Zum nachträglichen Wettbewerbsverbot des Versicherungsvertreters

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Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für den Versicherungsvertreter sind Standard in vielen Agenturverträgen. Nach der Beendigung der Zusammenarbeit sind sie im Hinblick auf die vom Versicherer geschuldete „angemessene Entschädigung" allerdings häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen, die nicht selten die Gerichte beschäftigen.

Dabei gilt als in der Rechtsprechung geklärt, dass die in § 90a HGB vorgesehenen Einschränkungen nur auf Wettbewerbsverbote Anwendung finden, die vor Beendigung des Handelsvertretervertrags vereinbart werden. Dass die Regelung darüber hinaus Geltung haben kann, zeigt eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2012, Az. VII ZR 56/11.

Klägerin dieses Verfahrens war eine GmbH, die für den beklagten Versicherer als Versicherungsvertreter tätig geworden ist. Der Handelsvertretervertrag war ursprünglich 1983 von dem Geschäftsführer der Klägerin geschlossen worden und im Jahr 2001 einvernehmlich auf die neu gegründete Klägerin übertragen worden.

1999 bot die Beklagte dem Geschäftsführer der Klägerin den Abschluss einer Vereinbarung an, mit der die Modalitäten einer etwaigen Beendigung des Handelsvertretervertrags geregelt werden sollen (sog. „Geschäftswertmodell"). Danach sollte er einen Ausgleich für die ihm durch die Vertragsbeendigung entgehenden Provisionen erlangen. Sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren, sollte eine Mindestzahlung in Höhe einer durchschnittlichen Jahresprovision gezahlt werden, auf die etwaige Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB angerechnet werden sollten. Das Angebot stand unter der Voraussetzung, dass der Geschäftsführer innerhalb eines Monats nach Beendigung des Vertrags ein Wettbewerbsverbot unterzeichnen sollte, das ihm näher bezeichneten Wettbewerb für 6 Jahre verbieten sollte. Diese Zeitspanne entsprach der Dauer der Abfindungszahlungen. Das Angebot wurde zwischen den Parteien ausführlich verhandelt und nach Aufnahme einiger besonderer Regelungen und der Erhöhung der garantierten Zahlung auf das 1,8 fache der durchschnittlichen Jahresprovision abgeschlossen. Die Regelung ging 2001 mit auf die Klägerin über.

Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Wirkung zum 28.02.2006. Seit Anfang 2006 verhandelten die Parteien über die Konditionen der Vertragsbeendigung und schlossen am 27.03.2006 - also nach dem Kündigungstermin - hierüber eine Vereinbarung. Nach der Vereinbarung wurde der Klägerin unter anderem „entsprechend den Bedingungen zum Geschäftswertemodell ein Betrag in Höhe von ca. 735.000 EUR" garantiert. Die Vereinbarung regelt des Weiteren die Abwicklung der Stornoreserve und anderer Punkte.

Bezüglich des Wettbewerbsverbots enthielt die Vereinbarung die folgenden Regelungen:

Dem Kläger war für die Dauer von 3 Jahren - vom 01.03.2006 an gerechnet - verboten, als Vermittlerin für Versicherungsunternehmen oder Finanzdienstleister im Inland tätig zu sein. Dies Verbot galt für die Dauer von 2 Jahren auch für das Ausland, soweit die Beklagte im jeweiligen Staat ihre Produkte vertreibt. Wertpapierhandel und Immobilienvermittlung sollten der Klägerin hingegen ausdrücklich erlaubt sein. Die Vereinbarung sah eine Vertragsstrafe i.H.v. 10.000 EUR für jeden Verstoß vor, soweit die Klägerin auf Abmahnung das verbotswidrige Verhalten nicht einstellte. Mit der einmaligen Zahlung sollten alle wechselseitigen Ansprüche inklusive des Ausgleichsanspruchs und der Karenzentschädigung mit abgegolten sein.

Die Klägerin hielt das Wettbewerbsverbot im Weiteren für unwirksam und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.10.2006 auf, auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots zu verzichten. Da die Beklagte dem nicht nachkam, befolgte die Klägerin während der vereinbarten Zeit das Wettbewerbsverbot.

Mit der Klage verfolgte die Klägerin das Ziel, feststellen zu lassen, dass die Wettbewerbsabrede unwirksam war. Sie beantragte außerdem die Zahlung von Schadenersatz für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots im Zeitraum bis zum 29.02.2009.

Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, wobei der von der Klägerin bezifferte Schaden nur teilweise anerkannt wurde. Beide Parteien legten hiergegen Berufung ein. Das Berufungsgericht gab sowohl dem Feststellungsantrag als auch dem Zahlungsantrag nur teilweise statt. Die von beiden Parteien hiergegen eingelegte Revision wurde vom BGH als unbegründet und teilweise unstattfhaft zurückgewiesen.

