Wie kann der hinterbliebene Ehegatte abgesichert werden, ohne ihn zu knebeln?

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I. Einleitung

Niemand ist davor geschützt, dass er nicht plötzlich durch einen Unfall oder im Verlauf einer Erkrankung längere Zeit oder sogar für immer seine Angelegenheiten nicht mehr selbstständig erledigen sowie eigenständige Entscheidungen treffen kann. Es sollten daher im Voraus die Weichen gestellt werden. Es ist daher unerlässlich, sich bereits heute über eine Vorsorgeregelung und eine wirtschaftliche Absicherung des Ehegatten über den eigenen Tod hinaus oder im Falle der Geschäftsunfähigkeit Gedanken zu machen. Es werden dazu im Folgenden die verschiedenen gesetzlichen Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt, die vor dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit getroffen werden können.

II. Geschäftsunfähigkeit

Bei der Geschäftsfähigkeit handelt es sich um die Fähigkeit, eine rechtlich verbindliche Willenserklärung abzugeben, welche z.B. für einen wirksamen Vertragsschluss notwendig ist. Geschäftsunfähig ist, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Insoweit ist der Betroffene nicht mehr in der Lage seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Für diesen Fall wurden in den letzten Jahren mit der Vorsorgevollmacht, der Patientenverfügung und der Betreuungsverfügung juristische Instrumente geschaffen, die den Menschen für die Zeit schwerer Erkrankungen, bei Unfällen oder altersbedingter Hilflosigkeit die Möglichkeit geben sollen, die Verwaltung und die Sorge für ihr Vermögen einem Vertrauten zu übertragen, die Art und den Umfang der ärztlichen Behandlung selber zu bestimmen und die wünschenswerten Einzelheiten einer vielleicht erforderlichen Betreuung zu ordnen.

1) Vorsorgevollmacht

Für den Fall der eigenen alters- oder krankheitsbedingten Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit wird dem Betroffenen durch eine Vorsorgevollmacht die Möglichkeit gegebenen, eine Vertrauensperson zu bevollmächtigen, die stellvertretend für ihn als Vollmachtgeber handelt. Eine Vorsorgevollmacht kann ihrem Inhalt nach sachlich auf bestimmte Bereiche beschränkt werden (Gesundheitssorge oder Vermögensvorsorge) oder aber auf alle Bereiche des Lebens ausgedehnt (Generalvollmacht). In den überwiegenden Fällen wird der Ehepartner als Bevollmächtigter bestimmt, wodurch die Gefahr ausgeräumt wird, dass das Betreuungsgericht im Falle der Handlungsfähigkeit einen Betreuer einsetzt, der zu dem Betroffenen und seinem sozialen Umfeld bisher keinen Kontakt hatte.

2) Patientenverfügung

Neben der Vorsorgevollmacht kann der Betroffene für den Fall der Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit in einer schriftlichen Patientenverfügung festhalten, ob und wie er später ärztlich behandelt werden will. Hieran sind die behandelnden Ärzte sowie die Bevollmächtigten und Betreuer gebunden, als dass sie den Willen des Betroffenen befolgen müssen, sofern die Festlegungen in der Patientenverfügung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entsprechen. Sollte eine Patientenverfügung nicht getroffen worden sein oder die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation nicht abdecken, können der Bevollmächtigte oder der gesetzliche Betreuer unter Beachtung des mutmaßlichen Patientenwillens entscheiden, ob sie im Einzelnen in eine ärztliche Behandlung einwilligen. Sollte der Ehegatte keine Patientenverfügungen getroffen haben und seinen Ehepartner weder bevollmächtigt noch als Betreuer bestimmt haben, darf dieser im Ernstfall keinerlei Entscheidungen für seinen handlungsunfähigen Ehegatten treffen.

3) Betreuungsverfügung

Dem Betroffenen wird auch in einer Betreuungsverfügung die Möglichkeit gegebenen, dass er auf die spätere Auswahl des Betreuers Einfluss nehmen kann. Er kann eine Person bestimmen, die das Betreuungsgericht als seinen Betreuer einsetzen muss, sofern es seinem Wohl nicht zuwiderläuft.

