Rechtswidriger Anschlussbeitragsbescheid – wer nichts tut hat Pech!

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Bestandskräftige Anschlussbeitragsbescheide müssen nicht von der Kommune bzw. dem Zweckverband gem. 130 Abs. 1 Abgabenordung (AO) aufgehoben werden, wenn andere Beitragspflichtige Bürger bzw. Adressaten ihre Bescheide (durch Widerspruch/ Anfechtungsklage) wirksam angegriffen haben und diese darauf von der Widerspruchsbehörde oder dem Gericht aufgehoben wurden.

OVG Berlin-Brandenburg, 12.11.2019 – 9 B 40.18, und das VG Cottbus, Urt. v. 29. Oktober 2019 – 6 K 707/18 – nach juris

Zwar kann nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG) in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Allerdings hat der Betroffene, welcher gegen seinen rechtswidrigen Bescheid nichts unternommen hat, keinen Anspruch darauf.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat daher vorstehend entschieden, dass der Märkische Abwasser- und Wasserzweckverband und der Wasser- und Abwasserzweckverband Werder/Havelland nicht verpflichtet ist, bestandskräftig gewordene Anschlussbeitragsbescheide aufzuheben, wenn sie nach dem Beschluss des BVerfG vom 12.11.2015 als rechtswidrig erscheinen.

Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt grds. kein höheres Gewicht zu als dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Eine Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn der Bescheid im Zeitpunkt des Erlasses offensichtlich rechtswidrig war. Auch aus dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG ergibt sich nichts anderes.

Die „Offensichtlichkeit“ begründenden Umstände sind grundsätzlich dann gegeben, wenn die Behörde den bestandskräftigen Bescheid in Kenntnis seiner Rechtswidrigkeit erlassen hat. So auch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht in Entscheidungen aus den Jahren 2008 und 2011.

Für Thüringen heißt das: 

Da die Kommunalabgabengesetze der Bundesländer, wie u. a. in Thüringen der § 15 Abs. 1 Nr. 3 b) ThürKAG, regelmäßig auf die bundesrechtliche Abgabenordnung und damit auch auf § 130 AO verweisen, ist diese Entscheidung auch für andere Bundesländer richtungsweisend:

  • Die Entscheidungen entlasten die Kommunen/ Zweckverbände nachhaltig. 
  • Für den Bürger bzw. Beitragsschuldner lautet die Konsequenz: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Dritte Widerspruch einlegen oder klagen!

Stefan Swierczyna

Fachanwalt f. Verwaltungsrecht 

Ihr RFTH-Team aus Thüringen


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