Zeugenfragebogen / polizeiliche Vorladung – muss ich als Zeuge Angaben machen?

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Bekommt man einen Zeugenfragebogen oder eine polizeiliche Vorladung, so stellt sich die Frage, ob man verpflichtet ist, als Zeuge Angaben zu machen. Zunächst sollte man das Schreiben aufmerksam lesen, um festzustellen, ob man als Beschuldigter oder als Zeuge geladen bzw. angehört wird. Weiterhin sollte man darauf achten, ob es sich um einen Zeugenfragebogen, eine polizeiliche Vorladung, eine polizeiliche Vorladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder eine Vorladung durch die Staatsanwaltschaft bzw. Gericht selbst handelt. Nach der Strafprozessordnung hat ein Zeuge andere Rechte und Pflichten als der Beschuldigte.


Dieser Beitrag widmet sich den Rechten und Pflichten eines Zeugen bei einer polizeilichen Vorladung bzw. einem polizeilichen Zeugenfragebogen.


1. Polizeiliche Vorladung bzw. polizeilicher Zeugenfragebogen


Wurde man als Zeuge von der Polizei vorgeladen oder hat man einen Zeugenfragebogen bekommen, so besteht keine Pflicht der Vorladung nachzukommen bzw. den Zeugenfragebogen auszufüllen.


Man ist lediglich verpflichtet seine Personalien mitzuteilen. Diese sind: Name (Geburtsname), Vorname, Geburtsort- und Datum, Familienstand, Beruf, Wohnort, aktuelle Anschrift und die Staatsangehörigkeit. Verweigert man diese Angaben oder macht falsche Angaben, so kann dies nach § 111 OWiG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.


2. Polizeiliche Vorladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft


Anders liegt der Fall bei einer polizeilichen Vorladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Die Vorladung kann auch durch die Staatsanwaltschaft selbst oder durch das Gericht erfolgen.


In diesen Fällen ist ein Zeuge grundsätzlich verpflichtet nicht nur der Vorladung nachzukommen, sondern auch eine Aussage zu machen. Wird die Aussage verweigert, so kann dies mit einem Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft geahndet werden. Der Zeuge ist verpflichtet Wahrheit zu sagen. Andernfalls macht sich der Zeuge wegen Falschaussage strafbar. Dies gilt nicht, sofern der Zeuge ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht hat.


Bei einer attestierten schweren Erkrankung besteht keine Pflicht zu erscheinen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht dabei nicht aus. Vielmehr muss es sich um eine sog. „Bettlägerigkeit“ handeln, sodass eine Verhandlungsunfähigkeit vorliegt.


Die Pflicht zu erscheinen bedeutet aber nicht, dass man aussagen muss. Ob man aussagen muss, hängt davon ab, ob man ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht hat. Zudem ist es nicht selten, dass die Zeugen sich an den Tathergang gar nicht mehr erinnern, sodass keine Aussage gemacht werden kann.


3. Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht


Der Zeuge darf die Aussage bzw. die Auskunft auf die Fragen verweigern, wenn er dadurch sich selbst oder einen Angehörigen mit einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit belasten würde. Nach der Strafprozessordnung dürfen z.B Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner und nahe Verwandte die Aussage verweigern.


Das Gericht darf in der späteren Hauptverhandlung die Angabe des Zeugen über das Bestehen eines Verlöbnisses als richtig hinnehmen, wenn niemand widerspricht. Zweifelt das Gericht am Bestehen des Verlöbnisses, so muss es die Glaubhaftmachung verlangen. Dabei genügt die eidliche Versicherung des Zeugen.


Auch die Berufsgeheimnisträger wie z.B Geistliche, Ärzte, Rechtsanwälte haben das Recht Zeugnis zu verweigern. Der Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts ist jedoch auf die bei der Berufsausübung anvertrauten oder bekanntgewordenen Tatsachen begrenzt. Das bedeutet, dass nur die Aussagen verweigert werden dürfen, die dem Zeugen in der Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger vom Beschuldigten anvertraut worden sind. Das gleiche gilt auch für die Hilfspersonen der Berufsgeheimnisträger.


4. Kann man die Aussage widerrufen bzw. ändern?


Grundsätzlich ja. Es gilt das Mündlichkeits- und Unmittelbarkeitsprinzip in der gerichtlichen Verhandlung (Hauptverhandlung). Das bedeutet, dass bei der späteren Urteilsfindung nur das zählt, was in der Hauptverhandlung ausgesagt wird. So die Theorie.


In der Praxis hat der Richter immer die Akte vor den Augen und kennt die frühere Aussage des Zeugen. Daher wird der Richter dem Zeugen seine frühere Aussage vorhalten, um die Widersprüche oder Erinnerungslücken zu beseitigen. Weicht die neue Aussage von der früheren ab, so besteht die Gefahr, dass der Zeuge vom Gericht als unglaubwürdig eingestuft wird oder sogar sich einer Falschaussage schuldig macht.


Kann sich der Zeuge an den Tathergang aber gar nicht mehr erinnern und hilft der Vorhalt nicht, so muss das Gericht sich anderer Beweismittel bedienen. Dies hat für den Zeugen keinerlei negative Auswirkungen.


5. Braucht man als Zeuge einen Anwalt?


Ein Zeuge kann jederzeit einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand hinzuziehen. Ob dies notwendig ist, muss im konkreten Einzelfall beurteilt werden. Dies kann schon ratsam sein, wenn ein Zeuge sich überfordert fühlt und Unterstützung braucht. Ist dem Anhörungsbogen bzw. der Vorladung nicht zu entnehmen, ob man als Zeuge oder Beschuldigter in Betracht kommt, so sollte ein Rechtsanwalt kontaktiert werden.


Die Beiziehung eines Anwalts ist auch dann empfehlenswert, wenn die Gefahr besteht, dass der Zeuge durch seine Aussage sich oder seinen Angehörigen belasten würde. Ein Rechtsanwalt kann dabei beurteilen, ob ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht besteht.


Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass man als Zeuge geladen und als Beschuldigter befragt wird. Dies kann insbesondere dann sein, wenn gegen die Person des Zeugen bereits Ermittlungen laufen oder der Zeuge sich während der Zeugenbefragung belastet, sodass ein Anfangsverdacht begründet wird und er zum (Mit)Beschuldigten wird. Besteht eine solche Gefahr, sollte man einen anwaltlichen Rat einholen.


Beitrag zu den Rechten und Pflichten eines Beschuldigten bei einer polizeilichen Vorladung bzw. einem polizeilichen Anhörungsbogen.


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