Waffenbesitzer müssen den Schlüssel zum Waffenschrank so sicher aufbewahren wie die Waffe selbst - Anwalt Waffenrecht

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In seiner Entscheidung vom 30.08.2023 befand das OVG Münster (Az.: 20 A 2384/20), dass für die Aufbewahrung des Schlüssels zum Waffenschrank dieselben Sicherheitsanforderungen gelten wie die für Waffen und Munition selbst. Gleichzeitig begründet ein Verstoß hiergegen jedoch noch keine Unzuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinne, da die Anforderungen an die Sicherheitsstandards zur Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels weder gesetzlich noch höchstrichterlich festgelegt wurden.


Sachverhalt

Bei einem Einbruch in das Haus eines im Urlaub befindlichen Jägers entwendeten Einbrecher zwei Kurzwaffen sowie Munition aus dessen Waffenschrank. Dabei erfüllte der unbeschädigt gebliebene Waffenschrank alle erforderlichen Sicherheitsanforderungen des Waffengesetzes. Die Waffenschrankschlüssel, mit denen die Einbrecher den Waffenschrank schließlich öffneten, verwahrte der Jäger wiederum in einem etwa 40 kg schweren, dick- sowie doppelwandigen Stahltresor mit Zahlenschloss. Dieser Tresor entsprach hingegen nicht den strengen, gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandards zur Aufbewahrung von Waffen und Munition.


Anschließendes Verfahren

Mit der Begründung, der Jäger habe die Schlüssel zum Waffenschrank nicht ordnungsgemäß nach waffenrechtlichen Sicherheitsstandards verwahrt, widerrief das Polizeipräsidium Duisburg dessen waffenrechtlichen Erlaubnisse als Jäger. Gegen diesen Widerruf erhob der Jäger Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, welches die Klage abwies. Erst in der nächsthöheren Instanz beim OVG Münster konnte sich der Kläger erfolgreich gegen den Widerruf der Erlaubnis wehren.


Gesetzliche Ausgangslage

Der Widerruf einer Waffenerlaubnis richtet sich gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG, wonach diese zwingend dann zu widerrufen ist, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagensgrund ist in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG geregelt. Demnach ist die Erlaubnis dann zu versagen, wenn der Antragsteller nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG verfügt. Eine solche Zuverlässigkeit ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dann bei der Person abzulehnen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren werden. Der Beurteilung zur Unzuverlässigkeit einer Person werden Tatsachen zugrunde gelegt, welche zugleich eine in die Zukunft gerichtete Prognose darstellen.



Bewertungsmaßstab zur Beurteilung der Unzuverlässigkeit anhand einer Prognose

Die zur Feststellung der Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Prognose ist anhand einer umfassenden Einbeziehung sowie Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein könnte. Dabei dürfen die Anforderungen nicht überhöht sein. Vielmehr gebietet die Prognose eine Orientierung am Sinn und Zweck des Gesetztes. So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Juli 2018 (Az.: 6 B 79.18) entschieden, dass die mit dem Waffenbesitz einhergehenden Risiken ausnahmsweise bei solchen Personen hinzunehmen sind, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie sowohl mit Waffen als auch Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dies stellt jedoch eine Ausnahme für sonst sehr strengen waffenrechtlichen Maßstäbe der Beurteilung der Unzuverlässigkeit dar. So genügt es ansonsten im Allgemeinen, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse bzw. hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht. Wird im Rahmen der vorzunehmenden Prognose von den vorgenommenen Handlungen des Betroffenen als Tatsache auf das in Zukunft von diesem zu erwartende Verhalten geschlossen, so muss im Waffenrecht kein Restrisiko hingenommen werden.


Dennoch hat nicht jeder nachgewiesene Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften in der Vergangenheit eine negative Prognose im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zur Folge. Grund dafür ist die Unvereinbarkeit mit dem an sich zukunftsorientierten Charakter des Zuverlässigkeitskriteriums. So kann nicht jeder Verstoß in der Vergangenheit automatisch eine negative Prognose begründen. Vielmehr muss die Prognose einzelfallbezogen anhand der oben genannten Kriterien vorgenommen werden. Das heißt, dass alle Tatsachen heranzuziehen sind, die von Relevanz für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung sein könnte. Wichtig ist hierbei, dass dies auch alle entlastenden Umstände umfasst.


Letztlich ist unter dem Strich entscheiden, ob die ermittelten Tatsachen in Anbetracht aller Lebenserfahrungen ein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene das prognoserelevante Verhalten in Zukunft begehen wird.



