Was Sie beim Errichten eines gemeinschaftlichen Testaments in einer Patchworkfamilie beachten sollten (3/4)

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Einiger Sprengstoff verbirgt sich oft hinter Ehegattentestamenten, wenn die Erblasser in einer sogenannten Patchworkfamilie lebten.

Die Erscheinungsformen von Patchworkfamilien

Patchworkfamilien gibt es in den folgenden Konstellationen:

- Beide Ehepartner haben Kinder aus vorigen Verbindungen (sogenannte einseitige Kinder), aber keine gemeinsamen Kinder.

- Beide Ehepartner haben einseitige Kinder und mindestens ein gemeinsames Kind.

- Nur ein Ehepartner hat einseitige Kinder und beide haben mindestens ein gemeinsames Kind.

- Nur ein Ehepartner hat einseitige Kinder, gemeinsame Kinder haben sie nicht.

Diese unterschiedlichen Konstellationen bringen unterschiedliche gesetzliche Erbfolgen hervor, die dann gelten, wenn es kein oder kein gültiges Testament gibt. Wollen die Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament machen, dann werfen die unterschiedlichen familiären Konstellationen auch unterschiedliche Fragen bei den Erbeinsetzungen auf.

Die Erbeinsetzungen

In komplizierteren familiären Konstellationen ist es unabdingbar, dass beide Ehepartner sich darüber Gedanken machen,

  • wohin ihr jeweiliges Vermögen nach dem Tod fließen soll,
  • wie die einzelnen einseitigen und gemeinsamen Kinder bedacht werden sollen,
  • insbesondere welches Kind nach welchem Elternteil zu welchem Anteil erben soll,
  • ob alle einseitigen und gemeinsamen Kinder gleichbehandelt
  • oder einseitige Kinder ausgeschlossen
  • oder einseitige Kinder bevorzugt werden sollen.

Ein „Patentrezept“ für gemeinschaftliche Testamente in der Patchworkfamilie gibt es nicht, denn die Konstellationen und damit auch die jeweiligen Interessenlagen sind zu vielfältig.

Es ist in jedem Fall sehr wichtig, dass

  • genaue Verfügungen für den jeweiligen Erbfall getroffen werden
  • und dass dabei auch genau verfügt wird, welche Kinder (bitte unter voller Namensnennung!) wie bedacht werden sollen. Gerade bei einer zu allgemeinen Bezeichnung „der Kinder“ oder „unserer Kinder“ hat es für das eine oder andere (einseitige) Kind vor Gericht schon unschöne Überraschungen gegeben.

Hilfreich für ein besseres Verständnis des gemeinschaftlichen Testamentes ist es, wenn die Ehepartner sich zusammensetzen und – als Präambel zu ihrem Testament! – notieren, was sie auf jeden Fall mit ihren Verfügungen bezwecken und was auf gar keinen Fall gewollt ist.

Beispiele, wie ungenaue Bezeichnungen der Kinder ausgelegt wurden

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte in letzter Zeit folgende Sachverhalte zu verhandeln:

1. „Die Kinder“ und der Bezug zum Haushalt der Erblasser

„Testieren Ehegatten in einer Patchwork-Familie dergestalt, dass sie „die Kinder“ zu ihren Schlusserben einsetzen, dann sind damit nur diejenigen Kinder der Ehegatten gemeint, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung mit den Testatoren in einem gemeinsamen Haushalt lebten.“

(Die einseitige Tochter des Ehemannes hatte zu ihrem Vater keinen Kontakt mehr; infolge der gerichtlichen Auslegung galt sie als enterbt)

Beschluss v. 25.11.2020, 3 Wx 198/20, BeckRS 2020, 34593

2. „Unsere Kinder“ und der allgemeine Sprachgebrauch in der Familie

„Bezeichnen die Eheleute nur die gemeinsamen Kinder im täglichen Sprachgebrauch als „unsere Kinder“ und die Kinder aus den vorigen Ehen als die Kinder des jeweiligen Ehepartners, so sind nur die gemeinsamen Kinder als Erben eingesetzt.“

Beschluss v. 28.08.2018, 3 Wx 6/18, BeckRS 2018, 26334

Enterbungen

Sprengstoff verbirgt sich auch oft in den sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln, und zwar vor allem, wenn Ehegatten und Kinder in einer Patchworkfamilie leben. Dies zeigt folgender Fall:

Ehemann M hat eine Tochter T(M) aus erster Ehe und Ehefrau F hat eine Tochter T(F) aus erster Ehe; gemeinsame Kinder haben sie nicht. In ihrem gemeinschaftlichen Testament verfügen sie:

„Wir, die Eheleute M und F, setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Erben des Längerlebenden von uns werden unsere Töchter zu gleichen Teilen. Wer von unseren Töchtern ihren Pflichtteil nach dem Erstversterbenden von uns geltend macht, soll nach dem Tod des Letztversterbenden auch nur ihren Pflichtteil bekommen.“

Fehler Nr. 1: T(M) ist die Tochter von M und T(F) ist die Tochter von F. Durch die Heirat der Eltern wird weder T(M) die Tochter der F noch wird T(F) die Tochter des M – jedenfalls nicht ohne eine jeweilige Adoption.

Fehler Nr. 2: Stiefkinder sind nicht pflichtteilsberechtigt nach ihren Stiefeltern! Verstirbt der M zuerst, dann kann allenfalls die T(M) nach ihm ihren Pflichtteil geltend machen, und umgekehrt die T(F) nach dem Tod ihrer Mutter. Die Pflichtteilsstrafklausel ist also unsinnig formuliert. Das OLG Celle legte eine ähnliche Klausel dahin aus, dass  dasjenige Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangte, nach dem Tod des Stiefelternteils nur ein (Geld-) Vermächtnis bekommen sollte in Höhe des fiktiven Pflichtteils

(Beschluss v. 12.11.2009, 6 W 142/09, FamRZ 2010, 1012 ff).


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