Arbeitszeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit – Änderungen durch EuGH und BAG

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Moderne Arbeitszeitmodelle stellen die Erledigung von Aufgaben in den Mittelpunkt. Das New Work rückt von der stetigen Präsenz im Büro als „9 to 5“ ab. Insbesondere die Vertrauensarbeitszeit war gibt Arbeitnehmern eine gute Möglichkeit, flexibel von zu Hause oder anderen Orten zu arbeiten.


 Vertrauensarbeitszeit ist eine Steigerung gegenüber einer Gleitzeitvereinbarung. Eine Gleitzeitregelung sieht gewisse Kernarbeitszeiten vor (bspw. 10 Uhr bis 14 Uhr) und eine variable Zeit, die vom Arbeitnehmer frei ausgefüllt werden kann (bspw. 6 Uhr bis 10 Uhr und 14 Uhr bis 20 Uhr). Dabei muss eine tägliche Arbeitszeit erfüllt werden, eine gesetzliche Höchstfrist von 10 Stunden täglich darf grundsätzlich nicht überschritten werden.


Bei einer Vertrauensarbeitszeit soll die Einhaltung der (variablen) Arbeitszeit nicht mehr vom Arbeitgeber kontrolliert werden. Diese Kontrolle wird auf die Arbeitnehmer übertragen. Fehlt jegliche Kernarbeitszeit, besteht keine Kontrollpflicht des Arbeitgebers mehr. Allerdings musste der Arbeitgeber nach bisherigem Stand seinen Betrieb so organisieren, dass die gesetzlichen und tariflichen Höchstarbeitszeitgrenzen eingehalten werden und er diese Vorgaben selbst überprüfen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen kann.


Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 14.05.2019 entschieden, dass der Arbeitgeber die tatsächlich geleistete Arbeitszeit lückenlos erfassen und dokumentieren muss. Dabei wurde den Mitgliedstaaten der EU auferlegt, die Arbeitgeber zu verpflichten, ein verlässliches System einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann.


Aufgrund der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 gilt diese Entscheidung unmittelbar im deutschen Rechtsraum. Nach einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz soll der Arbeitgeber dazu verpflichtet sein, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen.


Bislang war die Geltung der Entscheidung des EuGH in Deutschland umstritten, da der EuGH die Mitgliedstaaten zu einer gesetzlichen Ausgestaltung verpflichtete. Ob es nach der Entscheidung des BAG zu einem Gesetzesentwurf kommen wird, ist noch unklar.


Aus Unsicherheit über Vertragsverletzungen und Angst vor Bußgeldern droht eine Abkehr von der Vertrauensarbeitszeit. Dabei sind die Rechtsfolgen der Gerichtsentscheidungen keinesfalls derart drastisch. Das BAG bestätigte die unmittelbare Geltung der Entscheidung des EuGH auch ohne gesetzliche Ausgestaltung durch den Bundestag. Dementsprechend ist der Arbeitgeber derzeit verpflichtet, ein verlässliches System zur Messung der täglichen Arbeitszeit einzurichten. Dieses System kann Arbeitnehmern auch zur Verfügung gestellt werden. Die Zeiterfassung selbst muss nicht durch den Arbeitgeber erfolgen.


Eine Abkehr von der Vertrauensarbeitszeit ist also nicht erforderlich. Durch eine passende Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung ist eine Vertrauensarbeitszeit – nach derzeitigem Stand – möglich.



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