Anwalt bei Vorladung, Anklage, Strafbefehl - Widerstand oder tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte

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Der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte kann in zahlreichen Konstellationen im Raum stehen. Bei der Auflösung einer Demonstration, aber auch bei Angriffen auf Polizeibeamte während diese auf Streife sind, können diese Vorwürfe auftauchen.

So tauchten zum Beispiel im Zusammenhang mit der Silvesternacht 2022/2023 oder der Protestaktion von Klimaaktivisten in Lützerath im Januar 2023 unter anderem diese Vorwürfe zum Teil auf.

Wie hoch ist die Strafe für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte?

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist gem. § 113 Abs.1 StGB grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. In sogenannten besonders schweren Fällen droht eine höhere Strafe, nämlich eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren (§ 113 Abs.2 StGB).


Ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist gem. § 114 Abs.1 StGB grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bedroht. Auch hier ist eine höhere Strafe für besonders schwere Fälle angeordnet (§ 114 Abs.2 StGB).

Wann macht man sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar?

Strafbar ist das Widerstand leisten gegen Vollstreckungsbeamte, die gerade dabei sind, eine (rechtmäßige) Diensthandlung vorzunehmen. Wichtig ist im Rahmen des § 113 StGB der konkrete Bezug zu der Vornahme einer Diensthandlung.


Widerstand in diesem Sinne ist solcher, der mittels Gewalt oder der Drohung mit Gewalt geleistet wird.

Widerstand Leisten meint ein aktives Tun, das den Vollstreckungsbeamten nötigen und somit die Vollstreckung der in Frage stehenden Maßnahme verhindern oder jedenfalls erschweren soll (BGH, Beschluss v. 15.01.2015 – 2 StR 204/14).


Vollstreckungsbeamte im Sinne des § 113 Abs.1 StGB können Amtsträger und Soldaten der Bundeswehr sein, soweit diese berufen sind zur Vollstreckung von …

  • Gesetzen,
  • Rechtsverordnungen,
  • Urteilen,
  • Gerichtsbeschlüssen oder
  • Verfügungen.


Unter Vollstreckungshandlung versteht man dann eine auf Durchsetzung einer Regelung des konkreten Falls gerichtete Handlung durch die hierzu berufene Person, wodurch der staatliche Wille realisiert werden soll, zur Not mit Zwang (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 11.06.2020 – 5 StR 157/20).

Was ist Gewalt und was ist die Drohung mit Gewalt?

Gewalt zeichnet sich durch durch zielgerichtete Kraft ausgeübten auf den Körper wirkenden Zwang aus (vgl. BayObLG, Beschluss v. 01.06.2021 – 202 StRR 54/21 in openJur 2021, 20649). Es bedarf einer körperlichen Spürbarkeit für den Vollstreckungsbeamten, wobei dies in diesem Zusammenhang entweder direkt geschehen kann oder mittelbar durch eine Einwirkung auf Sachen (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 15.01.2015 – 2 StR 204/14).


Einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten mittels Gewalt bejahte der BGH zum Beispiel in einem Fall, in dem es um plötzliches Abbremsen ging. Dies stellte einen Fall der körperlichen Kraftentfaltung auf Sachen dar, die sich auf den Vollstreckungsbeamten auswirkte. Vgl. BGH, Beschluss v. 13.05.2020 – 4 StR 607/19.


Unter Drohung mit Gewalt im Sinne des § 113 StGB versteht man das Inaussichtstellen der Anwendung von Gewalt. Dies muss nicht zwingend ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch aus den Umständen ergeben. Vgl. BGH, Beschluss v. 11.06.2020 – 5 StR 157/20.

Mache ich mich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar, wenn die Diensthandlung rechtswidrig ist?

Nein. Strafbarer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne des § 113 StGB setzt voraus, dass die Diensthandlung, die der Vollstreckungsgerade im Inbegriff ist vorzunehmen, rechtmäßig ist.

Selbst wenn der Täter davon ausgeht, dass die tatsächlich rechtswidrige Diensthandlung rechtmäßig sei, so wird er nicht wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bestraft (§ 113 Abs.3 S.2 StGB).

Mache ich mich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar, wenn ich davon ausgehe, dass die tatsächlich rechtmäßige Diensthandlung rechtswidrig ist?

