Das Desaster um die Wirecard AG: Was hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young testiert?

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I. Die Vorwürfe gegenüber der Wircard AG

Es kam nicht wirklich überraschend: Seit Jahren wird der Wirecard AG vorgeworfen, nicht transparent zu berichten. Spätestens seit den Vorwürfen der Financial Times kam die Wirecard AG nicht mehr zur Ruhe. Die Vorwürfe um Kreislaufzahlungen und Unregelmäßigkeiten in Milliardenumfang konnten auch mit der von der Wirecard beauftragten Sonderprüfung durch KPMG nicht ausgeräumt werden. Ausgangspunkt der Untersuchung von KPMG war die angebliche Erhöhung des Umsatzes durch fiktive Kundenbeziehungen, insbesondere im Dritt-Acquiring mit einem Third Party Acquiring-Partner, Veröffentlichungen im Internet und Vorwürfe zu Buchhaltungsthemen in Singapur. 

II. Das Ergebnis der Sonderprüfung

Das KPMG-Gutachten wurde Ende April veröffentlicht und statt der erhofften Entlastung legte KPMG in seinem Bericht umfangreiche Versäumnisse bei Wirecard offen. Die Wirecard Aktie brach um ca. 40 % ein. KPMG wurden Unterlagen teilweise verspätet oder gar nicht vorgelegt. Insbesondere wurden keine Saldenbestätigungen für Bankguthaben der so genannten Escrow Accounts vorgelegt. Es stand im Raum, dass die Bilanzierung dieser Bankguthaben unrichtig war.

Jetzt ist die Blase geplatzt:

1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten den Kunden als Sicherheit dienen sollten, sind nicht auffindbar. Ein Testat für den Jahresabschluss 2019 wurde von der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY) nicht mehr erteilt. Wirecard hat Strafantrag gegen Unbekannt gestellt und fühlt sich selber als “Opfer gigantischen Ausmaßes”. Wirecard droht nach eigenen Angaben die Kündigung von Krediten in Höhe von 2 Milliarden Euro. Dies dürfte auch für ein DAX-Unternehmen kaum zu verkraften sein, wenn kein Schuldenmoratorium mit den Banken vereinbart werden kann. Der CEO Markus Braun trat zurück und wurde durch James Freis als Interim-CEO ersetzt. Wirecard will nun zusammen mit Houlihan Lokey die Finanzstrategie des Unternehmen neu ausrichten. Die Ratingagentur Moody hat indes Wirecard um 6 Notches herabgestuft.

III. Wie konnte dies geschehen?

Die BaFin ermittelt bereits gegen Wirecard wegen fehlerhafter adhoc-Mitteilungen im Hinblick auf den KPMG-Prüfbericht. Die Ermittlungen sollen nun ausgeweitet werden. 

Doch wird Wirecard als Anspruchsgegner überhaupt noch solvent sein?

Es stellt sich die Frage, wie EY die letzten Testate uneingeschränkt erteilen konnte. Wie konnte es sein, dass die von KPMG festgestellten Defizite den Jahresabschlussprüfern von Ernst & Young (EY) in den Jahren zuvor verborgen geblieben sind?

Wir kommen nach Prüfung der Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die Testate ohne Verstoß gegen die Prüfpflichten eines Wirtschaftsprüfers wohl nicht erteilt werden konnten. Offensichtlich hat EY Guthaben auf Treuhandkonten in Höhe von bis zu 1,9 Mrd. EURO in den vergangenen Jahren beanstandungsfrei testiert, obwohl dafür keine ausreichenden Nachweise vorgelegen haben können, da die betroffenen Banken die Existenz der Konten bestreiten. Nach unserer Analyse entspricht dies nicht dem pflichtgemäßen Vorgehen eines Wirtschaftsprüfers. 

IV. Was können betroffene Anleger tun?

Wir glauben, dass Ernst & Young wirtschaftlich der bessere Anspruchsgegner für geschädigte Anleger ist. Die Zukunft von Wirecard steht in den Sternen. Eine Insolvenz ist in der derzeitigen Lage nicht auszuschließen.  Wer daher Schadensersatz durchsetzen will, sollte sich überlegen, ob er überhaupt noch gegen WIRECARD vorgehen möchte. 

Wir sehen in einem Vorgehen gegen den Wirtschaftsprüfer Ernst & Young die bessere Alternative.  Dieser hat die Jahresabschlüsse der Wirecard jahrelang geprüft und testiert und will erstmals im Juni 2020 auf fehlerhafte Saldenbestätigungen gestoßen sein? Dies ist unseres Erachtens mit den Prüfpflichten eines Wirtschaftsprüfers nicht vereinbar. Der BGH hatte gerade im März diesen Jahres in einem ähnlich gelagerten Fall eine Klage gegen einen Wirtschaftsprüfer wegen fehlerhaft erteilter Testate verurteilt und dem Anleger Schadenersatz zugesprochen.

Eine erste Sammelklage wurde von uns bereits eingereicht. Wenn auch Sie an einer Sammelklage gegen den Wirtschaftsprüfer Ernst & Young interessiert sind, wenden Sie sich gerne uns.

Als Ansprechpartnerin für Ihr weiteres Vorgehen stehen Ihnen gerne Herr Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schirp, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Rechtsanwältin Dr. Susanne Schmidt-Morsbach, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, zur Verfügung.

Die Fachanwälte der Kanzlei Schirp & Partner aus Berlin verfügen aufgrund langjähriger Praxis seit mehr als 25 Jahren über eine umfassende Expertise im Bank- und Kapitalmarktrecht.



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