Wie schütze ich meine Geschäftsgeheimnisse richtig?

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Warum innovative Unternehmen unbedingt dieses Gerichtsurteil kennen und beachten müssen

 

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht Dr. Ulrich Rösch

Deutschlands Industrie lebt bekanntlich von Ihrer Innovationskraft. Innovative Ideen müssen nicht nur entwickelt, sondern auch vor unlauterer Nachahmung geschützt werden. Das gilt insbesondere für Geschäftsgeheimnisse. Wer diese nicht ordentlich schützt, gibt sie preis und kann nach einer Entscheidung deren Geheimhaltung dauerhaft nicht mehr durchsetzen

Bisher existieren zu dem am 26.04.2019 in Kraft getretenen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) nur wenige Urteile. Umso spannender ist das Urteil des OLG Hamm vom 15.09.2020, Az. 4 U 177/19 in dem das Gericht grundlegende Ausführungen zum GeschGehG macht. Kernaussage ist, dass ein Unterlassungsanspruch nach § 6 GeschGehG nur geltend gemacht werden kann, wenn angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 b GeschGehG getroffen wurden.

Worum es ging: Mitarbeiter nimmt kopierte Konstruktionsunterlagen mit

Gegenstand des Verfahrens war ein Streit zweier Wettbewerber hinsichtlich einer Produktnachahmung im Bereich des Maschinenbaus. Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches seit Jahrzehnten Maschinen im Bereich des Gleisbaus herstellt und international führend ist. Die im Jahr 2012 gegründete Beklagte bietet ebenfalls Maschinen in diesem Bereich an. Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagten sind zwei ehemalige leitende Angestellte der Klägerin. Die Klägerin behauptete, dass die Beklagte eine von ihr entwickelte Maschine nachgebaut habe. Der Geschäftsführer des Beklagtenunternehmens habe Konstruktionszeichnungen für wesentliche Bauteile in unrechtmäßiger Weise erlangt, indem er vertrauliche Entwicklungsunterlagen rechtswidrig vervielfältigt und mitgenommen habe bzw. sich die entsprechenden E-Mail-Schreiben an seinen privaten E-Mail-Account habe weiterleiten lassen.

Dementsprechend machte die Klägerin Unterlassungsansprüche hinsichtlich der Vermarktung und des Verkaufs der Maschine geltend.

Wie das Gericht entschied: Wer Firmendaten kopiert, die nicht hinreichend geschützt sind, begeht keine Pflichtverletzung

Wie schon die erste Instanz verneinte auch das OLG Hamm einen Unterlassungsanspruch nach dem GeschGehG (vgl. § 6 GeschGehG), da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass die von dem GeschGehG gestellten Anforderungen ausreichend in ihrem Unternehmen umgesetzt wurden. Das OLG Hamm betonte, dass der Schutz nach dem GeschGehG voraussetzt, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen vom Inhaber des Geschäftsgeheimnisses ergriffen wurden.  Bei der Angemessenheit handle es sich um ein flexibles Tatbestandsmerkmal, das sich an der Verhältnismäßigkeit orientiert. Nach dem nur gefällten Urteil ist es also einerseits nicht erforderlich, dass der Unternehmer zum Schutz seiner vertraulichen Informationen die nach den Umständen bestmöglichen und sichersten Maßnahmen ergreift, andererseits kann es zur Wahrung der Angemessenheit nicht genügen, wenn er – vielleicht um hohe Kosten und einen gesteigerten Organisationsaufwand zu vermeiden – lediglich ein Minimum an Schutzvorkehrungen ergreift.

Von besonderer Bedeutung sind die Art und der wirtschaftliche Wert des Geheimnisses. Die Kosten der Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Geschäftsgeheimnisses stehen. Weitere Kriterien sind der Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung, etwaige Schwierigkeiten der Geheimhaltung sowie die konkrete Gefährdungslage. Auch Unternehmensgröße und Leistungsfähigkeit sind nach dem OLG Hamm mit in die Betrachtung einzubeziehen. Von einem weltweit tätigen Unternehmen könnten z.B. finanziell aufwändigere Sicherungsmaßnahmen erwartet werden als von einem Handwerksbetrieb.

