Wo wird ein Unternehmen verklagt?

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Corporate Litigation: Gerichtsstand, Satzungs- vs. Verwaltungssitz

Immer wenn eine Kapitalgesellschaft verklagt werden soll, stellt sich jeder Kläger die Frage, in welcher Stadt und bei welchem Gericht kann das Unternehmen verklagt werden – und zwar ohne Verzögerungen. Die gleiche Frage stellt sich auch bei der Suche nach dem zuständigen Vollstreckungsgericht. Auf die Suche nach dem örtlich zuständigen Gericht  begeben sich nicht nur Vertragspartner der Gesellschaft, sondern auch die Geschäftsführer der Gesellschaft und ihre Gesellschafter, zum Beispiel bei Anfechtungsklagen.

Die aufgeworfenen Fragen ist nicht immer sofort auf den ersten Blick zu beantworten. Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere dann, wenn der im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Sitz vom frei gewählten Verwaltungssitz abweicht. Jede Kapitalgesellschaft kann über mehrere Sitze verfügen.


Ort der Gesellschaftsklage - KG Berlin beseitigt alle Zweifel

Mit dem Beschluss vom 17.06.2022, Az. 2 AR 23/22 hat das KG Berlin entschieden, dass der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person allein durch den satzungsmäßigen Sitz bestimmt wird. Es ist unerheblich, wenn sich die Verwaltung der Gesellschaft an einem anderen Ort befindet.

In dem vom KG zu entscheidendem Fall hat ein Gläubiger einer UG (haftungsbeschränkt) den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen einer titulierten Forderung beantragt.  Die UG ist im Handelsregister des AG Charlottenburg mit satzungsmäßigem Sitz in „Berlin“ eingetragen. Die Geschäftsadresse der UG liegt konkret im Bezirk des Amtsgerichts Schöneberg. Allerdings befindet sich die Hauptverwaltung laut der Website der UG in Köln.  Zudem unterhält die UG weitere Standorte in anderen Städten, womit nun das prozessuale Verwirrspiel beginnen kann - wäre da nicht das KG Berlin.


Gerichtszuständigkeit am Sitz gemäß Satzung

Das zuständige Gericht für Klagen und zum Beispiel für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (Zwangsvollstreckung) richtete sich gemäß der Zivilprozessordnung (ZPO) nach dem sogenannten „allgemeinen Gerichtsstand“. Der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person wird gem. § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt.

Was unter dem Sitz der juristischen Person zu verstehen ist, wird durch entsprechende Gesetze geregelt, je nachdem welche Art einer juristischen Person vorliegt. Für den Fall einer UG oder GmbH sieht das GmbH-Gesetz vor, dass der Sitz der Gesellschaft der Ort im Inland ist, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Der Sitz der Gesellschaft wird also allein durch deren Satzung festgelegt.


Keine Gerichtszuständigkeit am Verwaltungssitz der GmbH

Es wird dagegen kein allgemeiner Gerichtsstand durch den Verwaltungssitz begründet. Manchmal befindet sich die Verwaltung von Unternehmen an einem anderen Ort als dem satzungsmäßigen Sitz und es gibt dazu noch weitere Standorte über das ganze Land verteilt. Das ist für die Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstands aber unerheblich.


Konkretisierung des allgemeinen Gerichtsstandes und kein Wahlrecht

Oftmals wird als satzungsmäßiger Sitz nur ein Ort, wie beispielsweise Berlin, im Handelsregister erkennbar sein. Damit ist bei Großstädten mit vielen Gerichtsbezirken die Frage offen, welches Gericht konkret zuständig ist.

Der satzungsmäßige Sitz wird durch die inländische Geschäftsanschrift konkretisiert. Die Geschäftsanschrift ist nach §§ 8 Abs. 4 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG bei der Anmeldung zum Handelsregister anzumelden und einzutragen. Schon aus praktischen Erwägungen ist die Geschäftsanschrift daher zur Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes heranzuziehen. Dagegen darf nicht auf eventuelle Adressen auf der Homepage, in Prospekten der Gesellschaft oder sonstiger Werbung, die auf den Standort der Verwaltung hinweisen, zurückgegriffen werden.

Der allgemeine Gerichtstand ist also abschließend durch die Handelsregistereintragungen bestimmt. Einem Kläger steht kein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Gerichtsbezirken eines allgemein formulierten satzungsmäßigen Sitzes gemäß § 35 ZPO zu.


Anwaltliche Bewertung der gesellschaftsrechtlichen Praxis

Aus der Rechtsprechung des KG Berlin kann für die unternehmerische Praxis gefolgert werden, dass für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts allein auf den satzungsmäßigen Sitz einer juristischen Person abzustellen ist.

Falls der Satzungssitz mehrere Gerichtsbezirke umfasst, ist zur weiteren Konkretisierung die im Handelsregister eingetragene Geschäftsadresse heranzuziehen. Der Verwaltungssitz bleibt außer Betracht.

Das KG Berlin begründet mit seinem Beschluss klare handfeste Vorgaben zur örtlichen Zuständigkeit und trägt damit auch zur Rechtssicherheit  bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, in denen Kapitalgesellschaften involviert sind, bei. In der Entscheidung ist damit auch ein Schritt in Richtung Planungssicherheit im Corporate Litigation getan.

Allgemeine Hintergrundinformationen zu Klagen gegen GmbH-Gesellschafterbeschlüsse finden Sie in unserem You-Tube-Video:

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ROSE & PARTNER – Hamburg, Berlin, München, Köln, Frankfurt a.M., Köln

Dr. Boris Jan Schiemzik, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Der Verfasser dieses Artikels, Dr. Boris Jan Schiemzik von ROSE & PARTNER, ist mit seinem Team auf das Gesellschafterstreitigkeiten und Beschlussmängelklagen spezialisiert.

Weitere Informationen zu Konflikten im Unternehmen finden Sie hier: Gesellschafterstreit in der GmbH


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