Wahlrechtsreform – betreute Menschen können nun auch wählen gehen
- 2 Minuten Lesezeit
- Menschen, die auf Betreuung angewiesen sind, dürfen nicht mehr von Wahlen ausgeschlossen werden.
- Diese Entscheidung geht aus einem Bundestagsbeschluss vom 17. Mai 2019 hervor.
- Ein Recht, wählen zu gehen, haben ab sofort auch schuldunfähige Straftäter, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind.
- Erstmals dürfen behinderte Menschen an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen.
Mehr als 80.000 behinderte und psychisch kranke Menschen betroffen
In der Bundesrepublik gibt es circa 80.000 Behinderte und psychische Kranke, die kein aktives Wahlrecht besitzen.
§ 13 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) legt fest, welche Personengruppen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Dazu zählen insbesondere diejenigen, die sich in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden oder die auf eine gerichtlich bestellte Betreuung angewiesen sind, d. h. dauerhaft vollbetreute Menschen.
Vor dem Hintergrund dieses Gesetzes kam es nach der Bundestagswahl 2013 zu mehreren Beschwerden durch insgesamt acht Betroffene, die vom Gang zur Urne ausgeschlossen wurden. Sie sahen sich in ihren Rechten verletzt.
Richter stellten fest: Wahlrechtsausschluss ist verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt bereits über 81.000 vollbetreute Menschen von dieser Regelung betroffen gewesen sind.
Gemäß des Zweiten Senats in Karlsruhe verstößt der Wahlrechtsausschluss gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (GG). Dieser legt unter anderem fest, dass niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Des Weiteren liegt ein Verstoß gegen Artikel 38 GG vor. Er regelt u. a., dass jeder wahlberechtigt ist, der das 18. Lebensjahr erreicht hat.
Die Richter entschieden folglich am 29. Januar 2019, dass der Ausschluss vom aktiven Wahlrecht für betreute Personen verfassungswidrig ist.
Neuregelung des Wahlrechts wird gefordert
Der Zweite Senat des BVerfG kam zu der Entscheidung, dass Menschen, die eine gerichtlich bestellte Betreuung benötigen, nicht pauschal vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen werden dürfen. Ebenso fallen darunter Straftäter, die schuldunfähig sind und sich in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden. Folglich wird in dem am 29. Januar veröffentlichten Beschluss eine Neuregelung des Wahlrechts gefordert.
Der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel begrüßt die gerichtliche Entscheidung. Sein Ziel sei es, dass betreute Personen bei der anstehenden Europawahl am 26. Mai an die Urne gehen können.
Die Bundesregierung einigte sich bereits im Koalitionsvertrag auf ein sogenanntes inklusives Wahlrecht für alle.
Bundestag stimmt Gesetzesänderung zu
Am 17. Mai hat der Bundestag der Gesetzesänderung zugestimmt: Behinderte unter gerichtlich bestellter Betreuung dürfen zukünftig wählen gehen. Folglich können sie bereits an der anstehenden Europawahl ihre Stimme abgeben. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2019 wurde somit umgesetzt.
Niedersachsen als Vorreiter
Niedersachsen hat als erstes Bundesland bereits im Frühjahr den Weg für inklusive Wahlen freigemacht. Am 27. März 2019 wurde die Gesetzesreform im Landtag in Hannover beschlossen. Demnach dürfen Menschen mit gerichtlich bestellter Betreuung ab sofort bei Landtags- und Kommunalwahlen zur Urne gehen – außer es kam in Folge eines Gerichtsentscheids zum Wahlrechtsentzug.
Landesverräter bleiben weiter ausgeschlossen
Es gibt aber trotz alledem immer noch Ausnahmen. Personen, denen das Wahlrecht per Richterspruch entzogen wurde, dürfen weiterhin nicht wählen gehen. Gründe für diesen Entzug kann beispielsweise Wahlfälschung oder Landesverrat sein.
(KKA)
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