Das OLG Hamm kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im konkreten Fall adäquate keine Sicherungsmaßnahmen angewendet hat. Es stellte fest, dass unstreitig mehrfach Zeichnungen der Klägerin von verschiedenen Bauteilen ohne Geheimhaltungsmaßnahmen frei zugänglich gewesen sind. Aus Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus den Fachkreisen der Parteien sei es zwingend erforderlich gewesen, in Anbetracht der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses jedem Hinweis auf eine Umgehung sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zu überarbeiten. Dies wurde von der Klägerin indes nicht ausreichend gemacht.

Bedeutung für die Praxis: Wer weiß, dass seine Geheimnisse nicht sicher sein könnten, muss sofort reagieren!

Das Urteil ist für all diejenigen Unternehmen von Bedeutung, deren Existenz und Marktchancen von ihrem technischen Knowhow abhängen. Das Urteil führt vor Augen, dass Unternehmen nur dann in den Genuss des Schutzes nach dem GeschGehG kommen, wenn sie dessen Anforderungen ernst nehmen und umsetzen. Ein „Weiter-so-wie-bisher“ wird hart ggf. hart bestraft. Für Unternehmen, die dies nicht machen, besteht die Gefahr, technischen Vorsprung zur Konkurrenz zu verlieren und durch Nachbauten oder Nachahmungen Kunden zu verlieren und damit letztlich die Existenz des Unternehmens auf das Spiel zu setzen. 

Achtung: Geschäftsführer und Vorstände, die es unterlassen entsprechende Maßnahmen umzusetzen, verletzen ihre Verpflichtungen aus ihrem Anstellungsvertrag und machen sich Schadensersatzpflichtig.

Unsere Empfehlungen: So schaffen Sie einen angemessenen Geheimhaltungsschutz!

Ergreifen Sie angemessene und taugliche Geheimhaltungsmaßnahmen und dokumentieren diese in einem auf Ihr Unternehmen zugeschnittenen Schutzkonzept. Nur so werden wichtige Dokumente und Firmenwissen als Geschäftsgeheimnis qualifiziert und stehen unter dem Schutz des GeschGehG. 

Gehen Sie hierbei am besten wie folgt vor:

  • Alle vorhandenen geheimen und geschäftlich relevanten Informationen/Knowhow sind zu sammeln.
  • Gesammelte Informationen sind hinsichtlich ihres Wertes zu untersuchen. Hierbei sind insbesondere der finanzielle Wert der Information, die Entwicklungskosten sowie die Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu betrachten.
  • Anschließend bilden Sie verschiedene Wertkategorien, denen Sie die jeweiligen Informationen zuzuordnen.

Kategorie 1:       Kernasset des Unternehmens, ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg, höchste Wertigkeitsstufe.

Kategorie 2:       Wichtig für den Unternehmenserfolg, aber den Kernassets untergeordnet, mittlere Wertigkeitsstufe.

Kategorie 3:       Geheimhaltungsbedürftig, aber nachrangige Position/niedrigste Wertigkeitsstufe.

  • Im nächsten Schritt prüfen Sie das Risiko einer Preisgabe oder Offenlegung und ermitteln den  zur Risikominimierung notwendigen Aufwand. Aufwand der Risikominimierung und Wertigkeit der Information für das Unternehmen sind dabei zueinander in Verhältnis zu setzen, um eine angemessene Maßnahme zu finden.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Erstellung eines auf Ihre Bedürfnisse angepassten Schutzkonzepts.  

Über #LFR Wirtschaftsanwälte

LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner für Unternehmen in alle Fragen des (internationalen) Vertragsrechts, einschließlich Knowhow-Schutzes. Wir verfügen seit über 20 Jahren über umfangreiche Expertise in allen typischen Formen Wirtschaftsverträgen, insbesondere bei Ein- und Verkaufsbedingungen, Supply Chain- und Vertriebsverträge, bei der Durchführung von Risikoanalysen, Vereinbarungen über Qualitätssicherungen sowie der Verhandlung, außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen aus Kaufpreiszahlungen, Mängelbeseitigung und Ersatzlieferungen)

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Foto(s): https://unsplash.com/photos/H0nmXTsrxE0


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