Zum Verkauf von Antiquitäten in der Bundesrepublik Deutschland – immer mit einem Bein im Knast?

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Vor über 40 habe ich von einem deutschen Bekannten in der Bundesrepublik Deutschland einen Torso (Khmer-Statue ohne Beine und Kopf) aus Kambodscha, angeblich aus dem 11. Jahrhundert gekauft und seither ein wenig Asiatika gesammelt. Auf der Website eines renommierten Auktionshauses habe ich dann vor kurzem ein vergleichbares Stück gesehen, das dort zu einem horrenden Preis versteigert worden war. Deswegen wollte ich mich von meinem Torso trennen.

Anzeige bei Google – und dann fertig?

Wenn mir klar gewesen wäre, wie schwierig und zeitaufwändig dies werden würde, hätte ich davon wohl Abstand genommen. Eine Anzeige auf Google – so dachte ich – und schon wäre das Geschäft gelaufen. Die erste Anfrage kam von einem Engländer, der sich sehr interessiert zeigte, aber nach einem Herkunftsnachweis (Proveniance) fragte. Da ich vor über 40 Jahren beim Kauf keine Quittung verlangt habe und der Verkäufer ein guter Bekannter von mir war, konnte ich sie nicht vorlegen und nur erklären, dass ich den Torso vor über 40 Jahren von einem guten Bekannten privat gekauft hätte.

Das reichte dem Engländer nicht und er nahm Abstand. Auch Auktionshäuser, die angefragt hatten, wollten zuerst etwas über die Herkunft wissen, also woher der Torso stammt. Auch deutsche Interessenten hatten Bedenken, weil ich die Herkunft nicht stichhaltig nachweisen konnte. Dass ich die Richtigkeit meiner Erklärungen eidesstattlich versichern wollte, hat niemanden interessiert. Deswegen habe ich mich einmal genauer mit den rechtlichen Voraussetzungen eines Verkaufs von Antiquitäten in der Bundesrepublik befasst.

Umfassendes und kompliziertes Regelwerk

Zunächst einmal musste ich feststellen, dass es nationale, EU – weite und internationale Regelungen zum Umgang mit „Kulturgütern“ gibt. Für die BRD gilt das Kulturgutschutzgesetz, für die EU die „Verordnung (EG) Nummer 116/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Ausfuhr von Kulturgütern“. In Art. 2 ist dort geregelt, dass die Ausfuhr von Gütern aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft nur erfolgen darf, wenn eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. Das UNESCO – Übereinkommen von 1970 sowie die Rückgaberichtlinie 2014/16/EU gewähren weitreichende Rückgabeansprüche für gesetzlich besonders geschütztes nationales Kulturgut, das illegal aus einem Mitglieds– oder Vertragsstaat ausgeführt wurde.

Das war für mich insofern irrelevant, da ich den Torso ja nicht ins EU-Ausland verkaufen wollte (Großbritannien war zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der EU). Diese rechtlichen Vorgaben sollten aber nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da bei Verstößen nicht nur Bußgelder anfallen, sondern die Gegenstände auch sichergestellt und eingezogen und sogar unter gewissen Voraussetzungen vom Herkunftsstaat wieder zurückverlangt werden können. Gegen das Kulturgutschutzgesetz wurden Verfassungsbeschwerden eingereicht, die aber noch nicht abgeschlossen sind (BVerfG 1 BvR 1658/17, 1 BvR 1727/17, 1 BvR 1728/17, 1 BvR 1729/17, 1 BvR 1735/17, 1 BvR 1746/17).

Bei einer Aus- bzw. Einfuhr in oder aus einem Drittland, also einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat kommen weitere rechtliche Hürden hinzu, auf die in diesem Beitrag aber nicht eingegangen werden soll.

EU-Verordnung und das deutsche Kulturgutschutzgesetz

Die EU-Verordnung wurde in der Bundesrepublik Deutschland durch das Kulturgutschutzgesetz (Gesetz zum Schutz von Kulturgut – Kulturgutschutzgesetz = KGSG) auch in nationales Recht umgesetzt und ergänzt. Danach dürfen Kulturgüter aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft nur mit einer Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden. In der Verordnung wird der Begriff Kulturgut definiert und es werden erläutert (archäologische Gegenstände, Bestandteile von Kunst und Baudenkmalen, Bilder und Gemälde, Aquarelle, Radierungen etc.).

Auch Fotografien und Filme, Drucke, Handschriften, Landkarten, Partituren, die älter als 100 Jahre sind, Landkarten älter als 200 Jahre, Archive, Sammlungen, aber auch Verkehrsmittel und viele andere Gegenstände sind hier aufgelistet, die im Anhang zu dieser Verordnung zusammengestellt sind. Im Falle meines Torsos vermutete ich, dass dieser in die Kategorie „archäologische Gegenstände“ (Anhang 1, A.1) fallen könnte.

Keine Ausfuhr ohne Genehmigung

Das KGSG findet Anwendung bei jedem Ortswechsel des Kulturgutes bei Grenzübertritt nach Deutschland hinein und aus Deutschland hinaus. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei dem Gegenstand um nationales Kulturgut handelt. Das ist „jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlich oder archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 KGSG).

