Wirecard: Schadensersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (ehemals Ernst & Young)

  • 4 Minuten Lesezeit

Welche Rolle spielt EY im Wirecard-Skandal?


EY ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das unter anderem in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung und Steuerberatung tätig ist. EY gehört zu den sogenannten „Big Four“, den vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt (neben Deloitte, KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC).


Auch die Wirecard AG zählte zu den Kunden von EY. Über Jahre war die Gesellschaft für die Prüfung der Buchhaltung und der Jahresabschlüsse des ehemaligen DAX-Konzerns zuständig. Durch die Prüfungen sollte sichergestellt werden, dass Investoren, Mitarbeiter oder Kreditgeber auf die erstellten Bilanzen vertrauen konnten. EY hätte durch ihre Arbeit somit verhindern sollen, dass es zu dem Wirecard-Skandal kommen konnte.



Die Vorwürfe gegen EY


Den Wirtschaftsprüfern wird vorgeworfen, Bilanzfälschungen der Wirecard AG übersehen oder gedeckt und fehlerhafte Jahresabschlüsse testiert zu haben. Die Versäumnisse sollen sich vor allem auf die Jahre 2014 bis 2018 konzentriert haben.


Keine ausreichende Prüfung von Umsatzerlösen


Die Bilanzen der Wirecard AG waren an verschiedenen Positionen manipuliert. Dabei wurden u.a. in hohem Ausmaß Umsatzerlöse erfunden, die aus dem Drittpartnergeschäft stammten. Auch die Darstellung des Bestands an liquiden Mitteln wurde manipuliert.


Die Wirecard AG arbeitete zusammen mit Partnerunternehmen in Ländern, in welchen sie keine Lizenz als Zahlungsdienstleister hatte, um Zahlungen abzuwickeln. Bezeichnet wird dies als sogenanntes Drittpartnergeschäft (Third Party Acquiring/ TPA).


Durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY wurde die Verlässlichkeit der Treuhänder und Geschäftspartner, die in Singapur oder auf den Philippinen saßen, im Rahmen der Prüfung jedoch nicht hinterfragt. Insbesondere wurde noch nicht einmal die Echtheit und Existenz von Kontoauszügen von Treuhandkonten bzw. Banksaldenbestätigungen von den TPA-Partnern geprüft.


Bei der Prüfung der Jahresabschlüsse hätte auffallen müssen, dass die Umsatzerlöse aus TPA-Geschäftsbeziehungen unzureichend belegt waren. Weiterhin, dass keine Kontrollen zur Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderungen bei Wirecard vorhanden waren, dass aussagekräftige Finanzdaten zu den TPAs vom Abschlussprüfer nicht recherchiert werden konnten, dass Unstimmigkeiten bei den Unternehmen Al Alam sowie bei PayEasy Solutions Inc., die Anlass zu Nachforschungen gegeben hätten, feststellbar waren und dass fortlaufend Inkonsistenzen in Bezug auf Saldenbestätigungen der Treuhänder (insbesondere für das Jahr 2016) gegeben waren.


Im Rahmen des Drittpartnergeschäfts wurden Umsatzerlöse in erheblichem Maße von Wirecard fingiert. Im Jahr 2020 befanden sich schließlich allein auf den Treuhandkonten 1,9 Mrd. €, die nicht existierten. Diese Summe entsprach einem Viertel der Konzernbilanzsumme.


Keine ausreichende Prüfung trotz öffentlicher Hinweise


Im Zuge der investigativen Recherche der Financial Times wurden ab Anfang 2019 erste Berichte über Vorwürfe der Manipulation bei Wirecard veröffentlicht. Nach Informationen der Zeitung könnte Wirecard zu hohe Umsätze und Gewinne bei Tochtergesellschaften angegeben haben.


EY wird vorgeworfen, dass sie öffentlich geäußerte Vorwürfe gegen die Wirecard AG zumindest bedingt vorsätzlich ignoriert und sich entgegen den ihr bekannten Prüfungsstandards nicht, wie es notwendig und üblich gewesen wäre, in Unterlagen vertieft und ausreichend Einsicht genommen hat.


