Widerruf von Coaching- und Mentoring-Verträgen

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In den letzten Jahren - insbesondere während des coronabedingten Lockdowns - nahm das Angebot von Dienstleistungen über das Internet drastisch zu. Zu diesen Dienstleistungen zählen auch sogenannte Coachings/Mentorings. Die Inhalte dieser Coachings/Mentorings können vielfältig sein: von Online-Marketing bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung ist alles vertreten. Die Kunden sind jedoch nur selten mit der angebotenen Dienstleistung zufrieden, insbesondere auch deshalb, weil die Coachings/Mentorings häufig mehrere tausend Euro kosten, aber letztlich nicht das halten, was sie versprechen. Versuche der Kunden, sich vom Vertrag zu lösen, werden von den Anbietern meist konsequent abgeblockt. Die Anbieter bedienen sich dabei verschiedenster „Tricks“, um die Rechte der Verbraucher auszuschließen. Diese „Tricks“ sind jedoch in den meisten Fällen nicht rechtswirksam.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen erläutern, wie Sie derartige Coaching- bzw Mentoring-Verträge widerrufen können und welche „Tricks“ die Anbieter anwenden, um Sie glauben zu lassen, dass Ihnen ein solches Widerrufsrecht nicht zusteht.


1. Verzicht auf das Widerrufsrecht

Der häufigste Trick der Anbieter ist, dass Sie den Kunden beim Kauf des Coachings/Mentorings bestätigen lassen, dass er auf sein Widerrufsrecht verzichtet. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in § 356 Abs. 5 BGB. Dort heißt es sinngemäß, dass bei Verträgen über die Bereitstellung von digitalen Inhalten das Widerrufsrecht erlischt, wenn der Verbraucher zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Vertragsausführung beginnt und er seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er dadurch sein Widerrufsrecht verliert. Der Verbraucher muss dies auf der Bestellseite des Coachings/Mentorings deshalb meistens über eine „Checkbox“ bestätigen. Will er den Vertrag später widerrufen, beruft sich der Anbieter dann auf diesen Widerrufsverzicht. Doch der Verzicht ist in den meisten Fällen unwirksam.

a) Kein digitales Produkt nach § 356 Abs. 5 BGB

Dass der Verzicht unwirksam ist, liegt bereits daran, dass es sich bei einem Coaching/Mentoring nicht um ein digitales Produkt i.S. des § 356 Abs. 5 BGB handelt. Denn ein Coaching/Mentoring ist grundsätzlich eine Dienstleistung, die dem Kunden Kenntnisse und Fähigkeiten durch einen Lehrenden vermitteln soll. Zwar werden dem Kunden bei den meisten Coachings/Mentorings Lern-Videos und ähnliches über eine Online-Plattform zur Verfügung gestellt. Diese Videos sind auch digitale Inhalte. Allerdings bedient sich der Dienstleister dieser Videos nur, um seine eigentliche vertragliche Verpflichtung – das Coaching/Mentoring – zu erfüllen. Das Coaching/Mentoring selbst ist deshalb kein digitales Produkt.

Einfach gesagt: Wenn ich mir den Zugang zu einer Universitätsvorlesung kaufen würde, dann würde ich nicht die PowerPoint-Präsentation des Dozenten kaufen, sondern den Unterricht als Dienstleistung an sich. Nur weil der Dozent sich einer PowerPoint-Präsentation bedient, ist die Vorlesung kein digitales Produkt.

b) Keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung

Außerdem ist für den wirksamen Verzicht auf das Widerrufsrecht erforderlich, dass der Unternehmer den Verbraucher zuvor ordnungsgemäß über das Bestehen des Widerrufsrechts belehrt hat. Diese Anforderung erfüllen die meisten Bestellseiten der Coaching-/Mentoring-Anbieter jedoch nicht. Häufig befindet sich die Widerrufsbelehrung nämlich versteckt in den AGB. Diese AGB sind auf der Bestellseite nur durch einen anklickbaren Link im Kleingedruckten am Ende der Seite aufrufbar. Innerhalb der AGB muss der Verbraucher die Widerrufsbelehrung dann erst noch suchen. Das ist auch deshalb schwierig, weil in den AGB zumeist eine Vielzahl von verschiedenen Widerrufsbelehrungen für verschiedene Produkte enthalten sind. Der Verbraucher kann so nicht erkennen, welche Widerrufsbelehrung für seine Bestellung gilt.

„Erforderlich ist eine klare und verständliche Darstellung der Informationen über das Widerrufsrechtauf der Webseite. Dazu gehört, dass der Verbraucher ohne weiteres erkennen kann, dass und wo ihm die Widerrufsbelehrung zuteil wird. Es genügt nicht, dass der Käufer mit mehr oder weniger Fantasie in der Lage ist, auf der Internetseite hierüber Näheres in Erfahrung zu bringen. Diesen Zweck kann ein Link nur erfüllen, wenn seine Kennzeichnung bereits erkennen lässt, dass      Informationen über ein Widerrufsrecht aufgerufen werden können; eine Verlinkung mit den AGB ist nicht ausreichend.“

(vgl. LG Berlin, Urteil vom 20.10.2015 - 103 O 80/15)

Seit einer Gesetzesänderung ist der Unternehmer nach § 356 Abs. 5 Nr. 2 c) BGB nunmehr außerdem verpflichtet, dem Verbraucher vor dem Widerrufsverzicht eine Bestätigung gem. § 312f BGB zur Verfügung zu stellen. Eine solche (Vertrags-)Bestätigung muss u.a. auch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthalten.

c) Widerrufsfrist

Ist der Widerrufsverzicht somit unwirksam, kann der Vertrag weiterhin widerrufen werden. Die Widerrufsfrist beträgt dann grundsätzlich 14 Tage ab Vertragsschluss.