Geht der Täter irrig davon aus, dass die tatsächlich rechtmäßige Diensthandlung rechtswidrig ist und war dieser Irrtum vermeidbar, so besteht für das Gericht die Möglichkeit, die Strafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu mildern oder – soweit die Schuld gering ist – sogar gänzlich von einer Bestrafung abzusehen (§ 114 Abs.4 StGB). Zu beachten ist, dass diese Folge nicht automatisch und nicht zwingend eintreten muss. Es handelt sich dabei um eine Entscheidung, die im Ermessen des Gerichts liegt.


Tatsächlich ist in diesem Zusammenhang auch ein Fall normiert, in dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nicht nach § 113 StGB strafbar sein soll. Dies nämlich dann, wenn der Irrtum, dass die Diensthandlung rechtswidrig sei, nicht vermeidbar war und es dem Täter nach den Umständen auch nicht zuzumuten war, gegen diese – seinem Vorstellungsbild nach – rechtswidrige Diensthandlung mittels Rechtsbehelfen vorzugehen (§ 113 Abs.4 S.2 StGB). War ihm das Vorgehen mittels Rechtsbehelfen in dieser Konstellation zumutbar, besteht dennoch die Möglichkeit einer Strafmilderung oder des Absehens von einer Bestrafung durch das Gericht.

Ist es strafbarer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, wenn ich den Anweisungen eines Polizisten nicht Folge leiste?

Wird einer Weisung eines Polizeibeamten schlicht nicht Folge geleistet, so liegt hierin der Regel nicht direkt ein nach § 113 Abs.1 StGB strafbarer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Das liegt daran, dass es hier an dem Element der Gewalt oder der Drohung mit Gewalt regelmäßig fehlt. Diese ist bei solch passivem Verhalten in der Regel zu verneinen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth verneinte zum Beispiel eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte für die Konstellation, dass Polizisten jemanden fesseln wollten und dieser seine Arme unter seinem Körper versteckte (LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 16.06.2020 – 15 Ns 201 Js 13894/19 in openJur 2021, 32274).

Ist die Flucht vor der Polizei strafbar?

Die Flucht vor der Polizei kann strafbar sein, muss es aber nicht unbedingt. Im Zusammenhang mit der Flucht vor der Polizei können Straftaten begangen werden. Das ist abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls. Findet die Flucht zum Beispiel mit einem Kfz statt und liefert man sich eine „Verfolgungsjagd“ mit der Polizei, so steht gegebenenfalls der Vorwurf eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs.1 Nr.3 StGB im Raum. Werden Sachen bei der Flucht beschädigt, kann unter Umständen eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung drohen.


Ebenso stellt sich die Frage, ob die Flucht vor der Polizei strafbarer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist. Der BGH verneint dies für die reine Flucht vor der Polizei. Das liegt daran, dass der Widerstand, wie bereits dargelegt, eine Art von Zwang sein muss. Die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit Gewalt ist erforderlich. Hieran fehlt es bei einer bloßen Flucht. Vgl. BGH, Beschluss v. 15.01.2015 – 2 StR 204/14.


Das bedeutet aber nicht, dass bei der Flucht vor der Polizei niemals eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB bestehen kann. Nur die reine Flucht genügt hierfür nicht. Wird im Zusammenhang mit einer Flucht Zwang bzw. Gewalt oder die Drohung mit Gewalt verübt, so kann gegebenenfalls auch der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Raum stehen.

Wann macht man sich wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte strafbar?

Nach § 114 Abs.1 StGB ist der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte strafbewehrt. Der geschützte Personenkreis (also die Vollstreckungsbeamten) ist derselbe wie im Rahmen des § 113 Abs.1 StGB.

Strafbar ist dann der tätliche Angriff dieser Personen bei einer Diensthandlung. Ein tätlicher Angriff  ist eine unmittelbare körperliche Einwirkung auf eine andere Person in feindseliger Willensrichtung (BGH, Beschluss v. 13.05.2020 – 4 StR 607/19). Hier kann zum Beispiel an Körperverletzungshandlungen gedacht werden.

