Erfolg im Rahmen eines Antrags auf Nachteilsausgleich für einen Studierenden

  • 4 Minuten Lesezeit

Erfolg im Rahmen eines Antrags auf Nachteilsausgleich

Teipel & Partner Rechtsanwälte erzielen die Neubescheidung eines abgelehnten Antrags auf Nachteilsausgleich.

Was war passiert?

Unsere Mandantschaft beantragte gegenüber dem Prüfungsamt der Hochschule einen Antrag auf Nachteilsausgleich für die Durchführung der noch anstehenden Prüfungsleistungen. Grund der Beantragung war, dass sie u.a. unter Autismus leidet, eine Spektrum Störung aufweist und zudem an Skoliose erkrankt ist. Dem Antrag auf Nachteilsausgleich fügte sie mehrere ärztliche Atteste bei, die die jeweiligen Erkrankungen bestätigten und zugleich gegenüber der Hochschule aufzeigten, welche Kompensation im Rahmen der Absolvierung von Prüfungsleistungen empfehlenswert wäre.

Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sah keine Veranlassung, den Sachverhalt weiter aufzuklären, sondern lehnte den Antrag unmittelbar ab. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass auch bei Vorliegen einer Behinderung kein Anspruch auf Nachteilsausgleich bestehe. Die Entscheidung darüber stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Prüfungsausschussvorsitzenden. Die Erkrankungen seien keine körperlichen Gebrechen, sondern würden lediglich die kognitiven Fähigkeiten der Klägerin einschränken. Hierfür könne kein Nachteilsausgleich gewährt werden. Zudem zähle Prüfungsstress zum Risikobereich des Prüflings. Problematisch war, dass es keine Möglichkeit gab, die Ablehnung mittels eines Widerspruchsverfahrens außergerichtlich überprüfen zu lassen. Unsere Mandantschaft konnte nur noch Klage erheben.

Prüfung der Erfolgsaussichten

Teipel & Partner Rechtsanwälte wurden sodann mit der Durchführung des Klageverfahrens beauftragt. Nach erster Einschätzung hatte der Prüfungsausschussvorsitzende offenbar sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, zumal unsere Mandantschaft zur Glaubhaftmachung mehrere ärztliche Atteste einreichte, die in sich schlüssig und plausibel waren. Ohne weitere Sachverhaltsaufklärung wurde der Antrag jedoch unmittelbar mit einer recht fadenscheinigen Begründung abgelehnt.

In dem gerichtlichen Verfahren wurde das Klagebegehren unserer Mandantschaft auf angemessene Kompensation ihrer Beeinträchtigungen umfangreich mit Rechtsprechung und weiterer ärztlicher Atteste begründet.

Anspruch von Studierenden mit körperlichen Beeinträchtigungen

Die sich aus dem grundrechtlich gewährleisteten Gebot der Chancengleichheit ableitende Maßnahme des Nachteilsausgleichs dient in erster Linie der Herstellung chancengleicher äußerer Bedingungen für die Erfüllung der Leistungsanforderungen durch alle Prüflinge (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.07.2015 - 6 C 35/14 -, juris, Rn. 15 f.; OVG NRW, Beschl. v. 08.06.2020 - 19 E 464/19 -, juris, Rn. 7.). Insoweit soll das aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG folgende Gebot der Chancengleichheit gewährleisten, dass alle Prüflinge möglichst gleiche Chancen haben, die Leistungsanforderungen zu erfüllen.

