Wodurch lässt sich der Selbstbehalt erhöhen?

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Sind Sie unterhaltspflichtig, leben Sie wie vielleicht viele andere Unterhaltsschuldner in einer Lebenssituation, in der es heißt: „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.“ Es wird Ihnen sicherlich eine Hilfe sein, den Selbstbehalt bei der Unterhaltsberechnung zu erhöhen. Dies kann zum Beispiel durch höhere Wohnkosten, Kredite, gesundheitlichen Schäden oder auch einen besser verdienenden Ex-Partner eintreten. Wie alles im Leben gibt es überall Voraussetzungen dafür, hier lesen Sie, welche.

Welchen Zweck haben die Selbstbehalte?

Ihre Unterhaltspflicht gegenüber Ihrem Kind oder gegenüber Ihrem bedürftigen Ex-Partner ist eine hohe moralische Verpflichtung. Voraussetzung ist aber, dass Sie selbst wirtschaftlich leistungsfähig sind. Ihre Leistungsfähigkeit hat dort eine Grenze, wo Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Ihre eigene Existenz zu sichern. Der Selbstbehalt hat daher den Zweck, Ihren eigenen Unterhaltsbedarf zu sichern. Der Selbstbehalt muss so hoch sein, dass Sie nicht sozialhilfebedürftig werden. Selbstbehalt und Eigenbedarf sind die gleichen Begriffe.

Die im Sozialgesetzbuch II enthaltenen Freibeträge haben unterhaltsrechtlich keine Bedeutung, da diese arbeitsmarktpolitische Hintergründe haben.

Welche Selbstbehalte gibt es?

Beim Selbstbehalt sind bei Kindern der angemessene Selbstbehalt und der notwendige Selbstbehalt zu unterscheiden:

  1. Der notwendige Selbstbehalt besteht gegenüber minderjährigen und volljährigen privilegierten Kindern (§ 1603 Abs. II BGB). Volljährige privilegierte Kinder sind Kinder bis zur Vollendung des einem 21. Lebensjahrs, die im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden.
  2. Der angemessene Selbstbehalt ist gegenüber anderen volljährigen Kindern zu berücksichtigen(§ 1603 Abs. I BGB).
  3. Ungeachtet dessen gibt es noch den Ehegattenselbstbehalt.

Wie hoch sind die Selbstbehalte?

Notwendiger und angemessener Selbstbehalt sind nach Erwachsenen- und Kindesunterhalt zu unterscheiden. Alle Angaben entsprechen der Düsseldorfer Tabelle bzw. den Unterhaltsleitlinien ab 1.1.2024.

Bei Kindern

Der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen und volljährigen privilegierten Kindern beträgt monatlich:

  • wenn Sie nicht erwerbstätig sind: 1.200 €
  • wenn Sie erwerbstätig sind: 1.450 €

In diesen Beträgen sind bis 520 € für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Insoweit ist im Selbstbehalt die Miete enthalten sowie der Kostenaufwand, wenn Sie im eigenen Eigentum wohnen.

Der angemessene Selbstbehalt gegenüber anderen volljährigen Kindern beträgt monatlich: …

  • 1.650 € - hierin ist eine Warmmiete bis 650 € enthalten.

Bei Ex-Partnern

Der Selbstbehalt gegenüber dem getrennt lebenden und dem geschiedenen unterhaltsberechtigten Ex-Partner beträgt monatlich:

  • falls Sie erwerbstätig sind 1.600 €
  • falls Sie nicht erwerbstätig sind 1.475 €.

In diesen Beträgen sind 580 € für die Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Ihr Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) 580 € übersteigen und nicht unangemessen sind.

Der angemessene Selbstbehalt gegenüber der Mutter oder dem Vater eines nichtehelichen Kindes beträgt:

  • falls Sie erwerbstätig sind 1.600 €
  • falls Sie nicht erwerbstätig sind 1.475 €

In diesen Beträgen sind 580 € für die Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten. Ihr Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten (Warmmiete) 580 € übersteigen und nicht unangemessen sind.

Erhöhung des Selbstbehalts

Wann und wie konkret können nun Situationen eintreten, in denen der eigene Selbstbehalt erhöht werden muss?

