Vorsorgevollmachten – warum vorsorgen besser als nachsorgen ist

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Vorsorgedokumente wichtig oder überflüssig ?

Sie denken, wenn Ihnen etwas passiert, kann Ihr Ehepartner wichtige Entscheidungen für Sie treffen? Das ist leider ein weit verbreiteter aber fataler Irrglaube! Eine solche gesetzliche Vertretung gibt es im deutschen Recht nur für Minderjährige.

Habe ich keine Vollmacht erstellt und bin plötzlich in einer Situation, in der ich meine Entscheidungen nicht mehr selbst treffen kann - sei es aufgrund Alters oder Demenz, ggf. aber auch nur vorübergehend aufgrund eines Unfalls oder schwerer Krankheit - so muss ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden und ein Betreuer bestellt werden, welcher für mich Entscheidungen trifft. Der Betreuer kann durchaus ein naher Angehöriger sein, ist in ca. 50 % aller Fälle jedoch ein Berufsbetreuer. Dann bestimmt ein völlig Fremder über meine höchstpersönlichen Angelegenheiten.

Möchte ich dies ausschließen und sicherstellen, dass ein naher Angehöriger oder eine mir nahestehende Person für mich rechtlich handeln darf, wenn ich hierzu im Ernstfall nicht in der Lage bin, muss ich rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht erstellen. Dann bedarf es keiner weiteren Maßnahme des Gerichts.

Selbst wenn mein Ehepartner oder die erwachsenen Kinder als Betreuer für mich eingesetzt werden, dürfen diese nicht frei und allein über mich entscheiden. Vielmehr sind sie als Betreuer einem Richter gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet und müssen alle wesentlichen Ausgaben und Entscheidungen zunächst von diesem genehmigen lassen.

Habe ich dagegen eine Vorsorgevollmacht erstellt, darf der Bevollmächtigte allein und ohne Einschaltung eines Richters entscheiden, wo und wie ich versorgt werde und kann vollumfänglich und allein sämtliche Entscheidungen für mich in meinem Interesse treffen.

Doch was gehört noch zum Thema Vorsorge?

Patientenverfügung

Mit der Patientenverfügung kann ich selbst bereits heute bestimmen, wie ich versorgt werden möchte, wenn ich mich bereits im Sterbeprozess befinde, es nicht mehr bergauf, sondern nur noch bergab geht und ich nicht mehr sagen kann, was ich möchte. Dann kann ich bestimmen, welche medizinischen Maßnahmen noch ergriffen werden sollen und welche gerade nicht. Mit der Patientenverfügung nehme ich meinem Bevollmächtigten eine große Last von der Schulter, indem ich diese wichtigen Entscheidungen bereits selbst treffe. Er muss sie sodann den behandelnden Ärzten gegenüber „nur“ noch durchsetzen.

Vorsorgevollmacht

Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie eine Person bevollmächtigen, für Sie einzelne oder sämtliche Angelegenheiten wahrzunehmen, für den Fall, dass Sie selbst hierzu nicht in der Lage sind. Wenn Sie wollen, dass Ihre Angehörigen oder eine Ihnen sonst nahestehende Person für Sie rechtlich handeln darf, wenn Sie hierzu im Ernstfall nicht in der Lage sind, müssen Sie Ihnen rechtzeitig eine Vollmacht erteilen oder andere Verfügungen treffen. Haben Sie eine Vollmacht erteilt, bedarf es keiner weiteren Maßnahme des Gerichts.

Betreuungsverfügung

Mit der Betreuungsverfügung bestimme ich, wer im Fall der Fälle für mich als Betreuer eingesetzt werden soll und wer gerade nicht. Ich verhindere hierdurch die Bestellung eines fremden Berufsbetreuers. In der Regel ist die Betreuungsverfügung zwar nicht mehr erforderlich, sofern ich eine Vorsorgevollmacht erstellt habe. Jedoch gibt es Ausnahmefälle, in denen doch für ausgewählte Einzelbereiche eine Betreuung erforderlich werden kann. Aus diesem Grund erstelle ich in der Regel für meine Mandanten ein Paket aus allen drei Vollmachten.

Unternehmervollmacht

Wichtig auch und oft vergessen wird darüber hinaus eine Unternehmervollmacht. Bin ich selbständig, habe ein Unternehmen oder eine Landwirtschaft und falle durch Unfall oder Krankheit aus und kann keinerlei Entscheidungen mehr treffen, so können ggf. keine Rechnungen bezahlt werden, keine Aufträge angenommen oder bearbeitet werden, Außenstände nicht eingetrieben werden, sofern ich niemanden bevollmächtigt habe, Entscheidungen für mein Unternehmen zu treffen. Das kann bis zur Insolvenz führen!

