Veröffentlicht von:

Wenn der Jagdhund auf der Strecke bleibt - Wertermittlung für einen getöteten Jagdhund, § 823 BGB

  • 9 Minuten Lesezeit

Herbstliche Höhepunkte der Jagd sind nicht nur etwa die Hirschbrunft oder das ziehende Federwild sondern für so manchen Jäger auch die anstehenden (revierübergreifenden) Gesellschaftsjagden, bei der sich Grünröcke und ihre vierbeinigen Begleiter gemeinsam ihrer Passion hingeben und das Wild in einer punktuellen Drucksituation schwerpunktmäßig bejagen und wo zumeist noch bis weit hinter dem Verblasen der Strecke beim Schüsseltreiben das gemeinsame Jagderlebnis ausklingt und der Geselligkeit unter Gleichgesinnten gefrönt wird.

Die Gefahren der Gesellschaftsjagd, insbesondere bei laufender (Mais-)Ernte, sind zumeist allen Teilnehmern sattsam bekannt und werden oftmals routinemäßig durch den jeweiligen Revierinhaber und Jagdausrichter bei dem morgendlichen Zusammenkommen vor Jagdbeginn runtergespult. Die Jagdteilnehmer werden nicht nur belehrt, welches Wild am Jagdtag freigegeben ist und wer welchem Stand zugewiesen wurde, sondern insbesondere auch zur allgemeinen Vor- und Umsicht angehalten.

Und doch kommt es Jahr für Jahr immer wieder, gerade bei Gesellschaftsjagden zu Jagdschäden, welche zumeist auf ein zumindest fahrlässiges Handeln von Schützen, dem Außerachtlassen der gebotenen Vorsicht beim Umgang mit Waffen und oftmals der Missachtung von jagdrechtlichen Unfallverhütungsvorschriften ihren Ausgangspunkt haben.

Neben Personenschäden gibt es hierbei wohl nichts ärgerlicheres, wenn ein Jagdgast oder Treiber nach Ende der Jagd feststellen muss, dass in den zahlreichen Schüssen nicht nur etwa das freigegebene Schwarzwild sondern auch der eigene Jagdgebrauchshund gefallen ist. Diese schwierige Situation sowohl für den Schützen als auch den Hundeeigentümer führt im Nachgang der Jagd in nicht seltenen Fällen auch zu rechtlichen Auseinandersetzungen, spätestens dann, wenn die Jagdhaftversicherung des Schützen eine Schadensregulierung dem Grunde nach als auch der Höhe nach ablehnt. Gerade im letzten Punkt herrschen zwischen Versicherung und Jäger oftmals unterschiedliche Ansichten, sieht die Versicherung nur den aktuellen Gebrauchswert, der Hundeeigentümer zumeist auch einen persönlichen Verlust eines Jagdkameraden, die Vielzahl der investierten Stunden und Kilometer in der Ausbildung des Jagdgebrauchshundes und möglicherweise auch einen entgangenen Gewinn, sofern der Hund als Zuchttier zugelassen war.

In der Praxis sind dabei zumeist zwei Szenarien denkbar, die so oder ähnlich Jahr für Jahr immer wieder zu vernehmen sind:

