Welche Rechte haben Minderheitsgesellschafter im Gesellschafterstreit? Teil 2

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Teil 2: Mit dieser Geheimwaffe setzen sich Minderheitsgesellschafter erfolgreich zur Wehr


von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann*

Im ersten Teil habe ich erläutert, welche gesetzlichen Rechte ein Minderheitsgesellschafter im Gesellschafterstreit mit einem Mehrheitsgesellschafter zustehen.

Ein besonderes Augenmerk möchte ich im 2. Teil auf die Sonderprüfung legen, welche in der Praxis eine immer größere Rolle spielt und sich als das effektivste Mittel im Gesellschafterkonflikt bewehrt.


1. Was ist eine Sonderprüfung?

Das Recht zur Bestellung eines Sonderprüfers ergibt sich aus § 46 Nr. 6 GmbH. Danach gehört es zum Aufgabenkreis der GmbH-Gesellschafter, über die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung zu bestimmen. Der Beschluss zur Durchführung einer Sonderprüfung wird durch die Gesellschaftsversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst.

Zum Sonderprüfer kann dabei nur eine fachkundige und neutrale Person oder Prüfungsgesellschaft bestellt werden. Der Sonderprüfer wird i.d.R. vom initiierenden Gesellschafter vorgeschlagen.

2. Welche Rechte hat ein Sonderprüfer?

Der Sonderprüfer ist berechtigt und verpflichtet, sich sämtliche für den Prüfungsumfang erforderlichen Informationen zu beschaffen. Dazu hat er einen Auskunftsanspruch sowohl gegen Organmitglieder der GmbH als auch gegen Mitarbeiter. Das geht insoweit über das Informationsrecht der Gesellschafter hinaus.

Die Geltendmachung des Ersatzanspruchs durch den besonderen Vertreter umfasst dessen Durchsetzung auf gerichtlichem und auf außergerichtlichem Weg (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1980 - II ZR 140/79, ZIP 1981, 178, 179 f.). Dem besonderen Vertreter obliegt auch die Prüfung der Prozessaussichten unter prozessökonomischen Gesichtspunkten. Die Vertreterbestellung soll die dem Schutz der Gesellschafter dienende Anspruchsverfolgung nach § 147 Abs. 1 AktG (analog) gegen Interessen- und Loyalitätskonflikte der Geschäftsführung (und ggf. der Bei- oder Aufsichtsräte) absichern und verhindern, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft auf Grund einer Befangenheit der Mitglieder der Verwaltungsorgane nicht oder nicht mit Nachdruck durchgesetzt werden. Der Umfang des Mandats des besonderen Vertreters und die Reichweite seiner Vertretungsmacht ergeben sich aus dem Geltendmachungsbeschluss gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG analog. Bei Streitigkeiten über Vergütungsansprüche des vom besonderen Vertreter mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen beauftragten Rechtsanwalts vertritt der besondere Vertreter jedenfalls dann die Gesellschaft. Das gilt zumindest solange, bis das Verfahren über die Geltendmachung der Ersatzansprüche durch den besonderen Vertreter abgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2022 - II ZR 181/21).

3. Wer trägt die Kosten der Sonderprüfung?

Die Kosten des Sonderprüfers trägt die Gesellschaft, während der Gesellschafter bei Ausübung seines Informationsrechts seine Kosten (und die seiner Berater) selbst tragen muss. Diese Vorteile einer Sonderprüfung gegenüber dem Informationsrecht des Gesellschafters sind in Streitigkeiten aus Sicht der die Prüfung verlangenden Gesellschafter attraktiv.

4. Welche Vorteile hat eine Sonderprüfung?

Die Sonderprüfung ist damit deutlich besser als die Ausübung von Informationsrechten nach § 51 a GmbHG geeignet, finanzielle Benachteiligungen einzelner Gesellschafter oder verdeckte Vermögensverlagerungen auf andere Gesellschafter, die in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gesellschaft stehen, zutage zu fördern.

Auch andere Unregelmäßigkeiten, etwa beim Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, Grundstücken oder sonstigen Vermögensgegenständen an einen Mitgesellschafter, können so aufgedeckt werden.

