Anwalt bei Vorladung, Anklage, Untersuchungshaft, Hausdurchsuchung Vorwurf Totschlag

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Fast 1500 Fälle von Totschlag erfasst die polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2021. Die meisten Fälle davon blieben im Versuchsstadium (das heißt das Opfer überlebte; auch der Versuch eines Totschlags ist aber grundsätzlich strafbar). Nahezu 3000 Fälle von Straftaten gegen das Leben erfasst diese Kriminalitätsstatistik insgesamt.

Wie hoch ist die Strafe für Totschlag?

Totschlag wird grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bestraft (§ 212 Abs.1 StGB). In sogenannten besonders schweren Fällen eines Totschlags ist die Strafandrohung höher (lebenslange Freiheitsstrafe, § 212 Abs.2 StGB).

Liegt ein minder schwerer Fall eines Totschlags vor, so ordnet das Gesetz eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren an (§ 213 StGB). Vereinfacht ausgedrückt beschreibt § 213 StGB zum Beispiel Fälle, bei denen der Täter durch beispielsweise zugefügte Misshandlung aus Zorn „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ wurde (§ 213 StGB). Abschließend normiert sind die minder schweren Fälle des Totschlags in § 213 StGB aber nicht.

Ist ein Totschlag in Abgrenzung zum Mord immer die Tötung im Affekt?

Nein. Zunächst einmal liegen sowohl dem Vorwurf des Totschlags als auch dem Vorwurf des Mordes vorsätzliche Tötungen zugrunde, also willentliche Tötungen in Kenntnis der Tatumstände.

Sowohl ein Totschlag als auch ein Mord können von langer Hand geplant oder aufgrund eines spontanen Entschlusses erfolgt sein.

Der Unterschied liegt vielmehr darin, dass ein Mord ein Totschlag ist, bei dem noch bestimmte Mordmerkmale (wie bspw. Habgier, Heimtücke, Grausamkeit oder Verdeckungsabsicht) hinzukommen.

Wann macht man sich wegen Totschlags strafbar?

Im Grunde ist der gesetzliche Tatbestand des Totschlags zunächst recht simpel. Bestraft wird die vorsätzliche kausal (ursächliche) herbeigeführte und zurechenbare Tötung eines anderen Menschen.

In der Folge ist die Selbsttötung straflos. Auch die Beihilfe (das Hilfeleisten) zum Suizid ist straflos.

Aber auch in solchen auf den ersten Blick zahlenmäßig wenigen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit können zahlreiche Probleme liegen und Facetten zu beachten sein.

Die hohe Hemmschwelle zur Tötung eines Menschen

Der Täter muss vorsätzlich töten. Im Hinblick auf diesen Vorsatz ist zu beachten, dass davon ausgegangen wird, dass eine recht hohe Hemmschwelle besteht, einen anderen Menschen zu töten. In der Folge sind höhere Anforderungen an die Feststellung des Vorsatzes zu stellen.

Da der Vorsatz etwas subjektives, „im Inneren“, des Täters ist, ist aufgrund objektiver Feststellungen auf den Vorsatz zu schließen. Indizien für die Feststellung von Tötungsvorsatz kann zum Beispiel die Vornahme einer besonders gefährlichen Tathandlung sein, bei der sich ggf. die Todesgefahr für das Opfer sogar aufdrängt (wohl z.B. wenn der Täter 20 mal mit einem großen Messer in die Brust bzw. in die Herzgegend sticht).

Macht man sich wegen Totschlags strafbar, wenn das Opfer die Tötung verlangte?

Ein weiteres zu beleuchtendes Feld im Rahmen des Totschlages sind die Konstellationen, in denen das Opfer sich selbst gefährden oder sogar sterben möchte. Dieses Feld ist weit und reicht von leichtsinnigen Mutproben über die Tötung auf Verlangen bis hin zum assistierten Suizid.


Ein zu beachtender Aspekt ist in diesem Zusammenhang nämlich stets, dass der Suizid nicht strafbar ist. In der Folge ist auch eine Beihilfe (das vorsätzliche Hilfeleisten) zum Suizid nicht strafbar. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe setzt nämlich das Bestehen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat voraus (die dann gefördert wird).

