10 häufige Fehler im Gewährleistungsrecht für Bauwerke: Sie sind vermeidbar! (Teil I/5)

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In meiner täglichen Arbeit auf dem Gebiet des Baurechts treten häufig gleich gelagerte Sachverhalte/Fehler auf, die vermeidbar wären. Dazu 10 Lösungen; die ersten 2 Punkte in diesem Teil:

1. Die richtigen Fristen vereinbaren

Achten Sie darauf, welches Gewährleistungsrecht, mit welchen Fristen vertraglich vereinbart wird: Vielen Bauherren und Bauunternehmern ist nicht bekannt, dass im Baurecht verschiedene Fristen für das Gewährleistungsrecht zur Anwendung kommen und warum gerade diese Normen greifen. Es sollte darauf geachtet werden, was vereinbart wurde bzw. welche Leistungen ausgeführt werden sollen.

a)

Erfolgt keine vertragliche Vereinbarung bzgl. eines Bauwerks, richten sich die Gewährleistungsfristen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – dort der § 634a BGB. Dieser enthält folgende Fristen:

  • in 2 Jahren bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht,
  • in 5 Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, und
  • in 3 Jahre, die regelmäßige Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 BGB (diese Frist beginnt kenntnisabhängig).

Daneben gibt es noch eine regelmäßig länger dauernde Sonderverjährung bei arglistigem Verhalten des Unternehmers. Davon kann man mit vertraglichen Regelungen abweichen – sind Verbraucher beteiligt (geht fast nur auf Bauherrenseite), kann eine Unterschreitung der vorstehenden Fristen unwirksam sein.

b)

Wird hingegen die Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B), dort § 13 Abs. 4 VOB/B, wirksam vereinbart – sog. VOB-Werkvertrag – so beträgt sie:

  • 4 Jahre für Bauwerke,
  • 2 Jahre für andere Werke, deren Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache besteht, und für die vom Feuer berührten Teile von Feuerungsanlagen,
  • 1 Jahr, abweichend von den vorstehenden 2 Jahren für feuerberührte und abgasdämmende Teile von industriellen Feuerungsanlagen.

Ist der Bauherr ein privater Auftraggeber/ein Verbraucher nach § 13 BGB, kann die Anwendung der VOB/B auf Initiative des Bauunternehmers nur wirksam vereinbart werden, wenn der Verbraucher bei Vertragsschluss die Möglichkeit hat, den aktuellen Text der VOB/B inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen – z. B. durch dessen Übergabe. Hat der Verbraucher einen Architekten eingeschaltet, ist dies nicht erforderlich

(OLG Frankfurt, Urteil v. 03.04.2017 – 29 U 169/16).

Häufig ist es aufgrund der aktuellen Rechtsprechung allerdings so, dass die VOB/B nicht wirksam vereinbart wurde bzw. die Regelungen nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – § 305 ff. BGB – unwirksam sind. Dann greift wieder das Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), § 634a BGB.

c)

Bei der Herstellung von Bauwerken kommt es auch dazu, dass kein Bauvertrag geschlossen wird, sondern lediglich ein Werklieferungsvertrag oder ein reiner Kaufvertrag mit einer Verpflichtung zur Montage – die dazu ergangene Rechtsprechung ist mittlerweile recht umfangreich. Insbesondere bei Solaranlagen kommt dies zum Tragen.

Kaufvertrag:

  • Lieferung einer Solaranlage bzw. Photovoltaikanlage, mit der die Heizung unterstützt und Warmwasser bereitet wird und die Anlage aus Standardkomponenten besteht sowie die Materialkosten, die Montagekosten wesentlich übersteigen: 2 Jahre Gewährleistungsfrist

(OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.11.2015 – 1 U 51/15, nach ibr)

  • Der Vertrag über den Erwerb einer Windkraftanlage: nur 2 Jahre Gewährleistungsfrist

(OLG Schleswig, Urteil vom 07.09.2007 – 4 U 156/06, nach ibr)

Dann regelt sich die Gewährleistungsfrist nach § 438 BGB:

  • in 5 Jahren bei einem Bauwerk und bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat und
  • 2 Jahre im Übrigen.

Auch hier gibt es – wie oben – die Sonderverjährung für arglistiges Verhalten. Das OLG Saarbrücken hat in der vorstehenden Entscheidung eine Gewährleistungsfrist von lediglich zwei Jahren angenommen; geklagt wurde erst nach Ablauf von zwei Jahren.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen deutlich, wie wichtig es ist, bei Abschluss des Vertrages entweder ausdrücklich auf die jeweiligen gesetzlichen Regelungen Bezug zu nehmen bzw. die Vertragsarten richtig zu wählen.

2. Augen auf bei der Abnahme

Legen Sie Wert auf eine gut dokumentierte Abnahme: Die Gewährleistungsverjährung beginnt regelmäßig mit der Abnahme der erbrachten Werkleistung. Die Abnahme findet sich für die verschiedenen Vertragsarten in:

  • § 640 BGB für den BGB-Werkvertrag,
  • § 12 VOB/B.

