Architektenhonorar: Aufstockungsklage erfolglos bei vom Architekten initiierter Unterschreitung

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Ein Bauherr (B) will ein Einfamilienhaus erwerben und umbauen. Dazu wendet er sich an einen befreundeten Architekten (A). Die Parteien vereinbaren auf Grundlage einer Honorarermittlung des A nach HOAI i.H.v. brutto 25.989,08 Euro (Kostenschätzung i.H.v. 149.642 Euro) im schriftlichen Architektenvertrag ein Pauschalhonorar i.H.v. brutto 24.990 Euro. Es kommt während der Abwicklung zum Zerwürfnis.  A rechnet über die bereits von B gezahlte Pauschale hinaus auf der Grundlage anrechenbarer Kosten von 275.186,57 Euro ein Mindestsatzhonorar von weiteren 29.856,66 Euro ab.

Das OLG Celle hat die Klage des Architekten abgewiesen. 

Denn ein Auftragnehmer verhalte sich widersprüchlich, wenn er eine Pauschalvereinbarung unterhalb der Mindestsätze abschließe und später nach den Mindestsätzen abrechnen wolle. Der Geltendmachung stehe unter diesen Voraussetzungen Treu und Glauben entgegen und insbesondere dann, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet habe, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden könne. Im vorliegenden Fall ließen die Umstände für einen der Honorarordnung unkundigen Vertragspartner, der sich zudem noch auf die besondere Sachkunde des Planers verlassen habe, nicht erkennen, dass A ein nach der damals geltenden Rechtslage gesetzeswidriges Pauschalpreisangebot gemacht habe, das die verbindlichen Mindestsätze unterschritten habe. Denn der A habe mit detaillierten Honorarermittlungen und fortwährendem Verweis auf die HOAI und unter Bezug auf eine Kostenschätzung nach DIN 276  den B dazu veranlasst, sich auf die Honorarvereinbarung einzurichten. Die Mindestsatzforderung sei mehr als doppelt so hoch wie das vereinbarte Pauschalhonorar. Auch habe A die anrechenbaren Kosten deutlich zu hoch angesetzt. Eine solche relativ hohe Kostensteigerung über das vereinbarte Honorar hinaus und ohne vertragliche Grundlage stelle in der Regel für den eigenfinanzierenden privaten Bauherrn eine besondere Härte dar, weil sie Kreditaufnahmen erfordere und/oder Belastungen anderer Art nach sich ziehe (Grundpfandrechte). Auf die europarechtliche Bewertung des verbindlichen Preisrechts komme es im vorliegenden Fall nicht an, weil sich die Treuwidrigkeit der Nachforderung des A unabhängig von europarechtlichen Gesichtspunkten ergebe.

Diese Entscheidung wird in der Literatur kritisch hinterfragt unter Berufung darauf, dass sie die vom BGH im Blick auf die EuGH-Rechtsprechung entwickelten Beurteilungskriterien nicht ausreichend hinterfrage. Zwar könne nach dieser Kritik ein auf dem Vertrauen des Bauherrn beruhendes "sich Einrichten" angenommen werden, wenn die Finanzierung des Vorhabens auch auf dem mitgeteilten Honorar beruhe, wozu die Entscheidung aber nur abstrakte Erwägungen enthalte. Insbesondere die Unzumutbarkeit könne jedoch nur bei Existenzgefährdung des Bauherrn anzunehmen sein, für die in der Entscheidung ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte zu finden seien.

(OLG Celle, Urteil vom 10.08.2020 - 14 U 54/20 )

Dr. Thomas Gutwin

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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