Zum Umfang der Exklusivität des Vertragshändlers

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Direktbelieferung unter Umgehung des Händlers ausnahmsweise zulässig

In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass Hersteller ihren Vertragshändlern das alleinige Vertriebsrecht für ihre Produkte - meist begrenzt auf ein definiertes Vertragsgebiet - einräumen. In dieser Situation stellt sich die Frage, ob der Hersteller auch berechtigt ist, Kunden innerhalb des Vertragsgebiets direkt zu beliefern. Mit dieser Frage hatte sich das OLG Düsseldorf kürzlich in seinem Urteil vom 21.06.2013, I - 16 U 172/12 auseinanderzusetzen.

Sachverhalt

Die Klägerin stand seit 1997 mit dem beklagten Hersteller in Vertragsbeziehungen und vertrieb dessen Produkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz faktisch exklusiv. Eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung der Exklusivität existierte nicht. Nach den Ausführungen im Urteil hat die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb nicht ausschließlich auf die Produkte der Beklagten ausgerichtet, beschäftigte allerdings einige Mitarbeiter nur für den Vertrieb der Produkte der Beklagten. Die Klägerin unterstützte die Beklagte auch dadurch, dass sie sie in bestimmten länderspezifischen Punkten, z.B. bei notwendigen Übersetzungen beriet.

Im Jahre 2006 kam es zu Differenzen zwischen den Parteien, da zwei Kunden von der Beklagten verlangt haben, direkt von ihr ohne Einschaltung einer Vertriebsorganisation beliefert zu werden. Beide Kunden hatten angekündigt, andernfalls keine Produkte der Beklagten mehr zu beziehen. Die Beklagten teilte dies der Klägerin schriftlich mit und bot ihr an, eine Provision i.H.v. 5% aller in den nächsten drei Jahren mit dem Kunden A getätigten Geschäfte zu zahlen. Die Klägerin widersprach der Direktlieferung als „exklusive Vertragshänderlin in den deutschsprachigen Ländern". Nachdem die Beklagte den Kunden A beliefert hatte, forderte die Klägerin die Zahlung von 20 GBP pro geliefertem Gerät. Nachdem die Beklagte dem nicht zustimmte, kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis und forderte im gerichtlichen Wege Auskunft über die getätigten Geschäfte, um ihre Ausgleichs- und Schadenersatzansprüche beziffern zu können.

Die Klage hatte keinen Erfolg

Entscheidung

Das OLG Düsseldorf begründete seine Entscheidung damit, dass der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Auskunftsansprüche zustehen. Denn Voraussetzung hierfür wäre, dass der Klägerin entweder ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB analog oder Schadenersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung durch die Beklagte zustehen, für deren Bezifferung sie auf die Auskünfte durch die Beklagten angewiesen ist. Ausgleichs- und Schadenersatzansprüche wären aber im Hinblick auf die Eigenkündigung der Klägerin nur denkbar, wenn die Beklagte mit der Direktbelieferung der Kunden A und B ihre Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt hätte.

Dies ist nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Fall. Der Senat führt dabei - richtigerweise - aus, dass „der Vertrag zwischen Hersteller und Händler auf einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit beruht und daher in höherem Maße als andere Verträge der gegenseitigen Treuepflicht unterliegt". Dies soll allerdings nicht dazu führen, dass der Hersteller verpflichtet sei, auf die Belieferung eines Kunden zu verzichten, wenn dieser glaubhaft erklärt, Produkte nur im Direktvertrieb erwerben zu wollen. In dieser Situation sei der Hersteller nur zur Information des Händlers und zum Angebot einer angemessenen Kompensation verpflichtet. Mangels weitergehender Ansprüche kann die Klägerin also keine Auskunft verlangen.

Fazit

Die Entscheidung betrifft - wie so oft - einen Einzelfall, ist also nicht grundsätzlich auf jeden Fall der Direktbelieferung zu übertragen. Wesentlicher Kernpunkt der Entscheidung ist jedoch, dass Hersteller und Vertragshändler in einem wechselseitigen Treueverhältnis stehen, aus dem der Hersteller zur Rücksichtsnahme gegenüber dem Händler verpflichtet ist, aus dem aber gleichzeitig keine Verpflichtung herrührt, auf Umsätze zu verzichten, die nur unter Ausschluss des Händlers zustande kommen können. In dieser Situation kann nämlich der Händler nach Treu und Glauben nicht verlangen, dass der Hersteller auf dies Geschäft und damit Gewinn verzichtet.

Wichtig ist die Entscheidung allerdings für die Ausgestaltung von Vertriebsverträgen. In der Praxis variiert die Bandbreite dabei von mündlichen Vereinbarungen über Provisionshöhen bis zu im Detail ausgearbeiteten Vereinbarungen von mehreren hundert Seiten. Viele Vereinbarungen decken allerdings nur die Fragen während der Vertragsbeziehung ab und berücksichtigen nicht atypische Fragen wie den hier von Seiten des Kunden angefragen Direktvertrieb. Um Streitfragen zu vermeiden, wäre es aber angeraten, auch diese Fragen vertraglich zu fixieren, wobei reine Worthülsen, denen sich konkrete Voraussetzungen nicht entnehmen lassen, wohl nicht ausreichen dürften.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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