In dem ersten Fall wird der Schütze, möglicherweise ein unerfahrener oder unsicherer (Jung-)Jäger, möglicherweise auch ein Kamerad mit besonders leichten Finger am Abzug, auf einen Ansitz gesetzt, von dem aus mitunter nur ein sehr begrenztes Schussfeld zur Verfügung steht, etwa die Drückjagdgasse in einem Maisfeld. Wird nun das Wild durch die Treiber und Hunde in Bewegung gebracht, wird der Schütze hochkonzentriert das ein oder andere Stück flüchtend oder ziehend in der Gasse wahrnehmen können, wobei gerade das Schwarzwild oftmals so schnell wechselt, dass der Schütze noch nicht einmal seine Waffe in Anschlag gebracht hat, wenn dieser nicht mit einem Wechsel rechnete. Wer kennt das nicht, stundenlanges Warten und dann wird der eine Moment zum möglichen Schuss verpasst? Hört nun der Schütze, voll angespannt, bereits Geräusche und nimmt eine Bewegung im (Mais-)Feld war, steht dieser bereits wartend im Anschlag und hält auf den bekannten Wildwechsel im Feld an, um für die nur wenigen Sekunden des Wechsels gefasst zu sein und das Stück Schwarzwild dieses Mal auf keinen Fall zu verpassen. Doch wie schnell hat sich der Schuss auf der Waffe gelöst, sobald das Tier nur die erste Nasenspitze aus der Bepflanzung regt, und wird erst einen Bruchteil hiernach erkannt, dass sich nicht der borstige Körper einer Sau sondern die orangene Teflonweste eine Schweißhundes aus der Dickung schält und das Tier sauber im Schuss erliegt!

In dem zweiten Fall hört der Schütze zumeist Hundegebell, möglicherweise sogar Klagelaute dicht an seinem Stand. Entgegen der mitunter ausdrücklichen Anweisung des Jagdleiters wird der Jagdsitz verlassen und sich dem gestellten Wild und damit auch den Jagdgebrauchshunden noch während der laufenden Gesellschaftsjagd genähert. Wird nunmehr durch den Jäger nicht die Blankwaffe sondern die Büchse zum Erlegen des (angeschweißten und unruhigen) Wildes eingesetzt, so wird hierbei nicht selten auch einer der das Stück Wild umkreisenden Jagdhunde seinen treuen Einsatz mit dem Leben bezahlen, wenn etwa Kugeln das Stück Wild durchdringen oder Splitter bei Knochenschüssen ungünstig abgelenkt werden.

Gerade mit letzterem Fall und damit auch mit der Begutachtung des Wertes eines getöteten Jagdhundes hatte sich jüngst das LG Erfurt mit Urt. v. 24.06.2015 (Az. 3 O 996/13) zu befassen.

Dabei ist die Entscheidung weniger aufgrund des Tatbestandes als vielmehr aufgrund des dem Hundeeigentümer zugesprochenen Schadensersatzes und damit auch der Bestätigung der durch den JGHV vorgenommenen Bewertungen von Jagdhunden hervorzuheben, konnte der Hundeeigentümer und Kläger für seinen 3-jährigen Hund der Rasse Schwarzwildbracke gegen dem Schützen und dessen Versicherung einen Schadensbetrag aus § 823 BGB in Höhe von insgesamt 11.464,58 € (Gebrauchswert: 5.076,20 €; Zuchtwert: 6.388,38 €) zuzüglich der Rechtsverfolgungskosten und der (außergerichtlichen) Sachverständigenkosten erstreiten und im vollen Umfange obsiegen.

Auch in diesem Fall war ein Schütze (Beklagter) von seinem Drückjagdbock gestiegen und Hunden mit Standlaut zur Hilfe geeilt, obwohl nach Anordnung des Jagdleiters nur der Hundeführer selbst zum Verlassen seines Standorts während der Jagd berechtigt sein sollte. Der Beklagte nahm sodann das angegangene Wildschwein mehrfach ins Visier und traf hierbei auch den verunfallten Hund glatt auf die Stirn. Hierbei verteidigte sich der Beklagte mit der strittigen Behauptung, das krankgeschossene „Wildschwein sei ihn (den Beklagten) kerzengerade angegangen.“ Dieser sei hierbei „in der Rückwärtsbewegung gestolpert und rücklings auf den Hosenboden gefallen. Noch auf dem Boden sitzend habe er sodann aus einer Entfernung von ca. 3m auf das Wildschwein einen Schuss abgegeben. Nach diesem 1. Schuss (Anm.: der am linken Vorderlauf eingeschlagen sei und möglicherweise auch den Hund abgeirrt getroffen habe) habe ihm das Wildschwein bereits auf dem Schoß gesessen und begonnen, nach ihm zu schnappen. Deswegen habe er noch einen weiteren Schuss auf das Brustbein des Wildschweins abgegeben, welches augenblicklich verendet sei.“

