Widerrufsbelehrung - EuGH Urteil - Verträge prüfen! Unsicherheiten vermeiden - Handwerksleistungen kostenlos?

  • 5 Minuten Lesezeit

Nicht selten bereuen Verbraucher bereits geschlossene Verträge. Hierzu kann es insbesondere kommen, wenn diese Verträge außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, denn Verbraucher werden in diesen Fällen häufig psychisch unter Druck gesetzt und überrascht. 


Aufgrund der Gefahr von so genannten Überrumpelungssituationen hat der europäische Gesetzgeber schon vor vielen Jahren einen europaweiten Standard für den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen geschaffen. Verbraucher sollen mit dem Widerrufsrecht vor einer spontanen Entscheidung geschützt werden. So weit, so gut.


Das Widerrufsrecht außerhalb von klassischen Kauf- und Darlehensverträgen ist Verbrauchern in vielen Fällen nicht bewusst, denn Unternehmen belehren oft gar nicht oder nur falsch über das Widerrufsrecht. Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell nicht im persönlichen Vertragsschluss betreiben, sind jedoch dazu verpflichtet, Verbraucher über ihr Widerrufsrecht zu belehren, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht. Erfolgt keine Belehrung über ihr Widerrufsrecht, so erlischt das Widerrufsrecht nicht schon nach 14 Tagen sondern erst nach einem Jahr und 14 Tagen.


Das schafft Rechtsunsicherheiten und ist riskant. Denn schriftliche Verträge werden ja genau deshalb gemacht, um Klarheit und Sicherheit im Ablauf eines Vertrages zu regeln. 


Neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs 


Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob der Verbraucher Wertersatz zahlen muss, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, seine Dienstleistung vollständig erbracht hat und der Verbraucher erst nach Abschluss des Vertrags den Vertrag widerruft.


Dem Urteil des EuGH lag zugrunde, dass ein Verbraucher mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses schloss. Das Unternehmen führte die Arbeiten am Haus des Verbrauchers aus und stellte ihm sodann eine Rechnung aus. Diese Rechnung beglich der Verbraucher nicht. Stattdessen widerrief er den Vertrag. Das Unternehmen verklagte den Verbraucher auf die Vergütung. Das Landgericht Essen fragte sich nunmehr, ob das Unternehmen immerhin Wertersatz für bereits erbrachte Dienstleistungen erhalten könne.


Mit seinem Urteil vom 17.05.2023 hat der EuGH in der Rechtssache C-97/22 nun entschieden, dass Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreit sind, wenn der Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat.


Das kann im Extremfall bedeuten, dass der Kunde des Unternehmens die Leistung aus dem Vertrag kostenlos bekommt und auch das Ergebnis der Arbeiten behalten darf.


In seinem Urteil stellt der EuGH klar:


Dieser Art. 14 Abs. 3 ist jedoch in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2011/83 zu lesen. Daraus ergibt sich, dass der Verbraucher – wenn der betreffende Unternehmer es unterlassen hat, ihm, bevor er sich durch einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag bindet, die Informationen gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h oder j dieser Richtlinie über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über die Verpflichtung zur Zahlung des in Art. 14 Abs. 3 genannten Betrags bereitzustellen – nicht für die Dienstleistungen aufzukommen hat, die während der Widerrufsfrist ganz oder teilweise an ihn erbracht werden. Außerdem führt das Versäumnis, die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h genannten Informationen bereitzustellen, gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie dazu, dass sich die Widerrufsfrist um zwölf Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist verlängert.“


Im Ergebnis hält der EuGH dann fest:


Hat der betreffende Unternehmer es unterlassen, einem Verbraucher diese Information bereitzustellen, muss dieser Unternehmer somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags während der Widerrufsfrist, die dem Verbraucher nach Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie zur Verfügung steht, entstanden sind.


Rechtsunsicherheit bei unklaren Widerrufsbelehrungen - Handwerksleistungen kostenlos?


Diese Entscheidung des EuGH ist  zunächst auf den ersten Blick erfreulich und stärkt den Verbraucherschutz innerhalb der Europäischen Union nochmals. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die deutsche Rechtsprechung dieses Urteil interpretiert und in die deutsche Rechtsordnung einbringt. Was zunächst durch den EuGH gut für Verbraucher klingt, muss nicht das letzte Wort aus rechtlicher Sicht sein.


Wenn beispielsweise ein Handwerksbetrieb in einem erheblichen wirtschaftlichen Ausmaß mit Materialeinsatz bei einem Verbraucher mit Werkleistungen in Vorlage geht, dann würde hier ein erheblicher Nachteil für den Betrieb drohen. Hier besteht Bedarf für Finetuning. 


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Kim Oliver Klevenhagen, geschäftsführender Gründungspartner der Rechtsanwaltskanzlei AdvoAdvice aus Berlin hat bereits zahlreiche Verträge in der Vergangenheit geprüft und dabei geholfen, die Ansprüche von Betroffenen durchzusetzen und im Rahmen von Vertragsgestaltungen sichere Abläufe zu schaffen.


Anders als oft geglaubt wird, steht Verbrauchern nicht nur bei Käufen über das Internet ein Widerrufsrecht zu. Dies zeigt auch die Entscheidung des EuGH, in der es um Elektroinstallationsarbeiten am Haus ging. Heutzutage können die meisten Verträge, die nicht im Geschäft des Vertragspartners abgeschlossen werden, widerrufen werden. Auch wenn Sie bereits Zahlungen geleistet haben, können Sie diese nach einem Widerruf zurückverlangen.


Viele Widerrufsbelehrungen sind zudem fehlerhaft. Auch dann ist die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage verlängert. Auch bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen steht den Unternehmen kein Vergütungsanspruch zu.


Wer einen Vertrag über das Internet, das Telefon oder persönlich außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen hat, sollte daher durch einen geeigneten Rechtsanwalt prüfen lassen, ob der Vertrag widerrufen werden kann und ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist. 

Aber auch Firmen, die seit Jahren eine ggf. sogar ungeprüft eine von Dritter Seite übernommene Widerrufsbelehrung  benutzen, sollten gewarnt sein. Häufig sind die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft und berechtigen die Vertragspartner zum Lösen von Verträgen, was im Einzelfall sehr teuer oder wirtschaftlich erheblich nachteilhaft sein kann.

Lassen Sie jetzt Ihre Verträge prüfen!


Wir freuen uns auf Ihre unverbindliche Kontaktaufnahme zum Überprüfen Ihrer Verträge. Dann können wir gemeinsam entscheiden, ob und wie die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe erfolgsversprechend und wirtschaftlich sinnvoll wäre.


Wenden Sie sich auch gerne per E-Mail an uns oder rufen Sie einfach an. Sie erreichen unsere Kanzlei montags bis freitags von 9.00 bis 13.00 Uhr und von 14.00 bis 17.00 Uhr.

Foto(s): pixabay.com


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Kim Oliver Klevenhagen

Beiträge zum Thema