Sorgerechtsverfügung

Mit einer Sorgerechtsverfügung können Eltern für ihre minderjährigen Kinder einen Vormund oder Pfleger bestimmen, wenn beide sorgerechtsbefugte Elternteile ausfallen. Das Gericht muss sich an eine solche Verfügung halten, wenn nicht gewichtige Gründe hiergegen sprechen. Anderenfalls würde das Familiengericht über den Aufenthaltsort der Kinder entscheiden.

Wo lauern die größten Gefahren/Fallen?

Der größte allgemein noch bei vielen vorherrschende Irrtum, "dafür habe ich doch geheiratet, dass dann mein Ehepartner über mich entscheiden darf, wenn ich es nicht (mehr) kann", ist leider fatal. Verlasse ich mich darauf, so wird im Falle eines Falles ein Betreuer für mich bestellt, der sodann über meinen Aufenthalt, meine Gesundheit, mein Vermögen, meine Geschäfte, etc. also meine höchstpersönlichen Angelegenheiten entscheidet. Dies ist - wie soeben bereits geschrieben - nur ca. in der Hälfte der Fälle jemand aus meinem engsten Familienkreis. In allen anderen Fällen wird ein Berufsbetreuer eingesetzt, der Entscheidungen allein nach Aktenlage trifft. Ein Berufsbetreuer kennt mich nicht, weiß nicht, wie ich zuvor gelebt habe und warum.

Wenn ich dann denke, „naja dann wird eben mein Partner als Betreuer eingesetzt und alles ist gut“, unterliege ich einem weiteren Irrtum. Ein Betreuer ist immer dem ihn einsetzenden und kontrollierenden Betreuungsrichter Rechenschaft pflichtig und kann keine wesentlichen Entscheidungen allein treffen. Größere Ausgaben und wesentliche Entscheidungen muss dieser immer mit dem Richter abstimmen und am Ende eines Jahres Rechenschaft über die getätigten Ausgaben ablegen. Dies kann für einen betreuenden Angehörigen zu großen Schwierigkeiten führen. Er ist eingeschränkter, als es auf den ersten Blick erscheint.

Und wenn ich dann noch davon ausgehe, meine vor Jahren erstellten Vorsorgedokumente sind ganz sicher noch wirksam und anwendbar, dann irre ich möglicherweise noch einmal. Viele vor 2016 erstellte Patientenverfügungen sind leider wirklich zu unpräzise, später nach der Erstellung der Vollmachten in das Gesetz aufgenommene neue Regelungen sind in diesen nicht erfasst. Das kann auch zu ungewünschten Folgen führen.

Aktualität

Die rechtlichen Anforderungen an Vollmachten und Patientenverfügungen ändern sich gelegentlich. Beispielsweise hat der Bundesgerichtshof 2016 entschieden, dass Patientenverfügungen konkret und situationsbezogen formuliert sein müssen. Eine allgemeine Bestimmung, keine lebenserhaltenden Maßnahmen haben zu wollen, ist seitdem nicht mehr wirksam und ausreichend. Aus diesem Grund kann es tatsächlich sein, dass vor Jahren erstellte Vorsorgedokumente heute tatsächlich nicht mehr anwendbar sind. Es ist daher ebenfalls wichtig, Vollmachten auf dem aktuellen Stand zu halten um nicht Gefahr zu laufen, dass sie im Fall der Fälle nicht anwendbar sind. Denn merken tut man dies in der Regel erst dann, wenn es bereits zu spät ist.

Wie gut oder schlecht treffen die Deutschen Vorsorge?

Bei der Bundesnotarkammer – dem Register für Vorsorgevollmachten etc. – waren am 31. Dezember 2019 insgesamt 4.605.166 Vorsorgeverfügungen registriert.

Das sind bei weitem nur ein kleiner Bruchteil der deutschen Bevölkerung (83 Millionen), selbst wenn man eine gewisse Dunkelziffer hinzurechnet, da bei weitem nicht jede Vollmacht registriert ist.

Möchten auch Sie zu denjenigen gehören die vorsorgen, kontaktieren Sie uns bundesweit. Beratungen können sowohl telefonisch als auch per Videokonferenz stattfinden.

Julia Bald

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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