Was bringt eine anwaltliche Ersteinschätzung bei einer Scheidung?

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Auf der Suche nach einer ersten (kostenfreien) Orientierung in einem Rechtsproblem suchen viele Menschen nach Angeboten zur sogenannten Erstberatung oder Ersteinschätzung. In vielen Rechtsgebieten wird das Problem dadurch bereits gelöst, oder der Mandant kommt vielleicht zum Entschluss, dass sich z.B. eine Klage nicht lohnt. Bei der Scheidung ist das naturgemäß anders – wer sich scheiden lassen will, „muss“ den Weg weitergehen, mit einer Ersteinschätzung ist es nicht getan. Warum lohnt sich die Ersteinschätzung für eine Scheidung aber dennoch?

Was ist eine Ersteinschätzung oder Erstberatung?

Eine Erstberatung ermöglicht dem Anwalt oder der Anwältin eine Einschätzung Ihrer familiären, persönlichen und finanziellen Gegebenheiten. In einem solchen Erstberatungsgespräch erfahren Sie überschlägig, wo Sie stehen und was Sie tun sollten, um Ihr Ziel zu erreichen. Sie erhalten eine sachkundige Einschätzung und können beurteilen, wo die Chancen und Risiken liegen, die mit Ihrer Fragestellung verbunden sind. Das eigentliche Mandat können Sie, wenn Sie es denn wollen, später erteilen.

Die anwaltliche Erstberatung ist von der eigentlichen Beratung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zu unterscheiden. Für ein Erstberatungsgespräch dürfen Anwälte nur eine gesetzlich definierte geringe Gebühr berechnen. Kommt es zu einer darüber hinausgehenden Beratung oder Vertretung, rechnen Anwälte ihre Dienstleistungen nach anderen Gebührenmaßstäben ab.

PS: Die iurFRIEND-Kanzlei allerdings nicht – wir nehmen nach wie vor nur den Mindestsatz, auch für die „normale“, spätere Beratung.

Was dürfen Sie von einer Ersteinschätzung zu Ihrer Scheidung erwarten?

Die Erstberatung dient Ihrer Orientierung. Sie schildern dem Anwalt Ihr rechtliches Problem. Im Gegenzug erfahren Sie, in welchem rechtlichen Rahmen Sie sich bewegen und was nach Recht und Gesetz erfahrungsgemäß zu tun oder zu unterlassen ist.

Sie möchten sich zum Beispiel sofort scheiden lassen. Bitten Sie einen Anwalt um eine Erstberatung, werden Sie erfahren, dass Sie das Trennungsjahr vollziehen müssen und erst danach den Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichen können. Oder erzählen Sie dem Anwalt, dass Sie aus finanziellen Gründen die Trennung innerhalb Ihrer ehelichen Wohnung vollzogen haben, wird der Anwalt darauf hinweisen, dass die Trennung organisatorisch so gestaltet sein muss, dass jeder Partner eigene Räumlichkeiten nutzt und allenfalls Küche und Bad in gegenseitiger Absprache einer gemeinsamen Nutzung unterliegen.

Der Anwalt wird also in seiner Ersteinschätzung der Gegebenheiten erklären, was Sie tun sollten (z.B. Vollzug des Trennungsjahres) oder vielleicht besser unterlassen sollten (z.B. gemeinsames Konto leerräumen). Ist die Erstberatung erfolgt, haben Sie die Wahl:

  • Sie können sich die Ratschläge und Empfehlungen des Anwalts durch den Kopf gehen lassen und danach entscheiden, was Sie als nächstes tun möchten. Wahrscheinlich haben Sie ein besseres Gefühl als vorher, als Sie sich im Nebel von Recht und Gesetz noch orientierungslos gefühlt haben.
  • Sie können dem Anwalt aber auch gleich oder später das Mandat erteilen und konkret damit beauftragen, die Scheidung in die Wege zu leiten.
  • Genauso gut könnten Sie es bei der Erstberatung belassen und einen anderen Rechtsanwalt aufsuchen, sofern Sie das Gefühl hatten, dass die Chemie zwischen Ihnen und dem zuerst konsultierten Rechtsanwalt irgendwie nicht passt.

Was kann eine anwaltliche Erstberatung leisten?

Es gibt im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keine genaue Definition, was eine Erstberatung bei einem Rechtsanwalt umfasst. Der Bundesgerichtshof beschreibt eine Erstberatung als „eine pauschale, überschlägige Einstiegsberatung. Dazu gehöre nicht, dass sich der Rechtsanwalt erst sachkundig macht oder dass er die Erstberatung schriftlich zusammenfasst“.

In der Regel handelt sich also um eine mündliche oder telefonische Beratung, die sich im Regelfall in einem einzigen Gespräch erschöpft. Sind nach der Erstberatung weitere Gespräche erforderlich oder erfolgt ein schriftliches Statement oder tätigt der Anwalt Schriftverkehr, geht seine Dienstleistung über die Erstberatung hinaus und verursacht im Regelfall weitere Gebühren. Auf jeden Fall erhalten Sie mit der Erstberatung durch einen Rechtsanwalt eine erste Orientierung. Sie wissen dann relativ gut, welche Rechte und Pflichten mit Ihrer Scheidung verbunden sind, was Sie tun und unterlassen sollten.

