WENN DER HERD ZUM BRANDHERD WIRD

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Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen hat sich mit der häufigen und sehr relevanten Frage der (grob) fahrlässigen Verursachung von Brandschäden beschäftigt. Im vorliegenden Fall ging es um einen Brandschaden, verursacht durch eine versehentlich eingeschaltete Herdplatte. Mit Urteil vom 12.05.2022 (Az: 3 U 37/21) entschied es, dass bei dem Ausschalten des Herdes unmittelbar vor Verlassen des Hauses und ohne Sicht auf die Bedienelemente eine Pflicht besteht zu überprüfen, dass alle Herdplatten aus sind. Unterbleibt diese sogenannte Nachschau, ist ein Fall der groben Fahrlässigkeit gegeben, der zur Leistungskürzung führen kann.

Worum geht es?

Die Klägerin und die beklagte Versicherung verbindet ein Versicherungsverhältnis im Hinblick auf das Wohngebäude der Klägerin. Auch Brandschäden sind von der Versicherung grundsätzlich umfasst. In den Versicherungsbedingungen ist unter anderem geregelt, dass der Versicherer bei grob fahrlässiger Verursachung eines Schadens die Leistungspflicht kürzen kann. Dies soll in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis geschehen. Diese Regelung ist der Vorschrift des § 81 Abs. 2 VVG nachgebildet.

Am 01.02.2020 kam es zu einem Küchenbrand in dem Wohnhaus der Klägerin. Ursache war, dass die Klägerin „blind“ eine Herdplatte ausschalten wollte, dabei aber ein anderes Feld betätigte und dieses auf höchster Stufe erhitzt wurde. Kurz danach verließ die Klägerin das Gebäude.

Die Beklagte regulierte den Schaden zu 75 %. Die restlichen 25 % verweigerte sie mit Verweis auf eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin bei der Brandverursachung. Diese restlichen 25 % machte die Klägerin nun vor Gericht geltend.

Entscheidung des Landgerichts

In erster Instanz wurde der Klage noch stattgegeben. Das Landgericht Bremen war der Ansicht, dass die Klägerin wegen der fehlenden Nachschau zwar fahrlässig, nicht aber grob fahrlässig gehandelt hatte. Mit dem vermeintlichen Ausschalten der einen Herdplatte sei der strengen Sorgfaltsmaßstäben unterliegende Kochvorgang aus Sicht der Klägerin beendet gewesen. Es handele sich nicht um einen klassischen „Herdplattenfall“, bei welchem während des Kochvorgangs das Koch- oder Bratgut zurückgelassen wird.

Ansicht des Berufungsgerichts

Das OLG als Berufungsgericht teilte diese Auffassung jedoch nicht. Die Klägerin habe mit dem Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe und dem anschließenden Verlassen des Hauses objektiv sorgfaltswidrig gehandelt. Dies sei auch ein erheblicher Verstoß gewesen, der grobe Fahrlässigkeit begründen könne.

Zudem sei der Klägerin auch in subjektiver Hinsicht ein besonderes Maß an Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen. Die Klägerin glaubte hier zwar, mit dem Betätigen des Herdes alle Kochfelder ausgeschaltet zu haben. Darauf hätte sie sich jedoch nicht verlassen dürfen. Hätte sie den Herd mit Sichtkontakt bedient, wäre ihr aufgefallen, dass sie ein Feld an-, nicht ausgeschaltet hat. Bei der Bedienung eines Herdes ohne Sichtkontakt und anschließendem Verlassen des Hauses hätte sie sich aufgrund der Gefährlichkeit eines im Betrieb befindlichen Herdes jedoch vergewissern müssen, dass dieser tatsächlich aus ist. Eine solche Nachschau wäre ihr auch ohne größeren (Zeit-)Aufwand möglich gewesen.

Kein Augenblicksversagen

Auch sei bei diesem Verhalten kein sogenanntes Augenblicksversagen feststellbar. Von einem Augenblicksversagen spricht man, „wenn ein an sich objektiv besonders schwerwiegender Sorgfaltsverstoß auf einer kurzzeitigen bzw. einmaligen und unbewussten Unaufmerksamkeit beruht und zusätzliche Umstände hinzukommen, die das momentane Versagen in einem milderen Licht erscheinen lassen“. Bei dem hier zu beurteilenden Geschehen fehlten jedoch Anhaltspunkte für solch zusätzliche Umstände, wie etwa Eile/Unaufmerksamkeit wegen einer Notsituation.

Auch keine Routinehandlung im Sinne der Rechtsprechung

Nach Ansicht des OLG ist auch die Rechtsprechung zu sogenannten Routinehandlungen nicht anwendbar. Dabei geht es um die dauernde Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, die ständig Konzentration erfordert. Bei solchen Tätigkeiten kann nach der Rechtsprechung ein einmaliger „Ausrutscher“ keine grobe Fahrlässigkeit darstellen, da ein solcher jedem unterlaufen kann. Jedoch müssen auch hier weitere Umstände hinzutreten, die den Grund des subjektiven Sorgfaltsverstoßes erkennen und in milderem Licht erscheinen lassen.

Die Bedienung eines Herdes stellt nach Ansicht des OLG jedoch schon keine routinemäßig ausgeübte Dauertätigkeit dar, die ständige Aufmerksamkeit erfordert. Auch eine Ablenkung der Klägerin durch weitere Umstände sei nicht erkennbar. Das Abstellen des Herdes direkt vor dem Verlassen des Hauses stelle vielmehr eine besondere Situation dar.

Das OLG erachtete die Kürzung der Versicherungsleistung um 25 % aus diesen Gründen für angemessen. Das Urteil des LG Bremen wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.

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