Zudem kam EY in einer Aktualisierung der Risikoeinstufung trotz der Vorwürfe eines Whistleblowers, der zwischenzeitlich veröffentlichten Zatarra Reports und eines Artikels im Manager Magazin zur Wirecard AG zu dem Ergebnis, dass die Risikoeinschätzung weiter unverändert bei „Moderate“ verbleiben kann.



Sonderprüfung durch KPMG


Der öffentliche Druck auf die Wirecard AG wurde schließlich so groß, dass der Konzern selbst eine zusätzliche Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG initiierte.


KPMG berichtet von Untersuchungshemmnissen. Zur Existenz und zur Höhe von Umsätzen aus dem Drittpartnergeschäft können die Prüfer keine Angaben machen. Für die untersuchten Jahre 2016 bis 2018 können sie weder bestätigen, dass diese Umsätze existieren und korrekt sind, noch dass sie nicht existieren und nicht korrekt sind. 


Damit war der Bericht der Sonderprüfung letztendlich der Auslöser, der zu dem Zusammenbruch und dem Absturz des Aktienkurses führte.



Sanktionen gegen EY wegen Berufspflichtverletzungen


Die staatliche Aufsichtsstelle Apas wirft der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY schwere Versäumnisse in ihrer Arbeit vor. Bei der Prüfung der Abschlüsse des ehemaligen Zahlungsdienstleisters in den Jahren 2016 bis 2018 sehe die Abschlussprüferaufsicht APAS Berufspflichtverletzungen als erwiesen an.


Aus diesem Grund wurden Sanktionen gegen EY verhängt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft muss laut APAS eine Geldbuße von 500.000 Euro zahlen und darf für zwei Jahre keine großen Neumandate (Unternehmen von öffentlichem Interesse) annehmen.


„Rechtskräftig ist die Apas-Entscheidung noch nicht. Die Betroffenen können gegen die Bescheide noch Einspruch einlegen. Dann müsste der fünfköpfige sogenannte "Gemeinsame Ausschuss" unter Vorsitz des Apas-Chefs die Bescheide noch einmal prüfen. Anschließend wäre dann auch noch der Weg durch die gerichtlichen Instanzen offen, bis hin zum Bundesgerichtshof. Es könnte also womöglich noch Jahre dauern, bis eine Strafe wirklich rechtskräftig wird.“, berichtet die Süddeutsche Zeitung am 3. April 2023.



Welche Möglichkeiten gibt es, die Ansprüche gegen EY durchzusetzen?


  1. Das individuelles Klageverfahren


Vor allem für Geschädigte, die über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, könnte sich eine individuelle Klage gegen die Wirtschaftsprüfer lohnen. Selbstverständlich prüfen die Fachanwälte der Kanzlei Bender & Pfitzmann auch diese Möglichkeit und stellen ggf. gebührenfrei eine Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung.


  1. Die Anmeldung zu Sammelklage


EY ist einer der Anspruchsgegner in der Musterfeststellungsklage (Sammelklage). Alle Informationen und Vorteile einer Teilnahme an diesem Verfahren, erhalten Sie in dem aktuellen YouTube Video (siehe unten).



Jetzt spezialisierte Kanzlei einschalten


Die im Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei Bender & Pfitzmann aus Düsseldorf bietet geschädigten Aktionären der Wirecard, eine kostenlose Erstberatung an.


Die Rechtsanwälte Bender & Pfitzmann sind schwerpunktmäßig in den Bereichen Bankrecht, Kapitalmarktrecht und Versicherungsrecht tätig. Als Anlegerschutzkanzlei beraten und vertreten sie bundesweit Anleger und unterstützen bei allen Rechtsfragen im Zusammenhang mit gescheiterten Kapitalanlagen. Die Fachanwälte der Kanzlei Bender & Pfitzmann verfügen über große Erfahrungen und Erfolge im außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehen.


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