Voraussetzung für ein nationales Kulturgut ist ebenfalls, dass es in einem Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen ist, sich in öffentlichem Eigentum und dem Bestand einer öffentlich – rechtlichen Kulturgut bewahrenden Einrichtung oder im Eigentum oder Bestand einer Kulturgut bewahrenden Einrichtung befindet, die überwiegend durch Zuwendungen der öffentlichen Hand finanziert wird oder Teile einer Kunstsammlung des Bundes oder der Länder ist (§ 6 Abs. 1 KGSG). Einer Genehmigung bedarf es jedoch nicht, wenn bestimmte Alters- und Wertgrenzen nicht erreicht werden ( § 24 Abs. 2 KGSG). Da mein Torso angeblich über 100 Jahre alt ist, ist sowohl nach der EU–Ausfuhrverordnung als auch nach § 24 Abs. 2 KGSG eine Genehmigung erforderlich.

Genehmigungsverfahren

Die Ausfuhrgenehmigung muss bei der zuständigen Behörde beantragt werden, die eine solche innerhalb von zehn Tagen zu erteilen hat (§ 24 Abs. 5,7 S. 1 KGSG). Die Genehmigung kann nur versagt werden, wenn das Kulturgut illegal nach Deutschland eingeführt wurde, es aufgrund eines Verdachtes sichergestellt und vom Zoll angehalten wurde. Beim Verdacht illegaler Ein – oder Ausfuhr können die Behörden den Gegenstand sicherstellen und einziehen. Unabhängig davon ist ein Handel mit derartigem Kulturgut unzulässig, wenn es „abhandengekommen, ausgegraben oder unrechtmäßig eingeführt worden ist“ (§ 40 Abs. 1 KSG). Das Gesetz legt nach § 41 KGSG dem für Käufer von derartigem Kulturgut – unabhängig vom Alter, Art und der Wert und dem Wert des Kulturgutes – alle mit zumutbarem Aufwand zu beschaffenden Informationen zu besorgen und zu prüfen.

Dafür müssen bestimmte Verdachtsmomente vorliegen wie ein außergewöhnlicher günstiger Preis oder auch, wenn der Veräußerer einem hohen Kaufpreis auf Barzahlung bestanden hat oder wenn eine „vernünftige Person“ Verdacht geschöpft hätte. Zwar wird nicht definiert, was unter einer „vernünftigen Person“ zu verstehen ist, doch gibt es derartige Definitionen auch in anderen Rechtsbereichen, ohne dass diese ohne weiteres übertragen werden könnten. Im Falle des gewerblichen Rechtsschutzes beispielsweise entscheidet ein „durchschnittlich informierter und verständiger mit der Situation angemessener Aufmerksamkeit Verbraucher“, ob eine Werbeaussage als irreführend zu beurteilen ist.

Für gewerbliche Kunsthändler gibt es darüber hinaus weitere, strengere Vorschriften. Zuständig für eine Genehmigung ist idR die Behörde des Bundeslandes, in dem sich der Gegenstand befindet. Eingetragen als nationales Kulturgut werden nur Gegenstände, die besonders bedeutsam und identitätsstiftend für die deutsche Kultur sind und deren Ausfuhr einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitzstand bedeuten würde.

Da das Gesetz eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen enthält („vernünftige Person, „wesentlicher Verlust für den deutschen Kulturbesitz“, „national wertvolles Kulturgut“ etc.) ist es sowohl für den Laien wie für den Fachmann nahezu unmöglich, zu entscheiden, ob ein Gegenstand wie mein Torso darunterfällt. Auch die in Bayern dafür zuständige Stelle konnte hier nicht weiterhelfen. Man bedauere zwar das komplizierte Gesetz, halte sich aber nur an das Gesetz.

Auf die Frage von Interessenten nach der Provenienz, also der Herkunft meines Torsos konnte ich nur antworten, dass ich ihn vor vielen Jahren in Deutschland von einem deutschen Staatsbürger erworben habe. Da ich nicht weiß, wo mein Verkäufer heute lebt bzw. ob er überhaupt noch am Leben ist, kann ich ihn auch nicht nach der Provenienz fragen, oder als Zeugen für den Kaufabschluss vor 40 Jahren benennen. Dann müsse ich eben auf meine Kosten einen Gutachter beauftragen. Nach Auskunft der IHK München gibt es zur Zeit aber keinen öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für Khmerkunst in Ober-bayern und wohl auch in ganz Deutschland nicht. Zwar hat mir ein „emeritierter“ Sachverständiger das Alter und die Herkunft meines Torsos im Gespräch bestätigt, doch reicht das offensichtlich nicht aus.

Über allem schwebt weiter ein Damoklesschwert: Verstöße gegen die Vorgaben des Kulturgutschutzgesetzes können als Ordnungswidrigkeiten und sogar als Straftaten geahndet werden und unter bestimmten Voraussetzungen können Herkunftsstaaten wie z. B. Kambodscha zudem die Rückführung ihres nationalen Kulturgutes fordern.

Im Falle meines Torsos bedeutet dies, dass ich ihn in der Bundesrepublik nach meiner Auffassung ohne Beschränkung verkaufen kann. Er wurde nicht illegal eingeführt und nicht in die Liste wertvollen Kulturgutes eingetragen. Da ich allerdings sichergehen möchte, habe ich unter Vorlage einer Reihe von Fotos vom Torso bei der zuständigen Behörde in Bayern, der Staatsgemäldesammlung in München, einen so genannten Feststellungsantrag gestellt, mit dem ich rechtliche Sicherheit und Klarheit erreichen möchte. Den hat mir die Behörde zunächst einmal zurückgeschickt, da sie dafür nicht zuständig sei.

© Dr. Peter Schotthöfer



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