Um dies zu erreichen, sollen die Bedingungen, unter denen die Prüfung abgelegt wird, für alle Prüflinge möglichst gleich sein. Das bedeutet, dass grundsätzliche einheitliche Regeln für Form und Verlauf der Prüfungen gelten und die tatsächlichen Verhältnisse während der Prüfung gleichartig sein müssen. Solche einheitlichen Prüfungsbedingungen sind jedoch geeignet, die Chancengleichheit derjenigen Prüflinge zu verletzen, deren Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, erheblich beeinträchtigt ist. Diesen Prüflingen steht deshalb ein (auch) unmittelbar aus den Grundrechten abgeleiteter Anspruch auf Änderung der einheitlichen Prüfungsbedingungen im jeweiligen Einzelfall zu. Den Schwierigkeiten des jeweiligen Prüflings, seine vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei Geltung der einheitlichen Bedingungen darzustellen, muss durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen Rechnung getragen werden, um chancengleiche äußere Bedingungen für die Erfüllung der Leistungsanforderungen herzustellen (BVerwG, Urt. v. 29.07.2015 - 6 C 35/14 -, juris, Rn. 15 f.; VG Münster, Beschl. v. 28.08.2017 - 1 L 1154/17 -, juris, Rn. 16). Ein Prüfling, dessen Unvermögen, innerhalb der festgesetzten Prüfungszeit oder unter regulären Prüfungsbedingungen zumindest ausreichende Ergebnisse zu erzielen, nicht in der geistigen Leistungsfähigkeit, sondern in körperlichen Beeinträchtigungen begründet ist, hat daher grundsätzlich Anspruch auf Ausgleich dieses Nachteils. Denn in diesem Fall liegen Behinderungen der Darstellungsfähigkeit vor, die dem Prüfling lediglich den Nachweis der möglicherweise durchaus vorhandenen Befähigung erschweren und deren Auswirkungen auch später im Berufsleben ausgeglichen werden können. In diesen Fällen gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit, den Nachteil der Darstellungsfähigkeit insoweit auszugeichen, dass die Prüfungsbedingungen des Prüflings denen nichtbehinderter Mitprüflinge entsprechen, er mithin in der Lage ist, seine geistige Leistungsfähigkeit so wie die seiner Mitprüflinge darzulegen. Im Wege des Nachteilsausgleichs soll Kandidaten mit Beeinträchtigungen somit die Teilnahme an der Prüfung und damit einhergehend die Darstellung ihrer Leistungsfähigkeit ermöglicht werden. Dabei darf der behinderungsbedingte Nachteil durch die Ausgleichsmaßnahmen jedoch nicht überkompensiert werden und nicht zu einer Privilegierung des behinderten Prüflings gegenüber den anderen Kandidaten führen. Dieser darf keinen Vorteil erlangen, der die Chancengleichheit seiner Mitprüflinge verletzen würde (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 04.01.2010 – 7 CE 09.2900 –, juris).

Nachdem die dezidierte Klagebegründung der Hochschule zugestellt wurde, meldete diese sich außergerichtlich und bat um die Vorlage weiterer ärztlicher Atteste. Nachdem weitere ärztliche Atteste eingereicht worden waren, entschloss sich der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und mehrere Kompensationen für unsere Mandantschaft für die Ableistung von Prüfungsleistungen anzubieten. So wurde unserer Mandantschaft u.a. ein separater Prüfungsraum sowie eine 15-minütige Pause gewährt, um Dehnübungen durchzuführen. Gruppenleistungen wurden entsprechend in Einzelprüfungsleistungen umgewandelt.

Damit war das Klagebegehren unserer Mandantschaft erreicht und das Verfahren konnte für erledigt und der Gegenseite die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

Empfehlung für die Praxis an Hochschulen und für betroffene Studierende

Hochschulen und deren Prüfungsausschüsse sind daran gehalten, Anträge auf Nachteilsausgleich nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung abzulehnen. Oftmals bestehen komplexe Erkrankungen bei den betroffenen Studierenden, die teilweise eine nähere medizinische Aufklärung erfordern. Die unmittelbare Ablehnung ohne ein Anhörungsverfahren empfiehlt sich in solchen Fällen gerade nicht, da derartige Verfahrenspraktiken in aller Regel rechtswidrig sind. Hochschulen sollten daher auch prüfen lassen, welche konkreten Vorgaben in ihrem eigenen Satzungsrecht bestehen, um die Verfahren zu vereinheitlichen.

Betroffene Studierende sollten Ablehnungsentscheidungen ohne Kompensation ihrer Beeinträchtigungen überprüfen lassen, denn immerhin steht der Studienabschluss auf dem Spiel und bei körperlichen Beeinträchtigungen sollte stets gewährleistet bleiben, dass die Prüfungsbedingungen für alle Studierenden gleich sind.

Teipel & Partner Rechtsanwälte beraten bundesweit sowohl Hochschulen, um deren Prüfungsordnungen einheitlich und rechtssicher zu gestalten und betroffene Studierende, um deren Recht auf Gleichbehandlung, notfalls auch gerichtlich, durchzusetzen.

Foto(s): @teipel

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Reckling

Beiträge zum Thema