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Arbeitszeitkonto: Minusstunden mit Gehalt verrechenbar?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Vor allem im Bereich flexibler Arbeitszeitmodelle – etwa bei Saisonarbeit – werden Arbeitszeitkonten geführt. Die Mitarbeiter erhalten hier selbst dann ihr volles Gehalt, wenn sie in einem Monat mal ein bisschen weniger gearbeitet haben, als vertraglich vereinbart wurde. Gleicht der Beschäftigte das Zeitkonto in der Folgezeit durch Mehrarbeit nicht wieder aus, stellt sich die Frage, ob der Chef die Minusstunden einfach mit Arbeitslohn bzw. dem Urlaubs(abgeltungs)anspruch des Angestellten verrechnen darf.

Streit um Gehalt und Urlaubsabgeltung

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2014 verklagte ein Krankenpfleger seinen früheren Arbeitgeber auf Zahlung restlicher Vergütung sowie Urlaubsabgeltung für insgesamt 16 Tage – 12 Tage aus 2013 und 4 Tage aus 2014. Der Chef erwiderte jedoch, das Gehalt zu Recht gekürzt zu haben – er habe die Restvergütung schließlich mit den Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto des Krankenpflegers verrechnen dürfen. Gleiches gelte für die Verrechnung von Urlaubstagen mit Minusstunden, von denen der Krankenpfleger insgesamt 112 angesammelt hatte, weil er etwa früher Feierabend gemacht oder Pausen nicht in Abzug gebracht habe.

Keine freie Arbeitseinteilung möglich

Der Krankenpfleger dagegen bestritt die Existenz von Minusstunden. Er habe sich stets an die Dienstpläne gehalten und entsprechend gearbeitet. Wenn er nicht auf die vereinbarte Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche gekommen sei, dann allein deshalb, weil sein Chef ihn nicht häufiger im Dienstplan eingeteilt habe. Im Übrigen gebe es keine Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach eine Verrechnung der Minusstunden erlaubt sein sollte. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Verrechnungsmöglichkeit muss vereinbart werden

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein verpflichtete den Arbeitgeber zur Abgeltung von lediglich vier Urlaubstagen sowie zur Zahlung eines Teils des restlichen Arbeitslohns.

Keine Verrechnung mit Arbeitslohn

Das Verrechnen von Lohn mit Minusstunden ist nur zulässig, wenn die Vertragsparteien vereinbart haben, dass ein Arbeitszeitkonto geführt wird, welches mit Minusstunden belastet werden kann. In diesem Fall arbeitet der Angestellte schließlich weniger als ausgemacht, erhält aber je nach Absprache von seinem Chef – um monatliche Gehaltsschwankungen zu vermeiden – dennoch die vereinbarten Stunden als Vorschuss entlohnt. Deshalb hat der Beschäftigte in der Folgezeit mehr zu arbeiten, um die Minusstunden wieder auszugleichen. Allerdings muss der Beschäftigte dann auch die Möglichkeit haben, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Wird er nämlich vom Chef fest in z. B. Dienstpläne eingeteilt, kann er gar nicht selbst entscheiden, wann, wie und vor allem ob er Minusstunden ansammelt bzw. wieder abarbeitet.

Vorliegend hatten der Krankenpfleger und sein Chef gerade keine Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto getroffen – Letzterer führte lediglich ein Stundenkonto und durfte daher auch keine Verrechnung vornehmen. Im Übrigen hatte der Krankenpfleger stets nur nach Dienstplan gearbeitet. Es lag also nicht an ihm, wann und vor allem wie viel er gearbeitet hat. Da er während der ihm vorgegeben Zeiten gearbeitet hat, hat er seine Arbeitsleistung dienstplanmäßig erbracht.

Ein anderes Ergebnis wäre nur möglich, wenn der Beschäftigte vertragswidrig seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen wäre. Vorliegend hat der Chef zwar Fehlzeiten beim Krankenpfleger – unter anderem wegen längerer bzw. nicht von der Arbeitszeit abgebuchter Pausen – pauschal behauptet, allerdings nicht nachweisen können.

Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2013 ist erloschen

Das Gericht wies einen Anspruch des Krankenpflegers nach § 7 IV Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) auf Abgeltung der 12 Urlaubstage aus 2013 ab.

Zwar war eine Verrechnung der freien Tage mit Minusstunden unzulässig. Schließlich darf Urlaub für einen Zeitpunkt in der Vergangenheit nicht gewährt werden. Wer Urlaub nehmen möchte, kann ihn vielmehr nur für einen Zeitraum in der Zukunft beantragen.

Allerdings ist der Urlaubsanspruch aus 2013 nach § 7 III 1 BUrlG mit Ablauf des 31.12.2013 erloschen. Urlaub ist nämlich stets in dem Kalenderjahr zu nehmen, in dem der Anspruch entstanden ist, hier im Jahr 2013. Eine Übertragung auf das nächste Jahr ist nur in engen Grenzen möglich – wenn nämlich dringende betriebliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe dies rechtfertigen. Vorliegend hat der Krankenpfleger jedoch keinen Grund genannt, warum er seinen Urlaub nicht vollständig im Jahr 2013 nehmen konnte.

Abgeltung von vier Urlaubstagen aus 2014

Dagegen konnte der Krankenpfleger für vier Urlaubstage aus 2014 eine Abgeltung verlangen. Diese Urlaubstage waren noch nicht erloschen – auch hatte sie der Chef dem Krankenpfleger noch nicht gewährt. Aus den bereits genannten Gründen durfte der Arbeitgeber diese vier Urlaubstage auch nicht mit Minusstunden verrechnen.

Fazit: Der Arbeitgeber kann Minusstunden auf einem Arbeitszeitkonto mit dem Gehalt eines Angestellten nur verrechnen, wenn es eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien gibt.

(LAG Schleswig Holstein, Urteil v. 12.05.2015, Az.: 1 Sa 359 a/14)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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