Wie schnell kann ich geschieden werden?

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Diese Frage stellen mir nahezu alle Mandanten, wenn sie den Auftrag erteilen, ihre Scheidungsangelegenheiten zu regeln. Die ehrliche Antwort des Anwalts muss lauten, dass er dazu keine sichere Aussage treffen kann.  

Es kommt auf die individuelle Sachlage der Ehegatten an.

Wie lange es dauert, bis ein Scheidungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, hängt von vielen Faktoren ab. Jede Ehe hat ihre individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechend unterschiedlich kann und wird eine Scheidung ablaufen.

Einen Scheidungsantrag durch einen Anwalt einreichen zu lassen, ohne dass vorher ausführlich über alle Angelegenheiten gesprochen wird, die im Zusammenhang mit einer Scheidung zu regeln sind, macht keinen Sinn. Das Familienrecht sieht vor, dass eine Scheidung nur dann ausgesprochen werden soll, wenn alle Folgesachen geklärt sind. Hierzu gehören z.B. Unterhaltsfragen oder Zugewinnausgleich.

Der Anwalt klärt mit seinem Mandanten ab, welcher Regelungsbedarf überhaupt besteht und bespricht mit ihm, welche Möglichkeiten sich anbieten, mit dem Ehegatten eine Einigung zu erzielen. Je nach Situation bieten sich außergerichtliche Lösungen an und die Ehegatten treffen mit Hilfe der anwaltlichen Vertreter einvernehmliche Regelungen und schließen entweder beim Notar oder auch im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine Scheidungsvereinbarung.

Das Scheidungsverfahren an sich ist nicht sehr kompliziert.

In der Regel findet auf eine Scheidung deutsches Recht Anwendung. Dies gilt nach den Regeln des internationalen Familienrechts auch in vielen Fällen bei Ehegatten, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, wenn sie dauerhaft in Deutschland leben. Welche Ausnahmen es hiervon gibt, weiß ihr Anwalt und bespricht mit Ihnen die Sachlage.

Allgemein bekannt dürfte sein, dass nach deutschem Recht die Eheleute mindestens seit einem Jahr getrennt leben müssen, also keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr führen, damit die Voraussetzungen für eine Scheidung überhaupt vorliegen. Der Ausnahmefall einer Härtefallscheidung ohne Einhaltung des Trennungsjahres kommt in der Praxis kaum vor.

Zusammen mit dem Scheidungsverfahren findet in der Regel der Versorgungsausgleich statt. Es handelt sich dabei um den Ausgleich der Rentenansprüche für die Ehezeit. Der Versorgungsausgleich wird von Amts wegen geführt. Das Gericht leitet das Verfahren zum Versorgungsausgleich nur dann nicht ein, wenn die Ehegatten eine rechtlich verbindliche Regelung getroffen haben, bei der der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurde. Die Regelung muss in notarieller Form getroffen werden. Entweder hatten die Ehegatten bei Beginn der Ehe dies bereits in einem Ehevertrag geregelt oder sie regeln es im Zuge der Trennung in einer Trennungs- und Scheidungsvereinbarung.

Ob und wann ein Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht werden soll, richtet sich nach der persönlichen Situation des Mandanten. Die Einleitung des Scheidungsverfahrens hat zur Folge, dass Stichtage gesetzt werden, die je nach Interessenlage relevant für das Vermögen, die Rente oder andere Aspekte sind. Oftmals ist es aus taktischen Erwägungen sinnvoll, den Zeitpunkt des Scheidungsantrages genau zu bestimmen.

Steht fest, dass der Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht werden soll, dann erleichtert es die Vorbereitung, wenn alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, also z.B. die Heiratsurkunde, ggf. in Übersetzung zur Verfügung steht. Mit Einreichung eines Scheidungsantrages verlangt die Staatskasse einen Vorschuss auf die Gerichtskosten und üblicherweise fällt ein Vorschuss für den Anwalt an. Das Scheidungsverfahren wird erst mit Zustellung des Scheidungsantrages an den anderen Ehegatten rechtshängig. Je zügiger die Gerichtskosten einbezahlt werden, desto schneller wird der Scheidungsantrag auch zugestellt und damit das Verfahren in Gang gesetzt.  

Der Versorgungsausgleich und Verbundverfahren haben maßgeblichen Einfluss auf die Dauer des Scheidungsverfahrens. 

Findet ein Versorgungsausgleich statt, so erfordert dies die Mitwirkung der Ehegatten. Das Gericht holt von den Rententrägern Informationen über die in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften ein und benötigt die Auskünfte der Ehegatten. Wie schnell oder auch langsam die Abläufe hierbei sind bestimmt, wie lange es dauert, bis das Gericht eine Entscheidung über die Scheidung fällen kann. Erst wenn auch der Versorgungsausgleich spruchreif ist, kann die Scheidung ausgesprochen werden.

Auf anwaltlicher Ebene kann meistens nicht viel Einfluss darauf genommen werden, wie schnell ein Gericht ein Verfahren bearbeitet. Es kann nur darauf hingewirkt werden, dass Informationen und Unterlagen zügig beigebracht werden.

Der Anwalt kennt in der Regel die Arbeitsweise des örtlichen Familiengerichts und kann auch in etwa einschätzen, wie lange es dauert, bis Ihre Scheidung abgeschlossen ist. Wie meine Erfahrung zeigt, vergehen bei unkomplizierten Scheidungen mit Durchführung des Versorgungsausgleiches zwischen Einreichung der Scheidung und dem Scheidungstermin in der Regel sechs bis neun Monate. Ausnahmefälle, wie erkrankte Richter oder überlastete Geschäftsstellen bei Gericht, sind zum Glück nicht sehr häufig.

Nicht unerwähnt darf bleiben, dass sich Scheidungsverfahren mitunter über viele Jahre hinziehen können. Einigen sich Ehegatten über ihre Scheidungsangelegenheiten nicht außergerichtlich, so bleibt nur der Weg, Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Üblicherweise erfolgt dies im Rahmen eines Scheidungsverbundes. Die Scheidung und Folgesachen wie ein Zugewinnverfahren oder das Verfahren über den Ehegattenunterhalt werden zu einem großen Verfahren verbunden mit der Folge, dass die Scheidung erst ausgesprochen werden kann, wenn die so genannten Folgesachen auch entscheidungsreif sind. Je nach Interessenlage können Verbundverfahren aus taktischen Gründen genutzt werden, ein Scheidungsverfahren in die Länge zu ziehen.

Eine Scheidung bedarf einer offenen und ehrlichen Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant. Als Anwalt sollte man zurückhaltend sein mit Versprechen oder Zusagen über die Dauer und den Verlauf eines Scheidungsverfahrens, weil das Verfahren sich unter Umständen anders entwickelt als zu Beginn des Mandats noch vorhersehbar war. Meine Devise ist, von Anfang an alle rechtlichen Aspekte anzusprechen, die sich im Laufe des Scheidungsverfahrens ergeben könnten. Man darf nicht vergessen: Eine Scheidung ist keine einseitige Angelegenheit, sondern hängt immer von dem Zusammenspiel mit dem anderen Ehegatten und dessen anwaltlichen Vertreter ab.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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