Was darf ein Bürgermeister zivilrechtlich? Erläutert am Beispiel eines Schuldbeitritts

  • 3 Minuten Lesezeit

1. Ausgangslage

Gemeinden und Bürgermeister vertreten nicht selten die Rechtsauffassung, aufgrund des kommunalen Selbstverwaltungsrechts (vgl. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) nur eher geringen rechtlichen Bindungen in Ihrem kommunalen Handeln zu unterliegen. Es wird oft nicht berücksichtigt, dass in Randbereiche der kommunalen Selbstverwaltung aber sehr wohl durch Gesetze in gerechtfertigter Weise eingegriffen werden kann.

Das betrifft ganz konkret die Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Aufgabenwahrnehmung etwa beim Abschluss bestimmter zivilrechtlicher Verträge bzw. Erklärungen. Diese besondere kommunalrechtliche Problematik ist selbst in Fachkreisen oftmals gänzlich unbekannt.

2. Beispiel aus der Praxis: Schuldbeitritt einer Gemeinde

Der Bürgermeister einer kleinen baden-württembergischen Gemeinde (3000 Einwohner) meint, aus kommunalpolitischen Gründen einen Schuldbeitritt zu einem privatrechtlichen Vertrag (z. B. einem Mietvertrag) erklären zu müssen, da man den Vertragspartner „unterstützen“ müsse und tut dies auch, ohne Beteiligung dritter Stellen. Der Bürgermeister meint, das dürfe er ja wohl, ohne jemanden fragen zu müssen. 

3. Rechtliche Würdigung

Gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 GemO darf die Gemeinde Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben übernehmen. Gemäß § 88 Abs. 2 Satz 2 GemO bedürfen die Rechtsgeschäfte der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde, wenn sie nicht im Rahmen der laufenden Verwaltung abgeschlossen werden. 

Gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 GemO gilt Abs. 2 entsprechend für Rechtsgeschäfte, die den in Abs. 2 genannten Rechtsgeschäften wirtschaftlich gleichkommen, insbesondere für die Zustimmung zu Rechtsgeschäften Dritter, aus denen der Gemeinde in künftigen Haushaltsjahren Verpflichtungen zur finanziellen Leistungen erwachsen können.

a) Genehmigungsbedürftigkeit eines Schuldbeitritts durch die Rechtsaufsichtsbehörde

Der Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB), die Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB), als auch die Schuldübernahme nach § 414 ff. BGB bzw. der Schuldbeitritt (§ 414 BGB analog) fallen sämtlich unter die „wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäfte“ und damit unter § 88 Abs. 3 GemO und sind damit durch die Rechtsaufsichtsbehörde (vgl. § 118 GemO) genehmigungsbedürftig.

b) regelmäßig kein Geschäft der laufenden Verwaltung bei kleinen Gemeinden

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 13 GemO ist der Beschluss über die Übernahme von Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen und der Abschluss der ihnen wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäfte dem Gemeinderat vorbehalten, soweit diese Rechtsgeschäfte für die Gemeinde von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind. Angesichts des Risikos aus Bürgschaften und Gewährverträgen (wie auch der sonstigen Geschäfte) wird folglich der Kreis der unter die „laufenden Aufgabenerfüllung fallenden Geschäfte“ sehr eng zu ziehen sein (vgl. Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 88 Rn. 21 GemO). 

Geschäfte der laufenden Verwaltung sind nur solche, die für die Gemeinde weder von grundsätzlicher Bedeutung sind noch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt haben und die mehr oder weniger regelmäßig wiederkehren (BGH, Urteil vom 16.11.1978 – III ZR 81/77; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 06. Juli 2001 – 8 S 716/01). Diese Voraussetzungen werden bei der hier vorliegenden kleinen Gemeinde im Regelfall nicht vorliegen, sodass kein Geschäft der laufenden Verwaltung vorliegt.

4. Rechtsfolge bei versagter Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde: Nichtigkeit!

Gemäß § 117 Abs. 1 GemO sind Geschäfte des bürgerlichen Rechtsverkehrs bis zur Erteilung der nach den Vorschriften des dritten Teils erforderlichen Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde unwirksam. Wird die Genehmigung versagt, sind sie nichtig.

5. Weiteres Problem in der Praxis: Mögliche Pflicht zum Schadensersatz!

Die Gemeinde kann wegen Verschuldens bei Vertragsschluss auf Ersatz des Vertrauensschadens in Anspruch genommen werden, wenn der Vertragspartner – oft aus Unkenntnis – nicht auf das bestehende aufsichtsbehördliche Zustimmungserfordernis nach § 88 GemO i.V.m. 117 GemO hingewiesen wurde. 

Der Vertragspartner wird in der Regel ebenso wie die Gemeinde „aus allen Wolken fallen“, weil er das Zustimmungserfordernis nicht kennen wird.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt und FA f. VerwR Diplom-Verwaltungswirt (FH) Christian Thome

Beiträge zum Thema