5. Wann ist eine Sonderprüfung unzulässig?

Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, der auch ein Minderheitsgesellschafter unterliegt, ergibt sich umgekehrt, dass eine Sonderprüfung nicht rechtsmissbräuchlich sein darf, vgl. OLG München vom 14.12.2017 – Az. 23 U 1481/17). Voraussetzung für eine Sonderprüfung ist es, dass

  • der Gesellschafterversammlung ein konkreter, auf Tatsachen gestützter Anlass vorgetragen werde, die den Verdacht einer Pflichtverletzung rechtfertigen und
  • der vorgetragene Anlass die Überprüfung in ihrer konkret beantragten Form als zweckdienlich erscheinen lassen. 

Ob der in Rede stehende Ersatzanspruch tatsächlich besteht, spielt daher für die Frage der wirksamen Beschlussfassung solange keine Rolle, solange die Geltendmachung keinen Rechtsmissbrauch darstellt (so auch ausdrücklich OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2021 – 6 U 87/20 n.r.).

6. Mit welcher Mehrheit wird die Sonderprüfung beschlossen? Wer darf an der Abstimmung teilnehmen?

Von der Abstimmung über die Sonderprüfung sind diejenigen Gesellschafter ausgeschlossen, deren Verhalten als Geschäftsführer zum Gegenstand einer nachträglichen Kontrolle gemacht werden soll, z.B. um spätere Schadensersatzansprüche vorzubereiten. Das gilt insbesondere auch für den GmbH-Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer.

Dieser ist nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG (analog) bei einer Beschlussfassung, durch die maßgeblich mit den Stimmen des betroffenen Gesellschafters eine Sonderprüfung abgelehnt wurde, vom Stimmrecht ausgeschlossen. Dies hat nun das OLG Brandenburg (Urt. vom 18. Mai 2022 - 7 U 89/21) ausdrücklich festgehalten. Nach Auffassung des Gerichtes liege es nahe, dass der betroffene Gesellschafter sein Anliegen, das eigene Ansehen zu schützen und ein Haftungsrisiko zu vermeiden, bei dieser Abstimmung nicht unberücksichtigt lasse.

7. Wie weit reicht der Ausschluss des Stimmrechts?

Mit der Mehrheit, mit der die Versammlung die Bestellung des besonderen Vertreters beschließt können auch Maßnahmen wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts sowie der Verzicht, der Abschluss eines Vergleichs oder die Klagerücknahme beschlossen werden. Daher fällt auch die Abberufung des Besonderen Vertreters hierunter (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2021 – 6 U 87/20 n.r.).

Fazit: Gerade Minderheitsgesellschafter scheuen sich oftmals vor dem Hintergrund der scheinbar klaren Mehrheitsverhältnisse Maßnahmen und Handlungen der Geschäftsführung offen anzusprechen. Mit einer Sonderprüfung kann ein Minderheitsgesellschafter nunmehr aber diese Maßnahmen einer rechtlichen Prüfung unterziehen. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Tatsache, dass bereits die Androhung einer Sonderprüfung, sofern es hierfür berechtigten Anlass gibt, den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer zum Einlenken bewegen kann. Gerade qualifizierte Sonderprüfer, die über Kompetenzen in der Streitschlichtung verfügen, können in der Praxis dazu beitragen entsprechende Gesellschafterkonflikte frühzeitig zu lösen.


* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Der Beitrag spiegelt auch seine persönlichen Erfahrungen als Sonderprüfer in Gesellschafterkonflikten wieder.


Über #LFR Wirtschaftsanwälte

LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner bei Wirtschaftskonflikten aller Art, insbesondere im Gesellschaftsrecht. Wir verfügen seit über 20 Jahren über umfangreiche Expertise in allen typischen Formen der Gesellschafterkonflikte, insbesondere Auseinandersetzungen in Familien- und Freiberuflergesellschaften, bei Startups und VC-finanzierten Gesellschaften, bei Personengesellschaften, AGs, Vereinen, Stiftungen, bei Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen (M&A-Dispute) oder Unternehmensnachfolge, bei der Verteidigung von (ehemaligen) Gesellschaftern, Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichts- und Beiräten gegen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern oder Firmenkäufern, bei der Abberufung, Bestellung und Durchsetzung von Geschäftsführern, Vorständen und geschäftsführenden Gesellschaftern.

Foto(s): https://unsplash.com/photos/XN4T2PVUUgk

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