Der Schütze stellte sich nunmehr auf den Standpunkt, dass ihn am Tod des Hundes kein Verschulden treffe, eine Behauptung, die außergerichtlich zumindest seine eigene Jagdhaftpflichtversicherung überzeugen konnte, da diese eine Haftung dem Grunde nach nicht erkennen vermochte und daher eine Schadensregulierung auch ablehnte.

Hierbei wurde durch den Kläger außergerichtlich aus § 823 Abs. 1 BGB wegen zumindest fahrlässiger Sachschädigung neben den aufgewendeten Sachverständigenkosten in Höhe von 150 € und den eigenen Anwaltskosten lediglich eine Summe von 7.540 € gefordert, welche der Schütze zugleich als der Höhe nach nicht gerechtfertigt zurückwies.

In dem hiernach angestrengten gerichtlichen Verfahren gegen den Schützen (und dessen Versicherung als Streitverkündete) kam ein ersten Sachverständigengutachten zu einem nunmehrigen Gesamtwert des Hundes von 11.460 €, so dass das Gutachten umgehend vom Beklagten zurückgewiesen und ein weiteres Obergutachten beantragt wurde. Auch der zweite Gutachter des JGHV kam unter Zugrundelegung einer anderen Berechnungsmethode jedoch zu einem beinahe identischen Wert von 11.469,16 €.

Hierbei wandte der Beklagte ein, dass die pauschalen Wertansätze der Gutachter nicht nachvollziehbar seien und die Berechnungen daher fehlerhaft wären. Dem folgte das Gericht nicht, welches in den Urteilsgründen hierzu folgendes ausführt: „Die Sachverständigen haben sich mit allen relevanten Umständen auseinandergesetzt, diese gewichtet und bewertet und dabei die einzelnen Wertarten (Grundwert, Jagdwert, Zuchtwert, Gebrauchswert) nachvollziehbar dargestellt. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Sachverständigen in der Art und Weise der Begutachtung keine stringenten gesetzlich vorgegebenen Bedingungen unterliegen, sondern die Prinzipien der Begutachtung selbst nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmen.“ und „Der Kläger hat einen Anspruch auf Wiederherstellung der Vermögenslage vor dem schädigenden Ereignis. Neben der Naturalrestitution kommt insbesondere bei Nutztieren oder Gebrauchstieren der Gedanke des entgangenen Gewinns zum Tragen. Insbesondere erachtet das Gericht eine Schätzung des Schadens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage diverser Gutachten sowie durch Bewertung der einzelnen wertbildenden Faktoren für zulässig und angezeigt.“

Hierzu wurde durch einen Sachverständigen aufgrund der Kritik des Beklagtenvertreters an der Berechnung bereits zuvor im Verfahren nochmals klarstellend ausgeführt und letztlich auch durch das Obergutachten bestätigt:

„Alle Sachverständigen für das Jagdgebrauchshundewesen müssen sich entsprechend fortbilden und richten dazu jährliche Fortbildungsveranstaltungen aus. Dort wird u.a. einheitlich festgelegt, welche Werte für abgelegte Prüfungen, Formbewertungen und Leistungen bei zu erstellenden Gutachten zugrunde gelegt werden müssen.“

Dem folgte nunmehr auch das Gericht, welches in dem Tod des Jagdhundes durch den Schützen nicht nur eine fahrlässige Pflichtverletzung des Eigentums des Klägers sah, sondern dem Beklagten den Tod des Hundes auch schuldhaft zurechnete, weil dieser unter Verletzung der in der konkreten Situation gebotenen Sorgfalt vermeidbar und zurechenbar war. Gerade in dem Verletzen von Jagdregeln, den Verlassen des Drückjagdbockes wurde die Schuldhaftigkeit gesehen. Mit der hiernach erfolgten Schussabgabe (zur Eigenverteidigung) war der mögliche tödliche Treffer auch objektiv vorhersehbar und vermeidbar, wobei sich der Schütze auch nicht auf einen verschuldeten Notstand (§ 228 BGB) oder einen verschuldensunabhängigen Notstand (§ 904 BGB) berufen konnte, da auch hiernach eine Entschädigungspflicht für die Eigentumsverletzung gegeben wäre.

