Verträge in der Corona-Krise

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Nicht selten stehen kleine und mittelständische Unternehmen, insbesondere aber auch Künstler/innen und Solo-Selbstständige vor existenziellen Fragen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf Verträge.

Befreit die Corona-Epidemie die Vertragspartner von ihren vertraglichen Verpflichtungen?

Es kommt auf den Einzelfall an!

Es gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Dies ist keine magische Beschwörungsformel, sondern der lateinische Ausdruck dafür, dass Verträge einzuhalten sind. Die Vertragsparteien sollen sich aufeinander verlassen können. Sie sollen sich also vor Vertragsschluss bereits Gedanken über die Modalitäten des Vertrages gemacht haben und sich der Konsequenzen aus dem Vertrag bewusst sein.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist dahingehend zu überprüfen, welche vertraglichen Regelungen für den Fall der Leistungsstörung getroffen worden sind. Sind etwa sog. Force Majeure-Klauseln (Höhere Gewalt) wirksam vereinbart?

Ist eine Leistung schlichtweg nicht möglich, kann sie auch nicht mehr vertraglich geschuldet sein. Die Partei, die die Leistung wegen Unmöglichkeit nicht erbringen kann, hat daher ein Leistungsverweigerungsrecht. Derjenige, der auf die Leistungserbringung vertraut und sich ebenfalls wirtschaftlich darauf eingestellt, könnte gegenüber demjenigen, der die Leistung nicht erfüllt, einen Schadensersatzanspruch geltend machen, soweit auf Seiten des Schuldners ein Verschulden vorliegt. Unabhängig davon könnte auch ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen.

Wer zahlt was, wenn Veranstaltungen abgesagt werden?

Wie ist die Rechtslage, wenn kein generelles Verbot zur Öffnung von Restaurants/Veranstaltungen etc. besteht?

Grundsätzlich ist zu unterscheiden: Wurde die Veranstaltung behördlich untersagt oder hat der Veranstalter sie aus freien Stücken abgesagt?

Bei behördlich untersagten Veranstaltungen sind die Künstler/innen sind nicht mehr dazu verpflichtet, aufzutreten. Auf der anderen Seite können sie aber auch keine Gage mehr verlangen.

Veranstaltung nicht nach Belieben absagen!

Der Veranstalter ist grundsätzlich an seinen Vertrag gebunden. Er kann die Veranstaltung daher nicht nach Belieben absagen. Macht er das doch, muss er die Künstler/innen bezahlen.

Handelt der Veranstalter aufgrund einer behördlichen Empfehlung, ist offen, wer die Schuld an der Absage trägt. Es spricht einiges dafür, dass der Veranstalter dann absagen darf. Hier stellt sich dann auch die Frage nach der höheren Gewalt.

Bei einem Livestream behalten die Künstler/innen ihre Gagenansprüche.

Bei allen Veranstaltungen behalten die Künstler/innen ihre Ansprüche, wenn die Aufführung ohne Publikum stattfindet. Die Künstler/innen haben zudem gute Chancen auf eine Vergütung, wenn der Veranstalter absagt, obwohl er die Aufführung ohne große Umsatz- und Qualitätseinbußen per Livestream hätte übertragen können. Haben Künstler/innen ihre Leistungen schon teilweise erbracht, haben sie auch Anspruch auf eine teilweise Vergütung. Dies wäre bspw. der Fall, wenn bereits Proben absolviert worden sind und diese mit der Gage abgegolten werden sollten. Für Künstler/innen in einem Anstellungsverhältnis muss der Lohn grundsätzlich fortgezahlt werden.

Welche Rolle spielt höhere Gewalt in den Verträgen?

Höhere Gewalt bedeutet vereinfacht ausgedrückt nichts anderes als Zufall.

Gemeint sind Fälle, in denen der Veranstalter aus Gründen absagen musste, für die er nichts kann und auf welches keiner der Beteiligten Einfluss hat, welche unvorhersehbar sind und auch nicht mit äußerster Sorgfalt verhindert werden könnten. Dazu zählen Krieg, Sturm, Terror, Epidemien, etc.).

Im Fall des SARS-Erregers hatte das AG Augsburg das Vorliegen einer Epidemie und damit eine „höhere Gewalt“ angenommen (AG Augsburg, Urteil vom 09. November 2004, 14 C 4608/03).

Am 11. März 2020 erklärte die WHO die bisherige Epidemie offiziell zu einer Pandemie. Damit dürfte feststehen, dass zum jetzigen Zeitpunkt höhere Gewalt vorliegt und der Veranstalter keine Gage zahlen muss. 

Unklar sind die Fälle, die sich ergeben haben, als die Epidemie sich zur Pandemie entwickelt hat. 

Öffentliche Warnung:

Soweit öffentliche Stellen Warnungen für Veranstaltungen (beispielsweise für über 1.000 Teilnehmer/innen) ausgesprochen haben, dürfte es zweifelhaft sein, ob höhere Gewalt vorlag.

Behördliche Untersagung:

Bei einer behördlichen Untersagung der Durchführung der Veranstaltung wird in der Regel ein Fall der höheren Gewalt vorliegen. Sagt ein Veranstalter eine Veranstaltung wegen höherer Gewalt ab, entfällt in der Regel der Honoraranspruch allen Künstler/innen, die Leistungen bei der Veranstaltung erbringen sollten.

