Zweckentfremdungsverbot kann auch für Bauruine gelten

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Auch bei Bauruinen kann das Verbot der Zweckentfremdung in Kraft treten, entschied das Verwaltungsgericht Berlin am 18. September 2023. Demnach kann ein Gebäude, das ursprünglich für Wohnzwecke errichtet wurde, nicht allein durch bewussten jahrelangen Leerstand und den dadurch bedingten baulichen Verfall dem Zweckentfremdungsverbot entkommen.

Die Klägerin, eine Bauentwicklungsgesellschaft, erwarb im Jahr 1998 ein Mehrfamilienhaus in Berlin-Mitte mit dem Vorhaben, 23 Wohnungen zu sanieren und wiederherzustellen. Das Gebäude stand seit spätestens 1998 leer, obwohl eine Baugenehmigung für die Instandsetzung und Modernisierung vorlag, von der die Klägerin keinen Gebrauch machte. Im Jahr 2015 informierte sie das Bezirksamt darüber, dass das Gebäude nicht mehr für dauerhafte Wohnnutzung geeignet sei, da es keine Heizung, Bäder, Toiletten und instabile Böden hatte. Im Jahr 2019 beantragte die Klägerin ein sogenanntes Negativattest, in dem sie behauptete, dass die Räumlichkeiten nicht dem Zweckentfremdungsverbot für schützenswerten Wohnraum unterliegen, und sie kündigte an, das Gebäude abzureißen. Das Bezirksamt lehnte die Erteilung des Negativattests ab.

Die Klage gegen diese Entscheidung wurde von der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts abgewiesen. Das betreffende Gebäude wurde weiterhin als für dauerhafte Wohnnutzung geeignet angesehen, obwohl es in einem stark sanierungsbedürftigen und baufälligen Zustand war. Gebäude, die ursprünglich für Wohnzwecke errichtet wurden, unterliegen dem Zweckentfremdungsverbot, auch wenn sie mit vertretbarem Aufwand in einen bewohnbaren Zustand versetzt werden können. In diesem Fall konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass eine Wiederherstellung der Bewohnbarkeit unzumutbar wäre. Dies wäre nur der Fall, wenn die Kosten für die Wiederherstellung höher wären als die in zehn Jahren erzielbare Rendite. Kosten für eine Wiederherstellung, die auf mangelnde Instandsetzung und Wartung in der Vergangenheit zurückzuführen sind, wurden nicht berücksichtigt. Andernfalls könnte Wohnraum durch bewussten Leerstand zerstört und das Zweckentfremdungsverbot umgangen werden. Wenn Räumlichkeiten über einen längeren Zeitraum leer gestanden haben, ohne dass Instandhaltungsmaßnahmen ergriffen wurden, wird vermutet, dass die Kosten für die Wiederherstellung der Bewohnbarkeit vermeidbar waren und daher nicht berücksichtigt werden sollten.

Das Gericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 12.07.2023 - 6 K 264/21


Rechsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Udo Kuhlmann
Teerhof 59
29199 Bremen
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Foto(s): Udo Kuhlmann


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