Zu beachten ist aber, dass es nicht unbedingt einer tatsächlichen körperlichen Berührung bedarf (vgl. z.B. OLG Hamm, Urteil v. 10.12.2019 – 4 RVs 88/19 in openJur 2020, 1253). Es bedarf auch nicht notwendigerweise einer tatsächlichen Verletzung des Angegriffenen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 16.06.2020 – 15 Ns 201 Js 13894/19 in openJur 2021, 32274).

Der Unterschied zur Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte besteht insbesondere darin, dass es nicht einer Verbindung zu einer konkreten Diensthandlung bedarf (vgl. BT Drucksache, 18/11161 v. 14.02.2017 S.9).

Wann droht eine höhere Strafe für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte?

Sowohl für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, als auch für den tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte normiert das Gesetz sogenannte besonders schwere Fälle, in denen eine höhere Strafe drohen kann (Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren).

Wichtig: Die im Gesetz genannten Fälle sind Regelbeispiele. Das bedeutet, dass in diesen Fällen in der Regel ein besonders schwerer Fall vorliegt. Im Ergebnis kommt es aber auf die Wertung des Einzelfalles an; ob der in Frage stehende Fall eine vom „Normalfall“ abweichende entsprechende Schwere aufweist. Die beispielhafte Aufzählung ist damit auch nicht abschließend.

Ein besonders schwerer Fall kann zum Beispiel vorliegen, wenn der Täter „eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt“ (§ 113 Abs.2 S.2 Nr.1 StGB) oder „die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird“ („ 113 Abs.2 S.2 Nr.3 StGB).

Ist auch der Angriff auf Rettungssanitäter und Feuerwehrleute im Einsatz strafbarer Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte?

Ja, auch der Angriff auf zum Beispiel Rettungssanitäter oder Feuerwehrleute im Einsatz kann strafbar sein. Dies normiert § 115 StGB, wonach der Widerstand gegen oder tätliche Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, strafbar ist.

Zum Einen werden hier Personen, die zwar keine Amtsträger sind, aber gleichwohl polizeiliche Aufgaben wahrnehmen oder als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft tätig sind, den Vollstreckungsbeamten im Sinne der §§ 113, 114 StGB gleichgestellt (§ 115 Abs.1 StGB). Gleiches gilt für Hilfspersonen bei der Vornahme der in Frage stehenden Diensthandlung (§ 115 Abs.2 StGB).


Die Rettungssanitäter oder Feuerwehrleute (beispielsweise) werden über § 115 Abs.3 StGB geschützt.

Hiernach ist Widerstand (durch Gewalt oder die Drohung mit eben dieser) und tätlicher Angriff auf die genannten Personen bei Unglücksfällen, Not oder gemeiner Gefahr strafbar.

Hierzu zählen Hilfeleistende …

  • der Feuerwehr,
  • des Katastrophenschutzes,
  • eines Rettungsdienstes,
  • eines ärztlichen Notdienstes oder
  • einer Notaufnahme

(§ 115 Abs.3 S.1 StGB).


Unter Gewalt in diesem Sinne kann übrigens auch schon das Versperren des Zugangs zum Unfallort oder die Verursachung eines erheblichen Umwegs, um dorthin zu gelangen, fallen (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 10.03.2022 – 4 RVs 2/22 in openJur 2022, 6923).


Zu beachten ist, dass eine Strafbarkeit nach § 115 Abs.3 StGB nicht erst dann droht, wenn das Hilfeleisten gänzlich oder endgültig verhindert wird. Eine Strafbarkeit kann bereits durch die Verursachung einer Beeinträchtigung einer gewissen Erheblichkeit begründet werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 10.03.2022 – 4 RVs 2/22 in openJur 2022, 6923)



Sie können hieran gut sehen, dass eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in zahlreichen Situationen drohen kann.

Sollten Sie mit einem solchen Vorwurf konfrontiert sein und beispielsweise eine Vorladung von der Polizei, eine Anklage von der Staatsanwaltschaft oder einen Strafbefehl erhalten haben, sollten Sie sich bestenfalls so schnell wie möglich an einen auf das Strafrecht spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht wenden. Insbesondere bei Erhalt eines Strafbefehls, ist zügiges Vorgehen erforderlich, da hier die Einspruchsfrist sehr kurz bemessen ist.

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