III. Testierunfähigkeit

Die Testierfähigkeit als Unterfall der Geschäftsfähigkeit bildet die Voraussetzung für die Errichtung eines wirksamen Testaments. Testierunfähig ist nach dem Gesetz derjenige, der wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

1) Gemeinschaftliches Testament

Ehegatten können ein privatschriftliches oder notarielles gemeinschaftliches Testament mit dem Ziel der gegenseitigen wirtschaftlichen Absicherung des Hinterbliebenen errichten. Diese wirtschaftliche Absicherung des hinterbliebenen Ehegatten wird meist in der Form eines klassischen „Berliner Testaments“ erreicht, wobei bei der Errichtung zwei Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.

Nach der sog. Einheitslösung setzen sich die Ehegatten zu wechselseitigen unbeschränkten Vollerben ein. Durch diese Regelung wird der hinterbliebene Ehegatte abgesichert, denn die Kinder der Eheleute werden erst nach dem Tod des Längstlebenden Schlusserben. Pflichtteilsansprüchen der Kinder kann im Fall des Erstversterbenden mit Pflichtteilsstrafklauseln begegnet werden.

Nach der sogenannten Trennungslösung wird der hinterbliebene Ehegatte zum Vorerben und deren Kinder zu Nacherben eingesetzt. Gegenüber der Einheitslösung erbt der Vorerbe zwar auch den gesamten Nachlass, ist aber im Gegensatz zum Vollerben in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Er kann mit dem ererbten Vermögen nicht nach Belieben verfahren, unter anderem ist seine Verfügungsmacht im Hinblick auf Grundstücke eingeschränkt.

Neben diesen beiden Lösungen kann der hinterbliebene Ehegatte auch als Vermächtnisnehmer eingesetzt werden. Eine wirtschaftliche Absicherung kann durch das sog. Nießbrauchvermächtnis erreicht werden, wonach die Kinder der Eheleute als Erben im gemeinschaftlichen Testament eingesetzt werden und der hinterbliebene Ehegatte im Rahmen des Vermächtnisses einen lebenslangen Nießbrauch erhält.

2) Knebelungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments

Durch die Gestaltungsmöglichkeiten des gemeinschaftlichen Testaments im Einzelfall kann zwar eine wirtschaftliche Absicherung des hinterbliebenen Ehegatten erreicht werden. Viele Eheleute vergessen jedoch, welche Bindungswirkungen von einem gemeinschaftlichen Testament ausgehen können. Sofern sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig bedenken und anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein kann, spricht man von Wechselbezüglichkeit. Diese Wechselbezüglichkeit führt dazu, dass das gemeinschaftliche Testament nur zu Lebzeiten der Eheleute unter erschwerten Bedingungen widerrufen werden kann. Nach dem Tod des Ehegatten ist der hinterbliebene Ehegatte an die gegenseitige Verfügung gebunden. Diese Bindung führt zwar auf der einen Seite zu einem Vertrauensschutz der Eheleute über den Tod hinaus, kann aber auf der anderen Seite den hinterbliebenen Ehegatten stark belasten. Um eine Knebelung des hinterbliebenen Ehegatten zu vermeiden und ihm die Möglichkeit einer situationsbedingten Änderung des Testaments zu erlauben, muss formaljuristisch eine Abänderungsmöglichkeit testiert werden. Dem Hinterbliebenen wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, anderweitig zu testieren oder nur bestimmte Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament zu ändern.

Fazit:

Entscheidend ist also, dass man in guten Tagen Vorsorge für die Eventualität der persönlichen Geschäftsunfähigkeit oder Hilfsbedürftigkeit tritt.

Erfahrungsgemäß lebt es sich leichter, wenn die Sorge „was passiert während meiner Geschäftsunfähigkeit bzw. Hilfsbedürftigkeit oder nach meinem Ableben“ bestens und zur eigenen Zufriedenheit geregelt ist. Steuerliche Aspekte sind beim gemeinschaftlichen Testament ebenfalls zu berücksichtigen, um die Freibeträge optimal ausnutzen zu können.


Foto(s): www.erbrecht-stiftungsrecht.de

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