Vorfälligkeitsentschädigung zurück? OLG Frankfurt a.M./17. Senat verurteilt Commerzbank.

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Zur Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung- was Sie wissen sollten:

Kündigt man einen Kredit vorzeitig, fordert die Bank meist eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung.

Grund hierfür ist, dass der Bank bei einer vorzeitigen Kündigung des Darlehens die Zinserträge für die eigentliche Restlaufzeit des Darlehens verloren gehen. Sie erleidet demnach durch die vorzeitige Kündigung des Darlehens grundsätzlich einen Schaden.

Um die hierdurch entstehenden finanziellen Verluste auszugleichen, verlangt die Bank eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung, durch die sie so gestellt werden soll, als sei das Darlehen in der vereinbarten Laufzeit getilgt worden.

Zu beachten ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit , dass die Vorfälligkeitsentschädigung den Verlust kompensieren soll, den die Bank dadurch erleidet, dass sie weniger Zinsen für das gewährte Darlehen erhält.

Die Bank muss diesbezüglich zunächst transparent halten, wie sich der zugrunde gelegte Schaden berechnet. Hierbei kann entweder die sogenannte „Aktiv- Aktiv- Methode“ (Bank verleiht das Geld anderweitig) oder die sogenannte „Aktiv- Passiv- Methode“ (Bank erwirbt Wertpapiere durch das zurückgezahlt Darlehen)gewählt werden. Ein Schaden besteht dann jeweils nur, wenn die neue Verzinsung niedriger ist, als die des vorzeitig zurückgezahlten Darlehens.

Bei der Berechnung des Verlustes müssen zunächst bestehende Sondertilgungsmöglichkeiten zugunsten des Darlehensnehmers berücksichtigt werden, da diese den Darlehensbetrag und somit auch die hierfür anfallenden Zinsen entsprechend verringert hätten.

Stichtag der Berechnung muss stets der Zeitpunkt der endgültigen Rückzahlung sein.

Zudem muss sich die Bank das durch die Rückzahlung ersparte Darlehensrisiko und die ebenfalls ersparten Verwaltungsgebühren anspruchsmindernd anrechnen lassen – immerhin entfällt durch die vollständige Rückzahlung die Gefahr, dass das Darlehen gegebenenfalls nicht vollständig zurückgezahlt werden kann und auch die Führung des Darlehens, also Erstellung von Kontoauszügen u.ä. erspart sich die Bank durch die Rückzahlung.

Allgemein ist es gerade im Bereich der Immobilliardarlehensverträge höchst  problematisch, die Rechtmäßigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung zu beurteilen, weshalb in diesem Bereich die Beratung durch einen fachkundigen Rechtsanwalt unerlässlich ist- denn im Einzelfall sind diese Vereinbarungen häufig unwirksam, was über einen Rechtsanwalt geprüft und geltend gemacht werden kann!

Einen interessanten Fall hierzu hätte auch das OLG Frankfurt zu entscheiden (Urteil vom 01.07.2020, Az.: 17 U 810/19; nicht rechtskräftig, die Beklagte hat hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingereicht). Dort konnten sich die Kläger, die Darlehensnehmer der Beklagten waren, erfolgreich der Zahlung einer Entschädigung entziehen.

OLG Frankfurt: Angaben zur Berechnung der Entschädigung müssen klar und verständlich sein!

Dem Fall, den das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte, lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger schlossen als Verbraucher mit der Beklagten im November 2016 zwei schriftliche Immobilliardarlehensverträge über die Gewährung grundpfandrechtlich gesicherter Darlehen in Höhe von 245.520,- € und 50.000,- €. Den Vertragsangeboten der Kläger lagen die Bedingungen für Bank1-Baufinanzierungen zugrunde in denen es heißt:

„7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens

Sofern der Darlehensnehmer der Bank mitteilt, dass der Darlehensnehmer eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, wird die Bank dem Darlehensnehmer unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen schriftlich übermitteln:

1. Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung

            2. im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrages

            3. gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung und

4. Kosten der Bank für zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückzahlung

5. Mitteilung über eventuelle Annahmen die im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erforderlich waren

Die Bank berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung finanzmathematisch nach der sogenannten, Aktiv-Passiv‘-Methode. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist der Zeitpunkt, zu dem die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensvaluta bei der Bank eingeht. Im Einzelnen rechnet die Bank wie folgt:

Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar.