Hat der Unternehmer den Verbraucher jedoch nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf bis zu 12 Monate und 14 Tage gem. § 356 Abs. 3 BGB.

Häufig sind die Coaching-/Mentoring-Verträge deshalb auch nach der grundsätzlich geltenden 14-Tages-Frist noch widerrufbar.


2. Der Verbraucher als Unternehmer?

Ein anderer Trick der Coaching-/Mentoring-Anbieter ist, dass sich in den AGB des Anbieters eine Klausel befindet, nach der Verträge nur mit Unternehmern und nicht mit Verbrauchern abgeschlossen werden. Die Idee dahinter: Ein Widerrufsrecht steht nur Verbrauchern zu. Ein Unternehmer hat ein solches Widerrufsrecht bei derartigen Verträgen grundsätzlich nicht. Mit dieser Klausel schließt der Coaching-/Mentoring-Anbieter das Widerrufsrecht des Kunden faktisch aus, ohne ihm dies zuvor ausdrücklich mitzuteilen. Doch ist das zulässig?

Unternehmer ist nach § 14 BGB, wer bei Abschluss des Vertrages in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit handelt. Das bedeutet, dass es sich bei der Unternehmereigenschaft um etwas Tatsächliches handelt, das für jedes Rechtsgeschäft gesondert zu prüfen ist. Die Unternehmereigenschaft kann deshalb grundsätzlich nicht durch eine Klausel in den AGB fingiert werden. Eine solche Klausel ist für den Verbraucher überraschend und daher unwirksam, § 305c Abs. 1 BGB.

Die Frage ist also, ob Sie beim Abschluss des Coaching-/Mentoring-Vertrages in Ausübung Ihrer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit gehandelt haben. Die meisten Personen, die einen solchen Vertrag abschließen, beabsichtigen mit dem durch das Coaching/Mentoring vermittelte Wissen Umsatz zu generieren. Viele Anbieter von Coachings/Mentorings werben ausdrücklich damit, dass man innerhalb von nur wenigen Monaten vierstellige Umsätze generieren wird. Dies begründet jedoch für sich noch keine Unternehmereigenschaft. Denn das Coaching/Mentoring dient nur zur Vorbereitung einer unternehmerischen Tätigkeit. Es soll Ihnen das notwendige Know-How vermitteln, um womöglich tatsächlich einmal unternehmerisch tätig zu werden. Den Coaching-/Mentoring-Vertrag selbst schließen Sie aber als Verbraucher ab, weil das Coaching/Mentoring nicht zur regelmäßigen Finanzierung Ihres Lebensunterhaltes dient.


3. Haben Sie Fragen?

Im Ergebnis haben die meisten Personen, die einen derartigen Coaching-/Mentoring-Vertrag abgeschlossen haben deshalb ein Widerrufsrecht. Dieser Widerruf kann teilweise sogar noch bis zu ein Jahr nach Vertragsschluss erklärt werden.

Haben Sie Fragen zu Ihrem Coaching-/Mentoring-Vertrag? Wollen Sie wissen, ob Ihnen ein Widerrufsrecht zusteht und ob Sie den Vertrag zum jetzigen Zeitpunkt noch widerrufen können? Dann kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung. Wir überprüfen Ihre Ansprüche und Erfolgsaussichten gegenüber dem Anbieter, widerrufen den Vertrag für Sie und fordern den Anbieter zur Rückzahlung der von Ihnen geleisteten Zahlungen auf.

Wollen Sie Ihren Vertrag selbst widerrufen? Dann finden Sie im Folgenden ein Muster-Widerrufsformular, das Sie dem Anbieter des Coachings/Mentorings per E-Mail oder per Post (zu Beweiszwecken am Besten per Einschreiben) übersenden können:


An [Name, Anschrift und E-Mail-Adresse des Anbieters]:

Hiermit widerrufe ich den von mir abgeschlossenen Vertrag über die Erbringung der folgenden Dienstleistung:

[Name des Coachings/Mentorings; Kundennummer; Bestellnummer; Produkt-ID]


Bestellt am [Datum]

[Ihr Name]

[Ihre Anschrift]

[Ihre Unterschrift] (nur bei Mitteilung auf Papier)

[Datum]


4. Sittenwidrigkeit und Wucher?

Manche Coaching-/Mentoring-Verträge sind außerdem auch sittenwidrig und deshalb nichtig! Mehr dazu finden Sie hier.

Foto(s): https://pixabay.com/de/illustrations/pr%c3%bcfung-mwst-inspektion-3929140/ ©Adobe Stock/Flamingo Images

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