Verträge in englischer Sprache/Contracts in English

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Immer häufiger, so scheint es, werden Mandanten mit Verträgen in englischer Sprache konfrontiert. Bei größeren Unternehmen ist das ja ohnehin an der Tagesordnung. Aber selbst Kleinunternehmen oder sogar einzelne Arbeitnehmer bekommen es mitunter mit Verträgen auf Englisch zu tun.


1. Mögliche Konstellationen

Sie sind ein deutscher Mittelständler und sollen/wollen als Vertriebspartner für ein amerikanisches Unternehmen tätig sein? Fast schon selbstverständlich werden Ihnen in diesem Fall der Logistikvertrag (Logistic Services Agreement), der Vertragshändlervertrag (Distribution Agreement) oder der Handelsvertretervertrag (Commercial Agent Agreement) in englischer Sprache vorgelegt.
 
Aber auch als einzelner Arbeitnehmer, der für ein amerikanisches oder ausländisches Unternehmen tätig wird, haben Sie es häufig mit einem Arbeitsvertrag (Empoyment Agreement) oder freien Mitarbeitervertrag (Freelancer Agreement) in englischer Sprache zu tun.
 
Selbst in rein deutschen Startups sind die Unterlagen zum Virtual Stock Option Plan (VSOP) mitunter nur auf Englisch verfügbar.
 
Keine Panik, das sind auch nur Verträge, wenn auch in einer für Sie möglicherweise fremden Sprache.
 
Andererseits gilt aber natürlich auch für englische Verträge das, was für alle Verträge gilt: Sie müssen verstehen, was Sie da unterschreiben, und zwar, bevor Sie es unterschreiben und nicht erst dann, wenn es später zum Konflikt/Streit kommt.


 
2. Sprache und anwendbares Recht
 

Englische Sprache heißt nicht automatisch englisches oder amerikanisches Recht.
 
Wenn Sie wissen wollen, welchem Recht das Vertragswerk unterliegt, dann schauen Sie nach, ob Sie in dem Vertrag irgendwas über Applicable Law oder Choice of Law finden. In vielen Fällen kann man das anwendbare Recht frei wählen. In anderen Fällen, zumeist in Arbeitsverträgen, gelten dagegen Einschränkungen.
 
Amerikanische Großunternehmen regeln in ihren Verträgen oder AGB häufig, dass das Rechtsverhältnis dem Recht von Kalifornien, Delaware oder New York unterliegt. Dann, aber auch nur dann geht es nicht nur um die Vertragssprache, sondern auch um die Anwendung amerikanischen Rechts.


3. Sprache und Gerichtsstand bzw. Arbitration


Vertragssprache Englisch heißt nicht automatisch, dass Rechtsstreitigkeiten vor einem Gericht in England oder in den USA ausgetragen werden müssen, sondern in einem englischen Vertrag kann auch – sinngemäß - schlicht und einfach stehen: Für Streitigkeiten sind ausschließlich die Gerichte in München zuständig.
 

Das muss aber nicht so sein. Unter der Überschrift Jurisdiction and Venue (Sachliche und örtliche Zuständigkeit) kann sich auch die Regelung finden, dass Streitigkeiten ausschließlich vor einem bestimmten Gericht in San Francisco oder New York auszutragen sind. Oder dass für solche eine Arbitration in San Diego vorgesehen ist. Um zu wissen, worauf Sie sich einlassen, müssen Sie also den Vertrag zunächst einmal verstehen.


4. Schlüsselbegriffe/Key Issues


Wie schon gesagt: Bevor Sie einen Vertrag unterschreiben, in welcher Sprache auch immer, müssen Sie dessen Inhalt verstehen. Gerade die englische bzw. amerikanische Terminologie ist dabei auch für Leute mit gutem Schulenglisch nicht immer auf Anhieb verständlich. Ich greife einmal ein paar solcher Schlüsselbegriffe oder Key Issues heraus.
 
a) Consideration


Von diesem Konzept haben Sie vielleicht schon mal gehört. Fast jeder Einführungskus zum anglo-amerikanischen Vertragsrecht fängt damit an. Amerikanische Verträge sind nur wirksam, wenn es so etwas wie „Consideration“ gibt. Vergessen Sie das. Historisch mag das ja stimmen. Mittlerweile aber hat sich auch im amerikanischen Rechtskreis durchgesetzt, dass Verträge, die wechselseitige Versprechen/Verpflichtungen enthalten, ohne weiteres wirksam sind. Die sogenannte Consideration besteht hier schlicht und einfach in der Wechselseitigkeit.
Consideration kann ausnahmsweise einmal relevant werden, wenn es um ein einseitiges Schenkungsversprechen ohne Gegenleistung geht. Aber das ist im Geschäftsleben eher selten.
 