Wann wird aus einem Totschlag eine Tötung auf Verlangen?

Gem. § 216 StGB ist die Tötung auf Verlangen strafbewehrt. Dabei handelt es sich um eine Privilegierung zum Totschlag. Die Strafe ist hierbei im Vergleich zu § 212 StGB (Totschlag) milder (Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren). Der Umstand, der hier den Unterschied macht, ist die Bestimmung zur Tötung durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Opfers. Tatherrschaft hat also hier nicht das Opfer selbst, aber die Tötung erfolgt aufgrund des Willens des Opfers. An das Verlangen sind – wie die Einschränkungen „ausdrücklich“ und „ernstlich“ bereits zeigen – hohe Anforderungen zu Stellen. Willensmängel des Opfers (wenn das Verlangen also auf einem Irrtum beruht) schließen das privilegierende Verlangen aus.


Die (strafbare) Tötung auf Verlangen beschreibt die sog. aktive Sterbehilfe.

Die Tötung muss dem Täter zurechenbar sein

Eine der Knackpunkte kann hier die Zurechenbarkeit der Tötung sein. Die Tötung muss dem Täter zurechenbar sein.

Eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers

Die Zurechenbarkeit kann im Falle eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Opfers entfallen. Abzugrenzen ist diese aber von der einvernehmlichen Fremdschädigung. In letzterem Fall entfällt die Zurechenbarkeit nicht. Diese sind danach abzugrenzen, wer Tatherrschaft hat, also wer der Beteiligten das Geschehen bildlich gesprochen „in den Händen hält“.

Ein Beispiel zur Abgrenzung können hier die Autosurfing – Fälle sein. Eine Person legt sich auf das Autodach, der Fahrer beschleunigt und getestet werden soll, wie lange sich das Opfer wohl auf dem Dach halten kann. Hat das Opfer – also derjenige auf dem Autodach – keinerlei Verbindung zum Fahrer und kann es dementsprechend den Vorgang nicht selbst steuern und beenden, so hat das Opfer keine Tatherrschaft und es liegt keine die Zurechenbarkeit ausschließende eigenverantwortliche Selbstgefährdung vor.

Die Begleitung beim Suizid – Konflikt zwischen Lebensschutz und selbstbestimmtem Sterben

Im Rahmen der Strafbewehrung der Tötung auf Verlangen ist insbesondere der Konflikt zwischen dem Lebensschutz (der durch diese Strafbewehrung bezweckt werden soll) und dem Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf das Sterben von großer Relevanz. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist vom Bundesverfassungsgericht inzwischen sogar als Grundrecht – als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – eingestuft: Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben (BVerfG, 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 in NJW 2020, 905).

Dieses Recht wird auch dadurch eingeschränkt, dass Hilfemaßnahmen durch Dritte in Bezug auf den Suizid strafbewehrt sind. Denn durch die Strafbewehrung sehen sich dritte Personen daran gehindert, dem Suizidant zu helfen, was in der Folge sein Recht auf selbstbestimmtes Sterben – was gerade auch die Entscheidung über die Umstände des Sterbens beinhaltet – einschränkt.


Seine frühere Rechtsprechung, dass auch bei einem eigenverantwortlichen Suizidant mit Eintritt der Bewusstlosigkeit die Tatherrschaft auf die den Sterbenden begleitenden anwesende Person übergeht und diese ab diesem Moment dazu verpflichtet ist, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um sich nicht wegen Tötung durch Unterlassen strafbar zu machen, hat der BGH inzwischen aufgegeben (BGH, Urteile v. 03.06.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 292/18). Dahinter steht wohl vor allem das immer mehr berücksichtigte Selbstbestimmungsrecht des Sterbenden. In diesen Urteilen ging es (stark vereinfacht ausgedrückt) um Ärzte, die ihre Patienten beim (eigenverantwortlichen) Suizid begleiteten.

