Vorerbschaft und Nacherbschaft im Testament – Informationen für Erblasser und Erben

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Möchte der Erblasser auch nach dem Tod des von ihm zunächst eingesetzten Erben oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (zum Beispiel die Wiederverheiratung des Ehegatten oder Erreichen eines gewissen Alters) die weitere Erbfolge nach seinen Vorstellungen festlegen, kann er dies durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft erreichen. 

Das Instrument der Vor- und Nacherbschaft gilt nicht automatisch, sondern nur dann, wenn der Erblasser dies in seiner letztwilligen Verfügung (zum Beispiel Testament oder Erbvertrag) angeordnet hat.

Erbe nur auf Zeit

Der Erblasser bestimmt zunächst eine oder mehrere Personen zu Vorerben und eine oder mehrere Personen zu Nacherben. Der zunächst eingesetzte Erbe wird nur für eine bestimmte Dauer Erbe (Vorerbe). Das Erbrecht des Vorerben endet mit einem vom Erblasser festgelegten Ereignis, dem sogenannten Nacherbfall (zum Beispiel Tod des Vorerben oder dessen Wiederheirat). Die Erbschaft geht dann automatisch auf den Nacherben über.

Die Vor- und Nacherbschaft wird häufig angeordnet

  • bei Immobilienvermögen, bei dem sichergestellt werden soll, dass dieses Vermögen auch in die nächste Generation, zum Beispiel an die Kinder oder Enkelkinder gelangt;
  • wenn der Ex-Partner vom Zugriff auf den Nachlass ausgeschlossen werden soll;
  • bei Familien mit Patchwork-Konstellationen;
  • wenn der/die „ungeliebte“ Schwiegersohn/-tochter beim Tod des eigenen Kindes nicht an dem eigenen Vermögen teilhaben sollen;
  • wenn die als Nacherben eingesetzten Kinder/Enkelkinder erst eine gewisse Reife erreichen sollten. 

Der Vorerbe darf „die Früchte ziehen“

Der Vorerbe erhält den Nachlass sozusagen nur auf Zeit und nur „geliehen“, bis das Vermögen des Erblassers dem oder den Nacherben zufällt.

Während der Dauer der Vorerbschaft kann der Vorerben die Erbschaft nutzen und die „Früchte ziehen“ (zum Beispiel Mieteinnahmen). Die eigentliche Nachlasssubstanz hingegen soll erhalten und letztlich auf den oder die Nacherben übergehen. Der Nacherbe erlangt ein Anwartschaftsrecht.

Schutz vor Gläubigerzugriff 

Die Nachlasssubstanz an sich bildet eine Art Sondervermögen, welches grundsätzlich nicht dem Zugriff von Gläubigern des Vorerben unterliegt. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Schulden des Vorerben in dessen Nachlassgegenstand sind somit in der Regel ausgeschlossen. 

Der Erblasser kann und sollte sich in seinem Testament entscheiden, ob er den Vorerben von gewissen gesetzlichen Beschränkungen befreit oder nicht. 

Sofern keine weiteren Anordnungen getroffen wurden, gilt nach dem Gesetz, dass der Vorerbe sogenannter nicht befreiter oder beschränkter Vorerbe ist. Das bedeutet, dass eine der wesentlichen Aufgaben des Vorerben darin besteht, den Nachlass für den Nacherben zu erhalten und ordnungsgemäß zu verwalten bis er auf den Nacherben übergeht. Er darf den Nachlass in Grenzen zwar selbst nutzen, aber nicht die Substanz des Erbes schmälern oder zum Nachteil des Nacherben handeln. 

Verfügungen über Grundstücke sind dem Vorerben ohne Zustimmung des Nacherben insoweit nicht gestattet, als diese Verfügungen das Recht des Nacherben beinträchtigen oder vereiteln würden. Es ist dem Vorerben zudem verboten, Nachlassgegenstände zu verschenken oder Vermögenswerte risikoreich anzulegen. 

Darüber hinaus ist der Vorerbe verpflichtet, dem Nacherben auf dessen Verlangen ein detailliertes Nachlassverzeichnis zu erstellen. Der Nacherbe hat auch das Recht, Auskunft über den Bestand des Vermögens zu verlangen, wenn der begründete und zu beweisende Verdacht besteht, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt. 

Verhält sich der Vorerbe nicht ordnungsgemäß, kann ihm notfalls die Verwaltung über den Nachlass entzogen werden und er kann sich darüber hinaus schadensersatzpflichtig machen. 

Befreiter Vorerbe 

Der Erblasser kann den Vorerben in seiner letztwilligen Verfügung von einigen der gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen befreien. Der Vorerbe kann zum Beispiel befreit werden

  • von der Beschränkung zur Verfügung über Grundstücke sowie
  • von Auskunftspflichten über den Nachlassbestand und zur Sicherheitsleistung.

Allerdings ist auch der befreite Vorerbe unter anderem nicht berechtigt, unentgeltliche Verfügungen (zum Beispiel Schenkungen) über Nachlassgegenstände vorzunehmen. 

Der befreite Vorerbe bleibt zudem gegenüber dem Nacherben zur Mitteilung eines Verzeichnisses und gegebenenfalls zur Duldung der Feststellung des Zustands von Nachlassgegenständen durch Sachverständige verpflichtet. 

Zweimaliger Anfall von Erbschaftsteuer

Es sollte bedacht werden, dass sowohl die Vorerbschaft als auch die Nacherbschaft gesonderte erbschaftsteuerliche Fälle darstellen. 

Obwohl es sich um einen Nachlass handelt, wird dieser im Ergebnis grundsätzlich zweimal versteuert. 

Im Nacherbfall wird erbschaftsteuerlich das (Verwandtschafts-)Verhältnis des Nacherben zum Vorerben für die Erbschaftsteuerklasse und den Erbschaftsteuersatz zugrunde gelegt. Jedoch ist auf einen entsprechenden Antrag des Nacherben der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen, § 6 ErbStG. 

Bei Vor- und Nacherbschaftsfällen erbt der Nacherbe häufig nicht nur den Nachlass des Erblassers, sondern auch das getrennt hiervon zu betrachtende Vermögen des Vorerben. Es handelt sich um zwei getrennte Vermögensmassen, die erbschaftsteuerlich vom Finanzamt getrennt zu bewerten sind.

Alternativen zu Vor- und Nacherbschaft

Die Praxis zeigt, dass die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft in bestimmten Konstellationen sinnvoll sein kann, aber auch häufig zu vielen streitigen Auseinandersetzungen führt. 

Ehegatten wählen häufig das sogenannte Berliner Testament mit verbindlicher Schlusserbeneinsetzung und Pflichtteilstrafklauseln. Hierbei wird der überlebende Ehegatte als unbeschränkter Alleinerbe eingesetzt und die gemeinsamen Kinder zu sogenannten Schlusserben. Der Nachlass wird also nicht erst beim Ehegatten geparkt. 

Weitere Alternativen zur Vor- und Nacherbschaft können sein: 

  • Einsetzung der Person, welcher der Nachlass letztlich zufallen soll, als Alleinerbe, verbunden mit der Einräumung von weitgehenden Nutzungsrechten zum Beispiel in Form eines Wohnungsrechts oder eines Nießbrauchs an Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen für den sonst als Vorerben Bedachten
  • Bestimmung der Alleinerben unter aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen (§§ 2074, 2075 BGB), wobei die Rechtsprechung zum Teil davon ausgeht, dass in einer auflösenden Bedingung stets die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft liegt.
  • Anordnung von Vor- und Nachvermächtnissen

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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