Wunschkaiserschnitt als Behandlungsfehler?

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Uneinigkeit in der Rechtsprechung. OLG Hamm bejaht Arzthaftung auch bei Wunschkaiserschnitt. Der BGH trifft keine endgültige Entscheidung (BGH, Urteil vom 12.01.2021, Az.: VI ZR 60/20).

Sachverhalt

In dem Ausgangsfall wollte die Mutter spontan gebären und die Wehentätigkeit hatte bereits eingesetzt. Als der Muttermund schon mehrere Zentimeter geöffnet war, es war mittlerweile ca. Mitternacht, wollte die Gebärende jedoch die Geburt nicht weiter fortsetzen und wünschte sich einen Kaiserschnitt. Sie führte aus, sie habe schon vorher über einen geplanten Kaiserschnitt nachgedacht und jetzt könne sie die Schmerzen nicht weiter aushalten. Der Kaiserschnitt wurde auf den Wunsch hin ausgeführt. Dieser verlief jedoch mit erheblichen Komplikationen, in dessen Folge die Patienten verstarb.

Rechtsprechung

Nunmehr stellt sich die berechtigte Frage, ob auch ein Behandlungsfehler zu bejahen ist, wenn auf den ausdrücklichen Wunsch der Patienten hin gehandelt wird. Dies wurde zunächst durch das erstinstanzliche Gericht verneint. Das Berufungsgericht (hier OLG Hamm) hat jedoch einen Behandlungsfehler bejaht.

Das Einlassen auf den Wunsch der Kindesmutter nach einer sekundären Sectio ist nur dann als behandlungsfehlerhaft zu bewerten, wenn diese unter Berücksichtigung der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der Konkreten Situation bei einer Betrachtung ex ante (im Voraus) keine medizinisch vertretbare Alternative ist. 

Der BGH trifft mit seinem Urteil vom 12.01.2021 keine endgültige Entscheidung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Es wird durch den BGH jedoch hervorgehoben, dass der Kindesmutter ein umfangreiches Selbstbestimmungsrecht zusteht. Der Kaiserschnitt hat im Laufe der Zeit erheblich an Risiken verloren, da der medizinische Standard immer weiter gestiegen ist. Daher kann ein Kaiserschnitt grundsätzlich auch ohne medizinische Indikation und auf Wunsch durchgeführt werden. Die Grenzen hierfür finden sich lediglich in der medizinischen Unvertretbarkeit.

Behandlungsfehler, Höchster medizinischer Standard

Da bei einem Wunschkaiserschnitt keine medizinische Indikation gegeben ist, müssen hier die Bewertungsspielräume wie bei einer Schönheitsoperation gelten. Daher ist zu berücksichtigen, dass der Kaiserschnitt nur unter sorgfältiger Planung unter organisatorischen als auch unter personellen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Es ist immer der obere Rand der ärztlichen Qualität einzuhalten. Bei einem Wunschkaiserschnitt läuft der behandelnde Arzt daher eher Gefahr einen Behandlungsfehler zu begehen als bei einem medizinisch indizierten Kaiserschnitt.

In diesem konkreten Fall hat das OLG Hamm ausgeführt, dass bei einer Nachtbesetzung die personellen Möglichkeiten nicht ausreichen, um einen Wunschkaiserschnitt durchzuführen. In der konkreten Situation hatte der Behandler sogar den Operationssaal aufgrund weiterer Geburten zu verlassen. Die Gebärende ist dabei mit der Hebamme allein im Operationssaal verblieben. Dies war abzusehen und stellt nicht den oberen Rand der ärztlichen Qualität dar.

Aufklärungsfehler

Ein Patient ist vor einer Behandlung vollumfänglich aufzuklären. Nur durch eine vollständige Aufklärung kann auch eine rechtmäßige Einwilligung in eine Behandlung erfolgen.

Das OLG Hamm als auch der BGH haben hier offengelassen, ob eine hinreichende Aufklärung stattgefunden hat. Grundsätzlich wurde jedoch ausgeführt, dass auch die Aufklärung sehr strikt wie bei einer Schönheitsoperation durchzuführen ist. Hierbei ist insbesondere auf die Nachtsituation hinzuweisen, als auch auf die Tatsache, dass ein Kaiserschnitt bei bereits eingeleiteter Spontangeburt mit erheblich mehr Risiken verbunden ist als ein geplanter Kaiserschnitt, da hier die Gebärmutter schneller verletzt werden kann. Offensichtlich hatte die Gebärende hier lediglich die Risiken bei einer geplanten Sectio im Kopf, da sie sich im Vorhinein mit einer geplanten Sectio beschäftigt hatte. Eine Aufklärung musste daher zwingend erneut und ausführlich erfolgen.

Fazit

Auch nach der neuesten Rechtsprechung des BGH kann ein Wunschkaiserschnitt einen Behandlungsfehler darstellen. Das Selbstbestimmungsrecht der Mutter ist jedoch extrem stark, sodass ein Behandlungsfehler nur bei medizinischer Unvertretbarkeit angenommen werden kann. Klare Richtlinien hat der BGH mit der Entscheidung nicht aufgestellt, jedoch klar die Rechte der Mutter gestärkt und gleichzeitig die Behandler trotz des ausdrücklichen Wunsches zur Behandlung zur Vorsicht ermahnt.

Wenn Sie befürchten, ein Kaiserschnitt sei fehlerhaft ausgeführt worden, kontaktieren Sie mich gerne.



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