Gibt es ein Recht auf Verschiebung einer Veranstaltung?

Für Veranstalter und Künstler/innen kann es gerade unter dem wirtschaftlichen Aspekt sinnvoll sein, eine Veranstaltung zu verschieben statt abzusagen. In der Regel wird jedoch für die Veranstaltung ein bestimmter Tag oder ein bestimmter Zeitraum vereinbart worden sein. Der Kunde hat den Vertrag auf dieser Grundlage geschlossen. Wird die Veranstaltung verschoben und teilt der Veranstalter dies dem Kunden mit, stellt dies ein neues Angebot des Veranstalters dar, dass der Kunde nicht annehmen muss. Ist dieser in dem vom Veranstalter neu benannten Zeitraum verhindert, kann der Kunde die geleisteten Zahlungen zurückverlangen.

Durch Lieferengpässe bei der Beschaffung der Ware kann ich nicht pünktlich liefern – und nun?

Wer eine uneingeschränkte Gattungsschuld (als bspw. einer Ware, die aus einer Serienproduktion stammt) übernimmt, haftet für voraussehbare Engpässe aus Verschulden. Ein nachträgliches, nicht voraussehbares Leistungshindernis kann zum Wegfall einer übernommenen Beschaffungspflicht führen, wenn der Verpflichtete alle zumutbaren Bemühungen zur Beschaffung am Markt unternommen hat. 

Wenn Lieferengpässe bestehen, weil Fabriken oder ganze Regionen wegen des Coronavirus abgesperrt werden oder aber weil Importverbote oder -beschränkungen wegen Quarantänezeiten verhängt werden, liegt dies nicht im Einflussbereich des Lieferanten. Ein Verschulden entfällt. Die Verzögerung der Leistung wird daher hinzunehmen sein ohne dass Schadensersatz wegen der verzögerten Leistung zu leisten sein wird.

Gibt es Versicherungen, die für den Schaden der Corona-Krise aufkommen?

In der Regel kein Versicherungsschutz gegen Coronavirus!

Die üblichen Betriebsunterbrechungsversicherungen setzen jeweils einen Sachschaden voraus, der durch eine versicherte Gefahr verursacht worden sein muss. An einem solchen Sachschaden fehlt es im Fall einer virusbedingten Betriebsschließung (Ausnahme im Gesundheitswesen denkbar). 

Moderne Versicherungsprodukte stellen hinsichtlich einer Betriebsunterbrechung nicht ausschließlich auf einen Sachschaden ab. 

Betriebsschließungsversicherungen sichern den jeweiligen Betrieb gegen Auswirkungen einer meldepflichtigen Krankheit nach dem Infektionsschutzgesetz ab. Seit 30.01.2020 ist Covid-19 Infektionskrankheit im Sinne des Gesetzes. 

In der Regel ist dann eine Zahlung einer bestimmten Entschädigungsleistung pro Tag der Schließung vereinbart. Bei Tätigkeits- und Beschäftigungsverboten für Mitarbeiter sind regelmäßig Bruttolohn- und Gehaltsaufwendungen abgesichert. Auch hier kommt es auf den Wortlaut der Klauseln und das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers einer solchen Versicherung an.

In jedem Fall treffen Sie bei Bestehen einer solchen Versicherung Obliegenheiten, wie bspw. die unverzügliche Information des Versicherers über den Eintritt des Versicherungsfalls. Nehmen Sie die Sie treffenden Obliegenheiten unbedingt sehr ernst. Ein Verstoß gefährdet den Versicherungsschutz!

Unterstützungsangebote nutzen!

Für alle (Klein)gewerbetreibende, Selbstständige und Unternehmer wird es (z.T. nicht rückzahlbare) Zuschüsse geben, und zwar vom Land und vom Bund. Die KfW stellt enorme Kreditmittel zur Verfügung. In NRW sollen Freischaffende, professionelle Künstler/innen eine existenzsichernde Einmalzahlung in Höhe von bis zu 2.000,- Euro erhalten. Unternehmen bis zu 5 Beschäftigten sollen bis 9.000 € Einmalzahlung für 3 Monate; Unternehmen bis zu 10 Beschäftigten sollen bis 15.000 € Einmalzahlung für 3 Monate und Unternehmen von 10 bis 50 Beschäftigten sollen bis zu 25.000,- € erhalten.

Aber auch flankierende Maßnahmen, wie Kurzarbeitergeld können genutzt werden.

Im Falle der Quarantäne können auch Selbstständige, die nicht gesetzlich kranken-, renten- und pflegeversichert sind, einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für soziale Sicherung in angemessenem Umfang (§ 58 IfSG) geltend machen. Der Antrag muss innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung des Tätigkeitsverbots oder Ende der Absonderung gestellt werden. 

Zuständig in Nordrhein-Westfalen sind der Landschaftsverband Rheinland (Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf) und der Landschaftsverband Westfalen Lippe (Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster).

Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL) bietet Inhaber eines Wahrnehmungsvertrags aus der freien Szene, die durch virusbedingte Veranstaltungsabsagen Honorarausfälle erlitten haben, eine einmalige Soforthilfe in Höhe von 250 Euro.

Betroffene wenden sich zur Beantragung und Glaubhaftmachung bitte direkt an die GVL.

(Aufzählung nicht abschließend)



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