Die Dokumentation einer Abnahme ist aus rechtlicher Sicht von großer Bedeutung. Ab diesem Zeitpunkt gilt das Gewährleistungsrecht und die Gewährleistungsfristen beginnen zu laufen und ein Gefahrübergang tritt ein. Regelmäßig erfolgt die Abnahme durch das Ausfüllen und die Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls – sog. förmliche Abnahme.

Auch besteht eine Pflicht zur Abnahme. So heißt es in § 12 Abs. 1 VOB/B:

„Verlangt der Auftragnehmer nach der Fertigstellung – gegebenenfalls auch vor Ablauf der vereinbarten Ausführungsfrist – die Abnahme der Leistung, so hat sie der Auftraggeber binnen 12 Werktagen durchzuführen; eine andere Frist kann vereinbart werden.“

Auch gem. § 640 Abs. 1 BGB besteht eine Pflicht zur Abnahme.

Sowohl Bauherren als auch Auftragnehmer kennen häufig nicht die weiteren gesetzlich geregelten Abnahmemöglichkeiten, die sog. konkludente Abnahme: § 640 Abs. 2 BGB bzw. § 12 Abs. 5 VOB/B.

Die konkludente Abnahme ist rechtlich problematisch, da sie u. a. von einer Vielzahl von Faktoren abhängen kann – es existiert eine große Zahl von Urteilen dazu. Sie sollten sowohl als Bauherr, als auch als Auftraggeber darauf achten, dass die Abnahme möglichst schriftlich erfolgt. Die Unsicherheit bei einer konkludenten Abnahme kann

  • u. a. für den Bauherrn dazu führen, das Gewährleistungsrechte bereits verjährt sind; der Bauunternehmer muss hingegen damit rechnen, dass die Gewährleistungsfristen erst deutlich später oder noch gar nicht zu laufen begonnen haben.
  • u. a. bei einem wesentlichen Mangel darf der Unternehmer nicht erwarten, dass eine konkludente Abnahme eintritt; wird ein wesentlicher Mangel gerügt, tritt keine konkludente Abnahme z. B. durch die Nutzung ein

(BGH, Urt. v. 05.11.2015 – VII 43/15)

Werden bei bzw. kurz nach Einzug (wesentliche) Mängel gerügt, steht dies einer Abnahme der Werkleistung entgegen

(OLG Karlsruhe, Urt. H. 05.02.2016 – 8 U 16/04, nach ibr: hier die Architektenleistung)

Sogar die fehlende Übergabe von Revisionsplänen kann einen wesentlichen Mangel darstellen, der einer konkludenten Abnahme bzw. einer Abnahmereife entgegensteht.

(BGH, Beschl. v. 18.06.2009 – VII ZR 184/08)

Nach aktuellem Recht kann die Abnahme sowohl bei einem BGB-Werkvertrag als auch bei einem VOB-Werkvertrag verweigert werden. Dafür muss nach § 12 Abs. 3 VOB/B ein wesentlicher Mangel vorliegen; nach § 640 Abs. 1 S. 2 BGB kann die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigert werden.

Im Rahmen der Abnahme ist darauf zu achten, dass mit dem Abnahmeprotokoll keine – vom Vertrag abweichenden Verjährungsfristen bzw. Datumsangaben vereinbart werden. Es gab schon Bauherren, die von 5 Jahren Gewährleistung nach dem Vertrag – durch die abweichende Vereinbarung im gemeinsam unterzeichneten Abnahmeprotokoll – nur noch 4 oder weniger Jahre als Frist hatten.

(BGH, Urt. v. 27.09.2019 – VII ZR 45/17: von 4 Jahren auf 3 Jahr).

Umgekehrt können Gewährleistungsfristen im Abnahmeprotokoll auch zulasten des Unternehmers verlängert werden.

(OLG Bamberg, Urt. v. 26.06.2018 – 5 U 99/15, nach ibr: von 5 auf 10 Jahre für ein Dach)

Sind (unwesentliche) Mängel bei der Abnahme vorhanden, werden diese im Abnahmeprotokoll so genau wie möglich notiert und eine Frist zur Nachbearbeitung vereinbart. Sie haben als Bauherr sodann die Möglichkeit gem. § 641 Abs. 3 BGB, von der (Rest-)Werklohnforderung einen Teil zurückzubehalten; angemessen ist dabei der doppelte Wert der für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten. Auch schließen Mängelvorbehalte in einem Abnahmeprotokoll eine einfach zu führende Urkundenklage des Unternehmers auf (Rest-)Werklohn aus.

(BGH, Beschl. v. 18.01.2017 – VII ZR 22/15)

Die Ausführungen zeigen, dass (spätere) Probleme vermeidbar sind, wenn man von Anfang an auf wichtige Eckpunkte einer Vertragsabwicklung achtet.

Ihr RFTH-Kanzleiteam aus Thüringen

Stefan Swierczyna

Fachanwalt f. Bau- u. Architektenrecht



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