Das Urteil basiert teilweise auf zivilprozessualen Erwägungen, die hier nicht interessieren. In der Sache führt der 7. Senat in den Leitsätzen jedoch aus:

1. § 90a HGB findet auch auf Wettbewerbsabreden Anwendung, die nach formeller Beendigung des Handelsvertretervertrags vereinbart werden, wenn sich die Parteien über die wesentlichen Elemente der Wettbewerbsabrede schon während der Laufzeit des Vertrags geeinigt haben

2. Wenn das Wettbewerbsverbot eine Überschreitung der in § 90a Abs. 1 S. 2 HGB genannten zeitlichen, örtlichen und/oder gegenständlichen Grenzen vorsieht, so ist es nicht insgesamt unwirksam, sondern nur im Umfang der Überschreitung.

Die Entscheidung ist konsequent und entspricht der bisherigen Linie der Rechtsprechung und herrschenden Ansicht in der juristischen Literatur. Allerdings behandelt sie im Endeffekt einen Sonderfall, der nicht auf die übliche Gestaltung übertragen werden kann.

§ 90a Abs. 1 Satz 2 HGB legt fest, dass die Wettbewerbsabrede längstens für zwei Jahre von der Beendigung des Vertragsverhältnisses an getroffen werden kann. Sie darf sich nur auf den dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und nur auf die Gegenstände erstrecken, hinsichtlich derer sich der Vertreter um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen hat. Die vorliegende Wettbewerbsabrede ging hierüber hinaus, da sie im Inland die zeitliche Höchstdauer überschritten hat und mit dem Wettbewerbsverbot im Ausland räumlich einen Bereich abdeckte, der nicht Gegenstand des ursprünglichen Handelsvertretervertrags war.

Fraglich war somit, ob § 90a HGB Anwendung findet. Denn der BGH hatte bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1968 festgestellt, dass die Regelung keine Anwendung findet, wenn der Handelsvertretervertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses bereits beendet war und sich die Parteien bei Vertragsschluss somit gleichberechtigt und nicht innerhalb eines Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber standen. Diese Ansicht ist in der weiteren Rechtsprechung und überwiegenden Stimmen der Literatur geteilt worden. Richtigerweise hat der BGH hier jedoch erkannt, dass Grundlage der Wettbewerbsabrede bereits die Vereinbarung aus dem Jahre 1999 war, auch wenn formal die Wettbewerbsabrede erst nach dem Ende der Vertragsbeziehung geschlossen wurde. Da der Handelsvertreter zum Zeitpunkt des Aushandelns noch schutzbedürftig war, wandte der BGH konsequent die gesetzliche Regelung an.

Wegen des Überschreitens der gesetzlichen Regelungen reduzierte der BGH das Wettbewerbsverbot auf das gesetzlich zulässige Maß und sprach der Klägerin für den überschreitenden Anteil Schadenersatz für die Enthaltung von Wettbewerb zu. Diese „geltungserhaltende Reduktion", also die Zurückführung der geschuldeten Pflichten auf das gesetzlich zulässige, entspricht dabei der wohl herrschenden Ansicht.

Gleichzeitig behandelt die Entscheidung jedoch auf einen Sonderfall, da im Rahmen der Verhandlungen im Jahre 1999 die einzelnen Konditionen und damit auch der Inhalt der Wettbewerbsabrede individuell ausgehandelt wurden und damit keine AGB-Kontrolle möglich war. Würde die Regelung nämlich der AGB-Kontrolle unterfallen, wäre eine geltungserhaltende Reduktion auf das gesetzlich zulässige Maß ausgeschlossen und die Regelung würde ersatzlos entfallen, wobei die gesetzliche Regelung an ihre Stelle tritt. Da das Gesetz kein automatisch eintretendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot kennt, wäre es somit ersatzlos entfallen. Üblicherweise stellen die Wettbewerbsabreden jedoch AGB dar, da sie entweder in den ursprünglich von den Versicherern vorgegebenen Verträgen enthalten sind oder - sofern sie gesondert abgeschlossen werden - sie jedenfalls nicht nur im Einzelfall, sondern regelmäßig geschlossen werden. Dass ein ausdrückliches Aushandeln vorliegt, wie die Gerichte im vorliegenden Fall entschieden haben, dürfte die Ausnahme darstellen.

Bemerkenswert an der Entscheidung ist aber auch, dass für die Einhaltung des unwirksamen Wettbewerbsverbots Schadenersatz gewährt wird. Grundlage hierfür war, dass die Klägerin die Beklagte ausdrücklich wegen der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots aufgefordert hatte, auf das Verbot ausdrücklich zu verzichten. Die Verweigerung des Verzichts stellte dann die für den Schadenersatz notwendige Pflichtverletzung dar. Jedem Vertreter, der begründete Zweifel an der Wirksamkeit seines Wettbewerbsverbots hat, kann daher nur geraten werden, den Unternehmer schriftlich zum Verzicht auf das Wettbewerbsverbot aufzufordern. Entweder, das Wettbewerbsverbot war wirksam - womit der Anspruch auf Karenzentschädigung besteht - oder der Geschäftsherr hätte auf das unwirksame Wettbewerbsverbot verzichten müssen. Dann schuldet er Schadenersatz.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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