Anfechtung des Freiversuchs trotz Wiederholungsprüfung

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Mit Urteil v. 05.03.2009 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass Examenskandidaten, die die erste juristische Staatsprüfung im Freiversuch bestanden haben, ihr Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung des nach nicht bestandskräftig festgesetzten Ergebnisses des Freiversuchs auch nach bestandener Wiederholungsprüfung behalten, selbst wenn die Wiederholungsprüfung besser bewertet worden ist als der Freiversuch.

Der Kläger erzielte im Freischuss ein Gesamtergebnis von 7,4 Punkten, nachdem er erfolgreich die Hausarbeit angefochten hat. Zum Zwecke der Notenverbesserung unterzog sich der Kläger einer Wiederholungsprüfung und erzielte die Gesamtnote „befriedigend (7,85 Punkte). Da er mit der Anhebung der Bewertung seiner Hausarbeit durch die Korrektoren nicht zufrieden war, begehrte er die Verpflichtung des Justizprüfungsamts, seine im Rahmendes Freiversuchs der ersten juristischen Staatsprüfung geschriebene Hausarbeit durch andere Korrektoren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bewerten zu lassen.

Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Urteil v. 24. 04. 2007 (5 E 3249/05) die Klage als unzulässig abgewiesen, weil dem Kläger nach dem Bestehen der Wiederholungsprüfung mit einem besseren Ergebnis das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung der Bewertung seiner Prüfungsleistungen im bestandenen Freiversuch fehle. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof konnte der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Gießen nicht folgen und entschied, dass dem Kläger durchaus ein Rechtsschutzbedürfnis zustehe. Dies wurde u.a. damit begründet, dass vom Gesetzgeber eine Verbesserung der Rechtsstellung der Freiversuchskandidaten beabsichtigt war, um deren rechtspolitisch erwünschten Mut zum Risiko bei der (ersten) Examensmeldung zu honorieren. Das Gericht führte u.a. wie folgt weiter aus:

„... sei nicht ersichtlich, warum diese Kandidatengruppe hinsichtlich der Anfechtung des im ersten Prüfungsversuch erzielten Examensergebnisses schlechter gestellt werden soll als diejenigen Kandidaten, die sich nach nicht bestandener Erstprüfung einer Wiederholungsprüfung unterziehen müssen und bei denen kein Streit darüber besteht, dass sie durch eine bestandene Wiederholungsprüfung nicht ihr Rechtsschutzbedürfnis für Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen hinsichtlich der Erstprüfung verlieren.

[...]

Denn mit der Einführung der Wiederholungsprüfung zur Notenverbesserung nach bestandenem Freiversuch durch Einfügung des § 21a Abs. 5 JAG 1994 mit Gesetz vom 19. Januar 1994 (GVBl. I Seite 74) sind Prüflinge, die in einem Freiversuch ein für sie unbefriedigendes Ergebnis erzielt haben, jenen Kandidaten gleichgestellt worden, die außerhalb des Freiversuchsverfahrens im ersten Anlauf die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden haben (§ 21 Abs. 1 JAG 1994). Bei dieser Vergleichsgruppe kann wegen des „Makels des Nichtbestehens" nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel bestehen, dass auch nach bestandener Wiederholungsprüfung ein Rechtsschutzbedürfnis für Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen in Bezug auf den ersten Prüfungsversuch besteht."

(Hessischer VGH, Urt. v. 05.03.2009 - 8 A 1037/07)


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