Beispiel im Familienrecht

Sie hatten vor der Eheschließung einen Ehevertrag abgeschlossen. Sie fühlen sich aber in Ihren Rechten benachteiligt. Wenn Sie den Ehevertrag dem Anwalt vorlegen, kann der Anwalt bei einem überschlägigen Studium eine Aussage darüber treffen, ob der Ehevertrag inhaltlich Bestand hat oder ob Aussichten bestehen, den Vertrag anzufechten. Der Anwalt wird mit dieser ersten Einschätzung aber nicht abschließend beurteilen können, ob eine Anfechtung tatsächlich zum Erfolg führt. Dazu bedarf es unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung einer weitergehenden Prüfung, die sich im Rahmen der Erstberatung nicht leisten lässt.

In welcher Form werden Ersteinschätzungen angeboten?

Telefonische Beratung: Sie werden nicht immer die Zeit haben oder den Weg finden, einen Rechtsanwalt vor Ort in seiner Kanzlei aufzusuchen. Sofern Sie kein Problem damit haben, sich telefonisch auszutauschen, kann das Beratungsgespräch am Telefon eine sinnvolle Option sein.

Beratung per E-Mail: Möchten Sie den direkten Kontakt vermeiden, können Sie sich auch per E-Mail austauschen. Sie müssten Ihr Anliegen schriftlich formulieren und erhalten vom Anwalt eine schriftliche Erstberatung zurück. Der Nachteil ist, dass sich viele Aspekte oft nur im direkten Gespräch ergeben und eine Kommunikation per E-Mail den einen oder anderen Aspekt nicht angemessen berücksichtigt.

Beratung per Videokonferenz: Die modernen Kommunikationsmittel erlauben heutzutage problemlos, sich per Videokonferenz auszutauschen. Sie sprechen so miteinander, als wenn Sie direkt gegenüber säßen. Der Vorteil ist, dass Sie auch Schriftstücke einbeziehen und Sie den Anwalt persönlich in Augenschein nehmen können.

Persönliche Beratung: Bei der persönlichen Beratung suchen Sie den Anwalt in seiner Kanzlei auf. Sie sprechen Auge in Auge miteinander und haben den Vorteil, dass der persönliche Kontakt ein vertrauensvolles vielleicht intensiveres Gespräch ermöglicht, als wenn Sie sich telefonisch unterhalten würden.

Mit Beratungshilfe oder Rechtsschutzversicherung Anwaltsgebühren abdecken

Sind Sie wirtschaftlich bedürftig, haben Sie Anspruch auf Beratungshilfe. Dazu kommt es auf Ihr Einkommen an, von dem eine ganze Reihe von Abzugsmöglichkeiten zu berücksichtigen ist. Dazu besorgen Sie sich bei Ihrem Amtsgericht einen Beratungshilfeschein. Der Anwalt rechnet seine Gebühr dann direkt mit der Gerichtskasse ab. Sie zahlen allenfalls noch einen Eigenanteil von 15 €.

Sind Sie rechtsschutzversichert, besteht kein Anspruch auf Beratungshilfe. Sie sind rechtsschutzversichert, wenn Sie an einen eigenen Rechtschutzversicherung Vertrag haben oder bis zur Scheidung über die Rechtschutzversicherung Ihres Ehepartners familienversichert sind. Die Versicherer übernehmen auch die Kosten für eine anwaltliche Erstberatung in Scheidungsangelegenheiten. Nach den Rechtsschutzbedingungen ist der Versicherer zudem verpflichtet, auch dem familienversicherten Ehepartner eine anwaltliche Erstberatung zu bezahlen. Der Anwalt kann seine Gebühr dann direkt mit der Rechtsschutzversicherung abrechnen.

Wie geht es nach der Ersteinschätzung weiter?

Wurden Sie in einem ersten Beratungsgespräch über Ihre Rechte und Pflichten bei der Scheidung informiert, ist zu überlegen, was der nächste Schritt sein sollte. Wünschen Sie die Scheidung, wird der nächste Schritt im Regelfall darin bestehen, dass Sie den Anwalt beauftragen, Ihren Scheidungsantrag zu formulieren und beim Familiengericht einzureichen.

Praxistipp: Scheidungskosten mit Verfahrenskostenhilfe bezahlen

Verfügen Sie über kein oder ein nur geringes Einkommen, haben Sie wahrscheinlich Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe. Dann übernimmt die Gerichtskasse die Kosten für Ihr Scheidungsverfahren. Sie zahlen entweder überhaupt nichts oder zahlen die von der Gerichtskasse zunächst verauslagten Gebühren ratenweise an die Gerichtskasse zurück.

Ersteinschätzung zu Ihrer Scheidung von iurFRIEND erhalten

Eine anwaltliche Ersteinschätzung oder Erstberatung hilft Ihnen abzuwägen, welche familiären, persönlichen und finanziellen Gegebenheiten für Ihr späteres Scheidungsverfahren eine Rolle spielen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie den Anwalt nicht direkt mit der Scheidung beauftragen und Ihre Situation in aller Ruhe bewerten möchten. Befinden Sie sich gerade in der Orientierungsphase zu Ihrer Scheidung und haben noch keinen Rechtsbeistand, wenden Sie sich gern, auch per Nachricht über unser Kontaktformular, an die iurFRIEND-Kanzlei. Das gleiche gilt übrigens auch, wenn Sie zum Beispiel unverheiratet sind und eine Ersteinschätzung zum Unterhalt benötigen.

Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören. Ganz wichtig: Bevor Sie etwas für unsere Dienste zahlen, sagen wir Ihnen immer vorab darüber Bescheid – Sie brauchen sich bei uns also über nichts Sorgen zu machen!

Foto(s): iurFRIEND

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