Mit diesem wegweisenden Urteil in Bezug auf die Ermittlung des Zucht- und Gebrauchswertes von Jagdgebrauchshunden dürfte nunmehr die Bewertung und die dieser zugrunde gelegte Methode durch Sachverständige für das Jagdgebrauchshundewesen (JGHV) zugunsten der betroffenen Hundeeigentümer auch gerichtlich Halt finden, so dass in solchen Fällen Betroffenen geraten werden muss, auch außergerichtlich auf einen Gutachter des JGHV (eine Liste der Sachverständigen für das Jagdgebrauchshundewesen ist auf der Internetseite des JGHV zum Download verfügbar) zurückzugreifen, zumal die Gutachterkosten als weitere Schadensposition durch den Gegner zu erstatten sind.

Die Wertfestsetzung durch Sachverständige für das Jagdgebrauchshundewesen (JGHV) wird hierbei in verschiedenen Teilabschnitten vorgenommen.

(1) Zunächst ist, legt man das gerichtliche Obergutachten und die darin verwendete Methode zur Wertermittlung zu Grunde, ein Grundwert für den getöteten Jagdhund zu bilden, in welchen neben dem Welpenwert und den Anschaffungskosten auch Aufzuchtkosten (Futterkosten, veterinärmedizinische Versorgung, materieller Aufzuchtverschleiß etwa für Hundeleine etc., Aufzuchtmühe) einzubeziehen sind.

(2) Hinzu tritt der Gebrauchswert oder Jagdwert des Hundes, der im Wesentlichen davon abhängen wird, welche Prüfungen der Hund mit welchen Ergebnissen abgelegt hat. Zugleich sind auch Kosten der Werterhaltung und Wertsteigerung zu berücksichtigen.

(3) Als weiterer wertbildender Faktor tritt zugleich der Zuchtwert hinzu. Dieser ist mit dem Gewinn gleichzusetzen, welcher ein Züchter nach Abzug aller Kosten für seine Zuchtbemühungen übrig behält und bestimmt sich nach der Anzahl der möglichen Würfe und der hierbei fiktiv anzusetzenden durchschnittlichen Welpenzahl, multipliziert mit dem Verkaufspreis pro Tier.

Abzuziehen von diesem hiernach errechneten Wert sind sodann die Abgaben an den Zuchtverein und die Aufzuchtkosten.

(4) Zugleich sind am Ende bei der Wertbestimmung des Jagdhundes, sofern ersichtlich, Wertminderungen zu berücksichtigen, die sich insbesondere durch körperliche oder gesundheitliche Einschränkungen ergeben können und zumeist altersbedingte Erscheinungen sind.

Unter diesen Voraussetzungen ist es Besitzern von Jagdhunden nicht nur zur raten, eine eigne Haftpflichtversicherung zu unterhalten, welche auch Schäden am eigenen Hund abdeckt sondern von Beginn an zu den Kosten der Hundeanschaffung und Ausbildung, insbesondere zu den Ausbildungszeiten und gefahrenen Kilometern, Buch zu führen, um im Schadensfall den tatsächlichen Schaden auch konkret darlegen zu können und nicht auf oftmals niedrigere Schätzwerte des Gutachters bei der Schadensbestimmung nach §§ 823, 249 f. BGB angewiesen zu sein.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Maik Hieke

Beiträge zum Thema