Zur Haftung des Gebäudeversicherers für optische Beeinträchtigungen

  • 4 Minuten Lesezeit

Der Wohngebäudeversicherer haftet auch für notwendige Reparaturkosten bei Schönheitsschäden

Die „normale“ Wohngebäudeversicherung deckt Schäden ab, die durch die Risiken Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel verursacht werden. Im Rahmen der sog. Elementarversicherung werden häufig weitere Risiken wie z.B. Überschwemmung oder Erdrutsch mit in den Versicherungsschutz einbezogen.

Tritt ein solcher versicherter Schadenfall ein, so übernimmt der Versicherer als Hauptleistung die „notwendigen Reparaturkosten“ für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Wie diese notwendigen Kosten genau berechnet werden, ist regelmäßig im Streit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Einer der umstrittensten Punkte ist dabei der sog. Schönheitsschaden.

Dieser Begriff umschreibt eine Konstellation, in der der Schaden nur in einer optischen Beeinträchtigung besteht oder in der nach der Reparatur eine optische Beeinträchtigung verbleibt. In beiden Fällen ist es so, dass regelmäßig eine vollständige Wiederherstellung ohne optische Beeinträchtigungen durch Reparatur ausgeschlossen ist, weshalb – wenn man einen Anspruch auf Wiederherstellung ohne Beeinträchtigungen annehmen würde – regelmäßig das betroffene Gebäudeteil vollständig ersetzt werden müsste. Häufig werden die mit der vollständigen Wiederherstellung verbundenen Kosten die objektive Wertminderung durch die optische Beeinträchtigung deutlich übersteigen.

Viele Versicherer vertreten daher in der Regulierung des Schadenfalls die Ansicht, dass verbleibende optische Mängel hinzunehmen seien und regulieren nur eine Wertminderung in maximal dreistelliger Höhe. Viele Versicherungsnehmer wiederum verlangen vom Versicherer die vollständige Wiederherstellung, da sie sich mit der optischen Beeinträchtigung nicht abfinden möchten. Ein häufig auftretendes Beispiel für eine solche Interessenskollision findet sich beim Leitungswasserschaden im Bad, da häufig die ursprünglich verlegten Fliesen nicht mehr lieferbar sind. Hier macht es einen großen Unterschied, ob der Versicherer nur die bei der Reparatur beschädigten 3 oder 4 Fliesen durch möglichst ähnliche Fliesen ersetzen muss oder ob der Versicherungsnehmer verlangen kann, dass die gesamte Wand oder ggf. das gesamte Badezimmer neu verfliest wird.

Das OLG Hamm (Urteil vom 04.11.2015, 20 U 51/15; recht + schaden 2016, 184 ff.) hatte kürzlich die Möglichkeit, sich erneut mit den Ansprüchen des Versicherungsnehmers bei solchen Schönheitsschäden auseinander zu setzen.

Der Kläger des Verfahrens machte die Reparaturkosten für den Ersatz von drei Aluminiumrolltoren geltend, die bei einem Hagelschauer beschädigt wurden. Unstreitig war die Funktion der Rolltore nicht beeinträchtigt, es zeigten sich jedoch deutliche Hagelspuren, die nach den Feststellungen nur auf eine Entfernung von 5 m erkannt werden konnten. Teilweise wiesen die Rolltore Vorschäden auf.

Der Versicherer hat lediglich eine Entschädigung für die optische Beeinträchtigung bezahlt. Die Klage des Versicherungsnehmers auf Zahlung der Reparaturkosten wurde erstinstanzlich zurückgewiesen. Das OLG hat nun in der Berufungsinstanz das Urteil teilweise aufgehoben und den Versicherer zur teilweisen Übernahme der Kosten verurteilt.

Im Ergebnis ist die Begründung dabei salomonisch zu nennen.

Der Senat hat in seinem Urteil – unter Hinweis auf Rechtsprechung und juristische Literatur – festgestellt, dass die Frage, ob der Versicherungsnehmer Erstattung der Reparaturkosten oder nur Wertminderung verlangen kann, „sich allgemeingültigen Wertungsmaßstäben entzieht und eine Frage des Einzelfalls ist“. Im Endeffekt komme es darauf an, ob der Versicherungsnehmer bei Abwägung aller Einzelfallumstände auch als nicht versicherter Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung eine Reparatur vornehmen würde oder ob es sich um einen von ihm betriebenen Luxusaufwand handelt, dessen Ersatz der Versicherer nicht schuldet.

Die Abgrenzung (im Einzelfall) erfolge nach der Auslegung der entsprechenden Vertragsklausel. Dabei stellt der Senat fest, dass der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer erkennen werde, dass eine „notwendige“ Reparatur – für die der Versicherer die Kostenübernahme verspricht – nicht vorliegt, wenn die damit verbundenen Kosten im Verhältnis zur Beeinträchtigung völlig unverhältnismäßig sind.

Damit eröffnete sich der Senat die Möglichkeit, im Einzelfall abzuwägen und gelangte im zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt zu dem Ergebnis, dass der Versicherer die Kosten für den Austausch eines Rolltors – das keine Vorschäden aufgewiesen hat – übernehmen muss. Bei einem der verbliebenen Rolltore waren erhebliche optische Vorschäden festgestellt worden, so dass durch den Schadenfall keine Verschlechterung eingetreten ist. Hierfür erhielt der Kläger keine Wertminderung. Bei dem dritten Rolltor war der Austausch mit extrem hohen Kosten verbunden, weil hierfür eine abgehängte Decke im Innenbereich hätte entfernt werden müssen, was der Senat als unverhältnismäßig ansah. Hierfür erhielt der Kläger somit eine Entschädigung in Form einer Wertminderung.

Dass hier alle drei denkbaren Ergebnisse in einem Urteil vereint sind, ist reiner Zufall. Zuzustimmen ist jedoch dem Ansatz, dass der Versicherungsnehmer nur dann auf die Erstattung einer Wertminderung verwiesen werden kann, wenn der Aufwand für eine Reparatur „völlig unverhältnismäßig“ ist. Dies hatte das erstinstanzliche Gericht nicht berücksichtigt und in seiner Bewertung einen wesentlich geringeren Maßstab angelegt, um zu bewerten, ob der Aufwand noch verhältnismäßig ist. Dies mag auch daran liegen, dass im Schadenrecht der BGB etwas geringere Anforderungen an die Unverhältnismäßigkeit gestellt werden.

Das Urteil zeigt jedoch auch, dass in vielen Schadenabteilungen relativ vorschnell auf die Wertminderung verwiesen wird, wenn es um rein optische Beeinträchtigungen geht, denn nach der Begründung des OLG waren die Spuren des Hagelschadens deutlich erkennbar, so dass – rein abstrakt – vieles für einen Austausch spricht.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Heiko Effelsberg LL.M.

Beiträge zum Thema