b) Damages


Juristischer Kernpunkt der Verträge ist häufig die Regelung zum Schadensersatz. An dieser Stelle wird es regelmäßig kompliziert, und zwar aus folgenden Gründen:
 
(1) Unterliegt der Vertrag deutschem Recht, neigen einige Verfasser dazu, amerikanische Vertragsklauseln oder Rechtsbegriffe herzunehmen, weil das ganze dann irgendwie sachkundiger und professioneller klingt. Dabei übersehen sie, dass das US-amerikanische Schadensersatzrecht ganz wesentlich vom deutschen Schadensersatzrecht abweicht. Die umfassenden Klauseln, die es in amerikanischen Verträgen hierzu gibt, passen im deutschen Recht nicht. Hier weichen dann häufig anwendbares Recht und verwendete Rechtssprache voneinander ab, so dass es am Ende schwierig ist zu ermitteln, was die Parteien eigentlich gewollt haben.
 
(2) Unterliegt der Vertrag US-amerikanischem Recht, dann ist die Verwendung der amerikanischen Rechtsterminologie richtig und konsequent. Nur muss man dann als betroffener Vertragspartner eben auch verstehen, was im einzelnen unter direct and indirect damages, consequential damages, pain and suffering, emotional distress, reasonable attorneys fees usw gemeint ist.
 
c) Representation, Power of Attorney


Besondere Relevanz kommt bei Verträgen im internationalen Kontext dem Aspekt der Vertretungsberechtigung zu. Bei einer deutschen GmbH können Sie ganz einfach im Handelsregister nachschauen, wer hier wie und in welcher Form vertretungsberechtigt ist. Das ist in den USA nicht möglich bzw. zumindest nicht so leicht. Hier behilft man sich vielmehr damit, dass ein company secretary oder notary public die Vertretungsberechtigung der handenden Person explizit bestätigt.

Wenn das Ganze in Deutschland notariell beurkundet werden soll, bedarf die Bestätigung in der Regel auch einer sogenannten Apostille.
 
Eine Vollmacht heißt übrigens nicht nur dann Power of Attorney, wenn sie einem Anwalt gegenüber erteilt wird, sondern auch ein Nichtjurist kann eine solche Power of Attorney haben.
 
d) Vorleistung, Zahlungssicherung, Vollstreckung
 

Unabhängig von der Rechtssprache ist es bei internationalen Verträgen immer wichtig, dass man sich vor Augen hält, wie man im Konfliktfall an sein Geld oder an die gekaufte Ware kommt. Denn die Rechtsdurchsetzung im Ausland ist häufig aufwendig und teuer. Ist ein deutsches Urteil in den USA vollstreckbar? Kann man ein amerikanisches Urteil in Deutschland vollstrecken? Finde ich einen Anwalt, der mir meinen Zahlungsanspruch über Euro 50.000 in den USA einklagt? Und wenn ja, zu welchen Kosten und wie lange dauert das? …
 

Das alles sind schwierige Fragen bzw. praktische Probleme. Deshalb kann ich eigentlich immer nur empfehlen, von einseitigen Vorleistungen Abstand zu nehmen bzw. auf entsprechende Instrumente zur Zahlungssicherung zurückzugreifen.
 
e) Währungsschwankungen
 

Ihr englischer Vertrag besteht mit einem Unternehmen in Polen, Tschechien oder der Türkei? Dann achten Sie auch auf die Vertragswährung sowie auf den Aspekt der Währungsschwankung. Dies insbesondere bei längerfristigen Verträgen.
 
f) Höhere Gewalt, Force Majeure


Im deutschen Recht haben wir den Paragrafen 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage). Den haben andere Rechtsordnungen nicht zwingend. Deshalb nimmt man in Verträge mit ausländischen Vertragspartnern häufig eine Klausel über höhere Gewalt (sogenannte Force Majeure) auf. Dieser französische Begriff ist übrigens auch in der englischen Rechtsterminologie durchaus geläufig.


5. Fazit
 

Keine Angst vor Verträgen in englischer Sprache. Englische Sprache kann, muss aber keineswegs bedeuten, dass sich der Vertrag auch nach englischem oder amerikanischem Recht richtet und dass im Streitfall irgendwelche Gerichte in New York oder Kalifornien zuständig sind.

Wie bei allen Verträgen gilt aber bei Verträgen in englischer Sprache auch und ganz besonders: Sie müssen verstehen, was Sie da unterschreiben, und dies vor Vertragsunterzeichnung.
 

Wenn Sie sich nicht ganz so sicher sind, ob Sie wirklich alles verstehen, was Ihnen da zur Unterschrift vorgelegt wird, dann sollten Sie gegebenenfalls in Erwägung ziehen, einmal einen Anwalt drüber schauen zu lassen, der auch mit der englischen Rechtsterminologie vertraut ist. In der Regel ist die Investition in eine solche Beratungsleistung durchaus sinnvoll.


Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt(Attorney at Law

Foto(s): wogo


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