Verfassungskonformes Verständnis der Tötung auf Verlangen

Prägend im Rahmen der Problematik des Konflikts zwischen Lebensschutz (durch die Strafbewehrung der Tötung auf Verlangen) und dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben war nun ein Beschluss des BGH im Juni 2022 (BGH, Beschluss v. 28.06.2022 – 6 StR 68/21). Hierin betonte der BGH, dass die Frage, wer im Zeitpunkt des Sterbens Tatherrschaft hatte (was wie bereits dargestellt entscheidend für die Frage der Strafbarkeit ist), einer normativen Wertung bedarf. Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben muss hinreichende Berücksichtigung finden. Im zu entscheidenden Fall ging es (stark vereinfacht ausgedrückt) um einen Mann, der seit vielen Jahren unter Schmerzen litt. Er äußerte gegenüber seiner Frau mehrfach den Wunsch, zu sterben. Eines Tages äußerte er diesen Wunsch abermals. Der Mann war körperlich nicht mehr in der Lage entsprechende Maßnahmen selbst vorzunehmen. Die Frau suchte auf seine Aufforderung hin Medikamente zusammen, die der Mann selbstständig einnahm. Im Anschluss hieran spritzte sie ihm – weil er selbst hierzu körperlich nicht in der Lage war – auf seinen Wunsch hin Insulinspritzen, die etwas später zum Tode führten. Der BGH stellte darauf ab, dass die Frau zwar einen aktiven Beitrag vorgenommen hatte (das Spritzen des Insulins), dieser allerdings zu einem Zeitpunkt schon beendet war, in dem der Sterbende weiterhin bei vollem Bewusstsein war und die Tatherrschaft behielt (er war auch noch in der Lage, Gegenmaßnahmen zu ergreifen), sodass die Tatherrschaft im Todeszeitpunkt bei ihm lag. Keine Strafbarkeit wegen Tötung auf Verlangen. Eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung verneinte der BGH in der Folge an der fehlenden Zumutbarkeit, Hilfemaßnahmen einzugreifen. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit spiele auch hier das Recht des Sterbenden, selbstbestimmt zu sterben, selbstbestimmt seinen Tod zu wählen, eine Rolle, die es bei der Feststellung der Strafbarkeit der Personen, die auf Wunsch des Sterbenden hin, diesen bei der Umsetzung seines Vorhabens begleiten, zu berücksichtigen gilt. Der BGH verneinte also eine Strafbarkeit wegen Tötung auf Verlangen in solchen Konstellationen insbesondere im Hinblick auf den Aspekt, dass der Sterbende selbst nicht mehr dazu in der Lage ist, den Suizid alleine durchzuführen und von der Hilfe anderer Personen dahingehend abhängig ist. In jedem Fall müsse aber natürlich die Entscheidung zu sterben frei von Willensmängeln sein. Vgl.  BGH, Beschluss v. 28.06.2022 – 6 StR 68/21.

Wie verhalte ich mich bei einer Festnahme und Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs Totschlag?

Sollte es – was beim Vorwurf des Totschlags durchaus denkbar ist – zu einer Festnahme und anschließenden Untersuchungshaft kommen, so sollten Sie in erster Linie einen kühlen Kopf, Ruhe, bewahren. Dies fällt in solch belastenden Situationen zugegebenermaßen schwer, nun aber in Panik zu verfallen und schlimmstenfalls die Situation noch schlimmer zu machen, bringt Sie aber nicht weiter. Bleiben Sie ruhig, widersetzen Sie sich nicht aktiv (sonst können unter Umständen weitere Strafbarkeiten drohen), machen Sie zunächst lieber von Ihrem Schweigerecht als Beschuldigter Gebrauch (Sie sind nicht dazu verpflichtet, Angaben zum Tatvorwurf zu machen) und kontaktieren Sie dann so schnell wie möglich einen auf das Strafrecht spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht. Dieser wird nach Analyse der Ermittlungsakten eine für Ihren Fall geeignete Verteidigungsstrategie erarbeiten und Sie über die weiteren Schritte umfassend beraten.


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