Erhöhung des Selbstbehalts bei höheren Wohnkosten

Reicht der Selbstbehalt nicht zum Leben, können sowohl der notwendige als auch der angemessene Selbstbehalt erhöht werden, wenn Ihre Wohnkosten beim notwendigen Eigenbedarf 520 € und beim angemessenen Eigenbedarf 650 € übersteigen und nicht unangemessen sind. Gleiches gilt, wenn Ihre Wohnkosten beim Ehegattenunterhalt 580 € übersteigen. Insoweit ist im Selbstbehalt die Miete enthalten.

Voraussetzung ist, dass die Überschreitung der in den Selbstbehalten enthaltenen Wohnkostenanteilen nach den Umständen unvermeidbar ist (BGH FamRZ 2016, 887). Kann Ihnen beispielsweise vor Ablauf des Trennungsjahres nicht zugemutet werden, die Ehewohnung aufzugeben, so dass erhöhte Wohnkosten entstehen, bestehen gute Aussichten, den Selbstbehalt zu erhöhen. Dies soll auch dann gelten, wenn Sie dadurch den Mindestunterhalt Ihres minderjährigen Kindes nicht mehr vollständig bezahlen können (OLG Köln FamRZ 2014, 847).

Erhöhung des Selbstbehalts wegen Kredit

So kommt auch Betracht, dass Sie den Selbstbehalt wegen eines Kredits erhöhen lassen. Haben Sie Ihre eheliche Wohnung über ein Bankdarlehen finanziert, kann es einen hohen wirtschaftlichen Verlust bedeuten, wenn Sie die Wohnung Hals über Kopf verkaufen müssten. Insoweit kann es ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft sein und im Interesse des Unterhaltsberechtigten liegen, wenn Sie in der Wohnung verbleiben und abwarten, bis sich eine passende Gelegenheit zum Verkauf der Wohnung oder eine andere Lösung ergibt.

Erhöhung des Selbstbehalts bei Schwerbehinderung…

…bzw. im Zusammenhang mit Sozialleistungen bei Körper- und Gesundheitsschäden. Eine indirekte Sicherung im Interesse Ihres Selbstbehalts findet sich auch in § 1610a BGB. Erhalten Sie für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschaden Sozialleistungen, wird gesetzlich vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Ist dies der Fall, ist dieser Aspekt bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.

Erhöhung des Selbstbehalts, wenn der Ex-Partner mehr verdient

Hat der Ehepartner ein um ca. 50 % höheres Einkommen, kann der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils erhöht werden. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 4.5.2011, XII ZR 70/09) hatte den Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils gegenüber einem unterhaltsberechtigten Kind um 120 € angehoben, weil das Einkommen des betreuenden Elternteils um mehr als der Hälfte über dem des allein barunterhaltspflichtigen Vaters lag.

Gut zu wissen: Selbstbehalte können auch abgesenkt werden!

Umgekehrt besteht das Risiko, dass der Selbstbehalt herabgesetzt werden kann, wenn Sie mit einem neuen Partner in einer Wohnung zusammen leben und dadurch Mietkosten ersparen. Insoweit können auch ihre allgemeinen Lebenshaltungskosten niedriger sein, als wenn Sie alleinstehend wären. Üblich ist, dass die Wohnkostenersparnis mit 10 % des jeweils maßgeblichen Selbstbehalts zu bemessen ist (BGH FamRZ 2014, 912).

Der Selbstbehalt kann aber nicht abgesenkt werden, wenn Sie auf Wohnkomfort verzichten und in einer preisgünstigeren Wohnung leben. Die dadurch ersparten Mittel sind Ihnen zu belassen. Es ist Ihre Entscheidung, wie Sie mit Ihrem Geld umgehen (BGH FamRZ 2004, 370). Es ist auch bedeutungslos, wenn Sie beispielsweise in Thailand leben und dort von den allgemeinen niedrigen Lebenshaltungskosten profitieren (OLG Frankfurt FamRZ 1995, 735). Auch eine besonders sparsame Lebensweise, um Geld für andere Bedürfnisse anzusparen, führt nicht zur Herabsetzung des Selbstbehalts (OLG Naumburg FamRZ 2007, 1476).

