Arbeitsverhinderung

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Bekommt meine Mitarbeiterin oder mein Mitarbeiter die Zeit vergütet, die er oder sie wegen eines Streiks oder wegen der Betreuung eines Kindes während der Corona-Krise verspätet oder gar nicht zur Arbeit kommt?

Häufig legt der Streik den Straßenverkehr oder Flugverkehr lahm, Kindertagesstätten (Kita) oder Schulen sind geschlossen und es gibt keine andere Betreuungsmöglichkeit für das Kind, sodass ein Elternteil gezwungen ist, zu Hause zu bleiben.

Nachdem „Arbeit“ ein Wirtschaftsgut ist, wird nur der Mitarbeiter bezahlt, der gearbeitet hat. Damit beim Mitarbeiter keine Notlagen entstehen, wenn kurzfristig nicht gearbeitet wird, machen Gesetze und Tarifverträge von diesem Grundsatz Ausnahmen, zum Beispiel Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Das Entgeltfortzahlungsgesetz ist eine Spezialnorm des Grundsatzes nach § 616 BGB, der wie folgt lautet: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“

Der Arbeitnehmer behält also seinen Vergütungsanspruch, wenn er unverschuldet wegen eines in seiner Person liegenden Grundes für eine verhältnismäßig kurze Zeit nicht arbeiten kann.

Eine verhältnismäßig kurze Zeit ist vom Gesetz nicht definiert. Entscheidend ist, wie lange es dauert, eine alternative Betreuung des Kindes zu organisieren, im Allgemeinen 2 bis 3 Arbeitstage, maximal 5 Arbeitstage. Gemessen wird das an der Beschäftigungsdauer im Betrieb, der Dauer der Untätigkeit und des Verhinderungsgrundes. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Wer lange ohne Fehlzeiten in einem Betrieb tätig ist, behält den Vergütungsanspruch (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20. Juli 1977 – 5 AZR 325/76). Dauert die Verhinderung lange, entfällt der Vergütungsanspruch komplett.

Ein Sonderfall ist die Pflege eines erkrankten Kindes, wonach der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin für jedes Kind bis zu 10 Tage im Kalenderjahr einen Freistellungsanspruch von der Arbeitsleistung mit Anspruch auf Krankengeldzahlung gegenüber dem Sozialversicherungsträger hat, § 45 Absatz 3 Satz 3 SGB V; Alleinerziehende 20 Tage und insgesamt maximal 25 Tage im Jahr. Der übliche Zeitrahmen der Arbeitsverhinderung ist aber eher kurz.

Es ist unerheblich, ob die Arbeitsleistung rechtlich unmöglich, sittlich oder tatsächlich unmöglich war. Der Hinderungsgrund muss nicht unmittelbar in der Person des Arbeitnehmers oder in dessen persönlichen Eigenschaften liegen, die Arbeitsleistung muss ihm aber unmöglich oder unzumutbar sein im Sinne von § 275 BGB (MüKoBGB/ Henssler, 8. Auflage 2020, § 616 Rnr 18). Das ist bei der streikbedingten Schließung einer Kita oder aufgrund der Eilverordnungen während der Corona-Krise der Fall – aber auch bei persönlichen Unglücksfällen, unaufschiebbaren Arztbesuchen, goldenen Hochzeiten, Wahrnehmung von öffentlichen Ehrenämtern, im Katastrophenschutz, bei der Niederkunft der Ehefrau oder Lebenspartnerin, der Eheschließung, der Verrichtung von Gebeten und bei Todesfällen.

Letztlich muss der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden in diese Situation gekommen sein. Ein Verschulden liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer durch unverständiges, leichtfertiges, gegen die eigenen Interessen grob verstoßendes Verhalten die Arbeitsverhinderung herbeigeführt hat. Wenn die Kita, der öffentliche Nahverkehr streikt oder die Schule geschlossen ist, trifft den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erstmal keine Schuld. Wenn der Streik oder die Schließung rechtzeitig angekündigt wurde, muss der Mitarbeiter dafür sorgen, dass er pünktlich auf der Arbeit erscheint, indem er früher losfährt oder die Kinderbetreuung anderweitig gewährleistet ist. Es ist daher vom Mitarbeiter zu prüfen, ob das Kind von Verwandten, Freunden, anderen Eltern, deren Kinder in derselben Kita sind, oder Nachbarn übernommen, ja sogar, ob das Kind mit zur Arbeit genommen werden kann, oder Arbeiten von zu Hause aus (Homeoffice) erledigt werden können. Darüber hinaus ist im Sinne von § 45 Absatz 1 SGB V davon auszugehen, dass Kinder, die das zwölfte Lebensjahr vollendet haben, keine ganztägige Betreuung durch ihre Eltern bedürfen, und dass ferner Kinder, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, ihre Geschwister, die noch keine zwölf Jahre alt sind, beaufsichtigen können. Prüft die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter das nicht, hat er grob gegen seine eigenen Interessen verstoßen.

Schließlich kommt es darauf an, dass wegen des persönlichen Grundes die Arbeitsleistung ausfällt. Hat der Mitarbeiter sowieso Urlaub, bekommt er keinen Sonderurlaub, der verpasste Urlaubstag wird ihm auch nicht auf seinem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben.

Seit dem 30. März 2020 ist das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ in Kraft. Damit wurde in § 56 Absatz 1 a LfSG ein sozialrechtlicher an den Staat gerichteter Entschädigungsanspruch eingeführt, der für maximal sechs Wochen dem betroffenen Arbeitnehmer einen auf 67 % des Verdienstausfall gedeckelten, jedoch höchstens 2.016,00 Euro hohen Lohnersatzanspruch bei Lohneinbußen durch Schulschließungen und damit verbundene Kinderbetreuung gewährt.


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