Zu Gunsten des Darlehensnehmers berücksichtigt die Bank bei der Berechnung, dass die nach Maßgabe des Darlehensvertrages geschuldeten, ganz oder teilweise ausfallenden Zahlungen in der Zukunft liegen. Finanzmathematisch erfolgt dies im Wege der '' jeder einzelnen ganz oder teilweise ausfallenden Zahlung über den Zeitraum zwischen ihrer vertraglich vereinbarten Fälligkeit und der tatsächlich erfolgenden Rückzahlung (sog. ,Barwertmethode‘):

Zur Abzinsung der in der Zukunft liegenden Zahlungen zieht die Bank die entsprechenden Zinssätze des Geld- und Kapitalmarkts heran, die die Bank bei der Berechnung des Zinsausfalls zugrunde legen (s. o.).

Von der so ermittelten Schadenssumme zieht die Bank

(a) zu Gunsten des Darlehensnehmers die für das Darlehen auf Seiten der Bank ersparten Verwaltungskosten ab, weil keine weitere Bearbeitung für das Darlehen erforderlich ist. Weiter wird

(b) von diesem Betrag zu Gunsten des Darlehensnehmers ein Abschlag für ersparte Risikokosten vorgenommen. Dieser resultiert daraus, dass die Bank für den Zeitraum zwischen der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens und dem Zeitpunkt, zu dem das Darlehen normalerweise zurückzuzahlen gewesen wäre, kein Ausfallrisiko für das Darlehen mehr tragen muss.

Die Schadenssumme, vermindert um die vorstehend unter (a) und (b) genannten, ersparten Verwaltungs- und Risikokosten, ergibt dann die von dem Darlehensnehmer an die Bank zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung.

Zu der so ermittelten Vorfälligkeitsentschädigung werden noch die Kosten der Bank für den zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückführung addiert. Dem Darlehensnehmer ist der Nachweis vorbehalten, dass diese Kosten nicht oder in wesentlich geringerer Höhe entstanden sind.

Entsteht der Bank aufgrund der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Berechnung kein Schaden, ist von dem Darlehensnehmer keine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen.

Entsteht der Bank aufgrund der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Berechnung ein Schaden, so ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ungeachtet dessen gesetzlich ausgeschlossen, wenn

1) die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die auf Grund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern, oder

2) im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind."

Die Kläger teilten der Beklagten mit, dass sie die beiden Darlehen vorzeitig ablösen wollten, was sie schließlich auch taten. Daraufhin wurde ihnen durch die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung von ein mal 17.520,59 € und ein mal 4.023,56 € (insgesamt 21.544,15 €) in Rechnung..

Nachdem die Klage vor dem Landgericht Frankfurt in erster Instanz noch abgewiesen wurden, bekamen die Kläger schließlich in zweiter Instanz vor dem OLG Frankfurt  Recht (gegen das Urteil hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt). Die Vorfälligkeitsentschädigung wurde hiernach rechtsgrundlos geleistet.

In Der Begründung der Entscheidung führt das Gericht zu der vertraglich vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigung aus, dass ein solcher Anspruch im vorliegenden Fall nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB  ausgeschlossen sei.

Dies begründet es dadurch, dass die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend seien:

Die in den Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten enthaltenen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, die in die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge einbezogen worden sind, genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend i.S.v. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sie nicht klar und verständlich i.S.v. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB sind (…). Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (…). Ein solcher Verbraucher war nicht in der Lage, den Angaben in den Allgemeinen Darlehensbedingungen zu entnehmen, wie die Beklagte im Falle der vorzeitigen Rückzahlung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen würde. Die Beklagte hat die vorzunehmenden Rechenschritte zwar im Einzelnen dargestellt. Diese Darstellung ist in Bezug auf den zweiten Rechenschritt indes unverständlich.“ (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 01. Juli 2020 – 17 U 810/19, hiergegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt).

Auch durch diese Entscheidung hat sich erneut gezeigt, dass die Überprüfung der vertraglichen Vereinbarung durch einen Rechtsanwalt in vielen Fällen dazu führen kann, dass sich der Darlehensnehmer der Zahlung einer Vorfälligkeitsentscheidung entziehen kann. Eine rechtliche Überprüfung ist gerade hinsichtlich der häufig hohen im Raum stehenden Summen wirtschaftlich sinnvoll und lohnenswert.

- Rechtsanwalt Dr. Martin Heinzelmann, LL.M., Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht (Kanzlei MPH Legal Services) vertritt Ihre Interessen in Bankrechtsangelegenheiten bundesweit-


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