Entscheidung des OVG Münster

Unter Zugrundelegung des oben genannten Bewertungsmaßstabs zur Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bzw. der Prognoseentscheidung hat das OVG Münster entschieden, dass der Kläger die Schlüssel zum Waffenschrank zwar nicht entsprechend den waffenrechtlichen Sicherheitsstandards aufbewahrt hat, dies im Einzelfall jedoch keine negative Prognose rechtfertigt, die wiederum den Widerruf der ihm erteilten Waffenerlaubnis begründet.



Dazu im Einzelnen:


Objektiv verstieß der Kläger gegen die gesetzlichen Bestimmung zur sorgfältigen Aufbewahrung von Waffen und Munition, indem er während seiner Abwesenheit die zum Waffenschrank gehörenden Schlüssel nicht ebenfalls entsprechend diesen gesetzlichen Bestimmungen verwahrte. So entspricht die Verwahrung der Waffen und Munition im Waffenschrank den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 1 bis 3 AWaffV, nicht jedoch die der Schlüssel. Nach dieser Vorschrift hat der Besitzer von Waffen oder Munition die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Die Schlüssel befanden sich in einem doppelschichtigen und mit Zahlenschloss gesicherten Stahltresor, welcher jedoch nicht die in § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 1 bis 3 AWaffV enthaltenen Vorgaben erfüllte. Demnach liegt ein objektiver Sorgfaltspflichtverstoß vor.


Die Krux ist hierbei allerdings, dass sich diese Vorschrift lediglich explizit zur Aufbewahrung von Waffen und Munition äußert, indes aber nicht regelt, ob diese auch für die Aufbewahrung des Waffenschrankschlüssels gilt. Auch anderweitige gesetzliche Bestimmungen gibt es hierzu nicht. Selbstverständlich entspricht es dem Sinn und Zweck von § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 1 bis 3 AWaffV, dass auch die zum Waffenschrank gehörigen Schlüssel in einer Weise aufbewahrt und gesichert werden sollen, dass zu keinem Zeitpunkt eine unbefugte Zugriffsmöglichkeit durch Dritte besteht. Der Betroffene kann die Schlüssel also nicht einfach offen liegen lassen, sondern sollte sie schon in einem gesicherten Behältnis verwahren. Es stellt sich also vorliegend die Frage, inwiefern es dem Betroffenen als juristischen Laien subjektiv vorwerfbar ist, dass der von ihm genutzte Tresor nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 1 bis 3 AWaffV entspricht.


Das OVG Münster entschied, dass der objektive Aufbewahrungsverstoß dem Kläger in subjektiver Hinsicht nicht als im besonderen Maße schwerwiegend vorzuwerfen ist. Erst im Wege der Auslegung lässt sich die entsprechende Sorgfaltspflicht erschließen. Gerade in Anbetracht fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung diesbezüglich ist es dem Betroffenen als juristischen Laien nicht vorwerfbar, dass er diese Sorgfaltspflicht nicht selbst erschlossen hat. Ferner hat der Betroffene mit der Verwahrung der Schlüssel im Tresor geeignete Maßnahmen zum Schutz vor dem Zugriff durch Dritte ergriffen, die nur durch erhöhte kriminelle Energie sowie mithilfe bestimmter Werkzeuge übergangen werden können. Er ist also nicht gerade untätig hinsichtlich etwaiger Schutzmaßnahmen geblieben.


Das bedeutet in der Folge, dass dem Betroffenen keine subjektiv sorgfaltswidrige bzw. bedenkliche Einstellung hinsichtlich der Beachtung waffenrechtlicher Bestimmungen vorgeworfen werden kann und er daher nicht als unzuverlässig im Sinne des Waffengesetzes zu qualifizieren ist. Der objektive Sorgfaltspflichtverstoß allein begründet zudem keine negative Prognose.



Ausblick

Mit dieser obergerichtlichen Entscheidung sind die Sicherheitsanforderungen zur Aufbewahrung der Schlüssel zum Waffenschrank zum ersten Mal explizit dargestellt worden. Trotz weiterhin fehlender gesetzlicher Regelung dürfte es in Zukunft wegen dieser Rechtsprechung schwerer sein, sich auf Nichtwissen hinsichtlich dieser Anforderungen zu berufen. Demnach ist es empfehlenswert, nach den Vorgaben des § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 1 bis 3 AWaffV die Schlüssel vom Waffenschrank zu verwahren. Andernfalls droht gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG der Widerruf der Waffenerlaubnis.

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