Veruntreuung von Arbeitsentgelten in der Krise – drohende Insolvenz

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Die Strafverfahren wegen Veruntreuung von Arbeitsentgelten gemäß § 266a StGB (Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen) repräsentieren einen Großteil der Strafverfahren aus dem Bereich des Wirtschaftsstrafrechts. Von den nachfolgenden Ausführungen sind solche Strafverfahren zu unterscheiden, die Sachverhalte wie Unterschreitung des Mindestlohns oder Scheinselbstständigkeit zum Gegenstand haben.

Die strafrechtlichen Risiken bei einer wirtschaftlichen Schieflage des Unternehmens sind für die Geschäftsführer ohne entsprechende Hilfe kaum zu bewerkstelligen. Insbesondere wenn sich das Unternehmen in einer Krise befindet, argumentieren Geschäftsführer überwiegend, dass keine Mittel zur Verfügung standen, um die Forderungen der Sozialversicherungsträger auszugleichen. 

Diese Argumentation ist nicht per se von der Hand zu weisen. Damit der Geschäftsführer mit dieser Argumentation auch durchdringen kann, müssen allerdings bestimmt Rahmenbedingungen erfüllt sein.

Grundsätzliches

Gemäß § 266a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält. 

Strafrechtlich relevant ist folglich die Nichtabführung der Beiträge des Arbeitnehmers. Da es sich um ein Unterlassungsdelikt handelt ist, kann die Strafbarkeit nur begründet werden, wenn eine etwaige Liquidität noch vorliegt bzw. für die Sozialversicherungsträger verwendet werden kann.

Das Landgericht Freiburg befand in diesem Zusammenhang mit Urteil vom 07.05.2019 (4/17 8 Ns 81 Js 1825/13), dass die aus § 266a Abs. 1 StGB resultierenden Zahlungsverpflichtungen in der wirtschaftlichen Krise anderen Zahlungspflichten vorgehen – eine Unzumutbarkeit oder rechtliche Unmöglichkeit kann vor diesem Hintergrund nicht bestehen. 

Im Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit wegen nicht mehr vorhandener Mittel ist zu prüfen, ob der Angeklagte zu einem früheren Zeitpunkt vorsätzlich die erforderliche und noch mögliche Vorratsbildung unterlassen hat („ommissio libera in causa“).

Wann das Argument der Unmöglichkeit einer Zahlung ausreicht

Vorsorge des Unternehmers

Ausweislich der Urteilsbegründung ist für das Argument der Unmöglichkeit erforderlich, dass der Arbeitgeber eine ausreichende Vorsorge treffen muss, um den Zahlungsverpflichtungen aus § 266a StGB nachkommen zu können. In diesem Zusammenhang muss folglich ein Risiko erkannt und eingegangen werden, die Beiträge zu einem späteren Zeitpunkt mangels ausreichender Ressourcen nicht mehr zahlen zu können.

Sozialversicherungsbeiträge sind wichtiger als Arbeitnehmer

Eine objektive Unmöglichkeit wird insbesondere dann verneint, wenn die Arbeitnehmer ihr Gehalt bzw. ihren Lohn erhalten. Die Sozialversicherungsbeiträge sind mithin wichtiger als die Bezahlung der jeweiligen Arbeitnehmer. Es hat folglich die entsprechende Abrechnung der Arbeitnehmer zu erfolgen und sodann sind die Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherungsträger zu zahlen – erst dann sind die Mitarbeiter zu bezahlen.

Dieser Rechtsprechung, die nahezu jedem Unternehmer zumindest fragwürdig erscheint, liegt allerdings folgende Überlegung zugrunde: Aus der gesetzlichen Regelung ist der Wille des Gesetzgebers abzuleiten, dass die Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB insbesondere in der wirtschaftlichen Krise gelten soll. Etwaige Rettungsversuche des Unternehmens sollen nicht auf Risiko und Kosten der Solidargemeinschaft unternommen werden.

Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Nichtabführung der Arbeitgeberbeiträge ohne Täuschungshandlung nicht strafbar ist – die Arbeitnehmer haben mithin vollen Versicherungsschutz, auch wenn der Arbeitgeber in der Krise seine Beiträge nicht zahlt. Es kann nicht angenommen werden, dass Arbeitnehmer ihre Beiträge zur Sanierung eines Unternehmens überlassen wollten, die Sozialversicherungsträger allerdings vollen Versicherungsschutz leisten müssen.

Fazit

Um das Argument der Unmöglichkeit wirksam ins Feld führen können, ist Folgendes erforderlich:

  1. Die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung müssen seitens des Unternehmers im Voraus kalkuliert werden und entsprechende Ressourcen gebildet werden.
  2. Kommt es zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten, sollte dokumentiert werden können, dass die Ressourcen auch nur für die Sozialversicherungsbeiträge verwendet worden sind.
  3. Im Falle einer Krise hat die Zahlung der Arbeitnehmeranteile strikten Vorrang vor allen anderen Verbindlichkeiten. Dies gilt auch im Verhältnis zu den Arbeitnehmern.

Wenn sich der Unternehmer in der Krise entschließt, die Firma weiterzuführen, ist dahingehend Vorsorge zu leisten, künftig anfallende Arbeitnehmerbeiträge vorrangig zahlen zu können. Wählt der Unternehmer eine anderweitige Vorgehensweise und ist absehbar, dass die Firma bei entsprechender Vorratshaltung nicht weiter geführt werden kann, dürfen schlicht die Arbeitnehmer nicht mehr beitragspflichtig beschäftigt werden.



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