Wer entscheidet über die Erhöhung oder Absenkung der Selbstbehalte?

Die in der Düsseldorfer Tabelle benannten Selbstbehalte sind Orientierungshilfen. Es bleibt Aufgabe des Familiengerichts, besondere Umstände im Einzelfall angemessen zu berücksichtigen. Es ist dem Gericht nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerten zu orientieren (BGH FamRZ 1997, 806). Möchten Sie also Ihren Selbstbehalt erhöhen, sind Sie auf gerichtliche Hilfe angewiesen, wenn der Unterhaltsberechtigte Ihrem Wunsch nicht entspricht und darauf besteht, dass der volle Unterhaltsbetrag bezahlt und nur der in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene Selbstbehalt gewährt wird.

Mehr Geld durch Herabsetzung des Ehegattenunterhalts

Statt den Selbstbehalt zu erhöhen, wäre auch die Herabsetzung des Ehegattenunterhalts in Betracht zu ziehen. Dazu finden sich in § 1579 BGB und § 1578b BGB eine Reihe von Ansätzen. Neben dem vollständigen Ausschluss des Unterhaltsanspruchs kommt die zeitliche Begrenzung oder die Herabsetzung des Unterhalts in Betracht, wenn der vollständige Ausschluss zwar nicht geboten erscheint, wohl aber sonstige Umstände dafür sprechen, von den üblichen Maßstäben abzuweichen. So hat das OLG Schleswig (FamRZ 2000, 1367) in einem Fall des versuchten Prozessbetruges, bei dem der Ehepartner die Rentenbewilligung verschwiegen hatte, den Unterhaltsanspruch um ein Drittel gekürzt.

Nach § 1578 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes unbillig wäre. Insoweit kommt auch bei Schwerbehinderung oder bei sonstigen außergewöhnlichen Belastungen ein erhöhter Selbstbehalt in Betracht. In diesen Fällen kommt es auf die Begründung im Detail an.

Mehr Geld durch Herabstufung in eine untere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle?

Die Düsseldorfer Tabelle geht davon aus, dass der Unterhaltspflichtige immer zwei Personen gegenüber unterhaltspflichtig ist. Insoweit werden Sie in der Düsseldorfer Tabelle um eine Einkommensgruppe herabgestuft, wenn mehr als zwei Unterhaltsberechtigte zu versorgen sind (z.B. zwei Kinder und Ex-Partner oder zwei Kinder 1. Ehe und ein Kind aus einer neuen Beziehung).

Dadurch haben Sie eventuell mehr Geld, weil Sie in der unteren Einkommensgruppe weniger Unterhalt leisten müssen. Ob Sie unter dem Strich dann wirklich mehr Geld haben, kann sich wieder relativieren, soweit Sie gegenüber drei Unterhaltsberechtigten in der Unterhaltspflicht stehen.

Eigene Möglichkeiten ausschöpfen durch professionelle Unterhaltsberechnung bei iurFRIEND

Dem Grundsatz nach gelten die in der Düsseldorfer Tabelle benannten Selbstbehalte. Diese Selbstbehalte sind jedoch nicht in Stein gemeißelt. Liegen besondere Umstände vor, in denen Ihr eigener Selbstbehalt auch im Hinblick auf Ihren jeweiligen Selbstbehalt nicht gewährleistet ist, bestehen Aussichten, den Selbstbehalt zu erhöhen.

Klarheit erhalten Sie in jedem Falle durch eine Unterhaltsberechnung oder -überprüfung. Die iurFRIEND-Kanzlei ermöglicht Ihnen eine kostentransparente und rechtssichere Unterhaltsberechnung, die Sie dazu noch bequem online von zuhause aus in Auftrag geben können.

Zunächst beantragen Sie die Berechnung auf unserer Webseite, wodurch Ihnen im Übrigen noch keine Kosten entstehen. In einem anschließenden Telefonat kann anhand Ihrer Informationen beurteilt werden, ob sich a) eine Berechnung lohnt und b) wie viel diese kosten wird. Wenn Sie mit dem Preis einverstanden sind, können wir starten.

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Foto(s): iurFRIEND

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