2. Beendigung der Direktversicherung

Es kann versucht werden, die Durchführung der bAV über die Direktversicherung zu beenden; dies ist in der Regel aber nicht ohne Weiteres möglich und zumeist mit weiteren nicht unerheblichen finanziellen Einbußen verbunden.

siehe dazu: https://www.anwalt.de/rechtstipps/direktversicherung-stilllegen-ja-oder-nein_181564.html

3. Alternative Widerspruch?

3.1. Grundsätzliches zum Recht auf Widerspruch

Grundsätzlich steht sowohl einem Unternehmen als auch einem Verbraucher bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages ein sogenanntes Widerspruchsrecht zu.
Bezogen auf die bAV über den Durchführungsweg der Direktversicherung kann also auch ein Unternehmen einen Widerspruch erklären.

3.2. Widerspruchsfrist


Der Widerspruch kann grundsätzlich innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen nach Vertragsabschluss ausgeübt werden mit der Folge, dass dann das Vertragsverhältnis aufgelöst wird.

3.3. Widerspruch nach Ablauf der Frist

Wenn sich wie vorliegend bei den Lebensversicherungen erst nach einem längeren Zeitablauf zeigt, dass ein Festhalten am Vertrag wirtschaftlich nachteilig ist, stellt sich die Frage, ob auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist der Widerruf noch ausgeübt werden kann.
Die Beantwortung dieser Frage hängt – wie so oft – vom Einzelfall ab.

3.4. „Ewiges“ Widerspruchsrecht?

3.4.1. Grundsätzliches zum ewigen Widerspruchsrecht

Als Regel kann man sagen, dass ein Widerspruch in der Regel unbefristet möglich ist, wenn der Versicherungsnehmer fehlerhafte Vertragsunterlagen erhalten hat, da dann die reguläre Zwei-Wochen-Frist nicht abzulaufen beginnt.
Die Frage, wann Vertragsunterlagen fehlerhaft sind, wurde bereits verschiedentlich in der Rechtsprechung beurteilt; insbesondere gibt es zu dieser Thematik Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundegerichtshofs (BGH).

3.4.2. Einzelfälle, die zum ewigen Widerspruchsrecht führen können:


• Der Versicherungsnehmer, also das Unternehmen, hat von der Versicherungsgesellschaft unvollständige Vertragsunterlagen erhalten
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Unternehmen nicht alle für den Vertragsabschluss relevanten Unterlagen von der Versicherungsgesellschaft erhalten hat. Die Beweislast dafür trägt in der Regel das Versicherungsunternehmen.
• Die Belehrung zum Widerspruchsrecht wurde im Versicherungsvertrag fehlerhaft formuliert, ist unvollständig, undeutlich, fehlt komplett etc.

Hierfür kann es in der Praxis bereits genügen, wenn die Belehrung zum Widerspruchsrecht sich nicht vom übrigen Text abhebt oder an einer Stelle enthalten ist, wo mit einer Widerspruchsbelehrung nicht zu rechnen ist.
Gerade in der Zeit zwischen 1994 und 2007 war es gängige Praxis vieler Versicherungsgesellschaften, dass die Widerspruchsbelehrung nicht auf dem Antragsformular enthalten war und dem Versicherungsnehmer auch nicht mit dem Versicherungsschein zugesandt wurde, sodass dieser gar nicht belehrt wurde.

3.5. Rechtsfolge des Widerspruchs

Ein wirksam ausgeübter Widerspruch führt dazu, dass das Vertragsverhältnis rückabgewickelt wird. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass die gezahlten Versicherungsbeiträge von der Versicherung zurückzuzahlen sind zuzüglich der Zinsen, die die Versicherung mit den Beiträgen erwirtschaftet hat.
Je nachdem, wie sich der Versicherungsvertrag entwickelt hat, kann dies einen höheren Betrag ausmachen, als aus der Versicherung beansprucht werden kann.

4. Fazit

Bevor eine Lebensversicherung vorzeitig gekündigt wird, sollte somit jedenfalls überlegt werden, ob die Ausübung des Widerspruchs – als in der Regel finanziell sinnvollere Alternative – noch möglich ist.

Gerne kann ich eine Ersteinschätzung auf der Grundlage Ihrer Versicherungsunterlagen vornehmen.


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Foto(s): AUTHENT

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